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  BFH-Urteil vom 27.8.1997 (X R 105/94) BStBl. 1998 II S. 18

Kosten für Heizöl, das nach dem Bezug der Wohnung verbraucht wird, sowie im voraus bezahlte Müllabfuhrgebühren sind nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar.

EStG § 10e Abs. 6.

Vorinstanz: FG München (EFG 1994, 966)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau kauften ein Einfamilienhaus, das am 1. Juli 1991 fertiggestellt wurde und seit 28. Juli 1991 von ihnen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machte der Kläger vergeblich vor Bezug der Wohnung bezahlte Kosten für Heizöl (1.793 DM), das nach Bezug verbraucht wurde, und im voraus bezahlte Müllabfuhrgebühren (70 DM) als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 1991 war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 966 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt unter Einschränkung seines Klageantrags, die Revision hinsichtlich des Streitpunkts Heizöl zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Heizölkosten und Müllabfuhrgebühren hängen - entgegen der Auffassung des FG - weder unmittelbar mit der Anschaffung des Einfamilienhauses zusammen noch sind sie vor dessen Bezug entstanden.

1. Voraussetzung für den Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG ist unter anderem ein unmittelbarer Zusammenhang der Aufwendungen mit der Herstellung oder Anschaffung der Wohnung. Der Senat hat sich im Urteil vom 24. März 1993 X R 25/91 (BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704) der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen, daß laufende Grundstückskosten, wie z. B. Grundsteuer und Gebäudeversicherungsprämien, als Vorkosten zu berücksichtigen sind soweit sie auf die Zeit entfallen, in der die Wohnung zwischen Herstellung oder Anschaffung und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken weder vermietet noch vom Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassen war. Er hat - ebenso wie für den Vorkostenabzug von Erhaltungsaufwendungen - einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung genügen lassen.

Gleichwohl sind nicht alle Aufwendungen nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, die vor Bezug in zeitlicher Nähe zur Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung anfallen. Im Urteil vom 20. September 1995 X R 94/92 (BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186, unter 4. b) hat der Senat im Zusammenhang mit dem Vorkostenabzug von Schuldzinsen das Merkmal "unmittelbar" als "nicht mittelbar", d. h. ohne Zwischenstufe definiert. Erhaltungsaufwendungen sowie Grundsteuer und Gebäudeversicherungsprämien, die der Senat bei zeitlicher Nähe zur Anschaffung oder Herstellung als abziehbar beurteilt hat, weisen einen unmittelbaren Bezug zum Gebäude oder zum Grundstück auf und damit einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung. Aufwendungen für das Beheizen der Wohnung nach Bezug werden dagegen durch die Nutzung der Wohnung verursacht und hängen daher nur mittelbar mit der Anschaffung oder Herstellung zusammen. Gleiches gilt für die Müllabfuhrgebühren.

2. Zudem sind die streitigen Aufwendungen nicht vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden. Entgegen der Auffassung des FG ist hierfür nicht maßgeblich, daß die Schuld vor Bezug zivilrechtlich erfüllbar war und vor Bezug bezahlt wurde.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen nur dann vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden, wenn sie wirtschaftlich dem Zeitraum vor Bezug der Wohnung zuzuordnen sind (z. B. Urteile vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893, und vom 28. Februar 1996 X R 65/93, BFHE 180, 116, BStBl II 1996, 566). Für die Entscheidung, ob es sich um abziehbare Vorkosten handelt, kommt es weder auf den Zahlungszeitpunkt noch auf den Entstehungszeitpunkt der zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung an. Der Zeitpunkt des Abflusses ist nur maßgebend dafür, in welchem Kalenderjahr der Steuerpflichtige die Ausgaben abziehen kann. Insoweit bestimmt § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG als Zeitpunkt der Absetzbarkeit von Ausgaben - das gilt auch für Sonderausgaben - das Kalenderjahr, in dem die Ausgaben geleistet worden sind. Ob die Ausgaben überhaupt als Vorkosten berücksichtigt werden dürfen, hängt dagegen davon ab, ob sie wirtschaftlich den Zeitraum vor oder nach Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken betreffen.

Die Kriterien für die wirtschaftliche Zuordnung hängen von der Art der Aufwendungen ab. Laufzeitbezogene Aufwendungen wie z. B. Schuldzinsen oder auch Grundsteuer und Versicherungsprämien sind abziehbar, soweit sie auf die Zeit vor Bezug entfallen. Nicht laufzeitbezogener Kreditaufwand betrifft wirtschaftlich den Zeitraum, in dem er vereinbarungsgemäß getilgt worden ist. Erhaltungsaufwendungen werden wirtschaftlich dem Zeitraum zugeordnet, in dem sie ausgeführt worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Mai 1994 IX R 16/91, BFH/NV 1994, 854, zu § 21a EStG a. F.).

Aufwendungen, die durch die Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken verursacht werden, gehören wirtschaftlich zum Zeitraum der Nutzung. Die Kosten für Heizöl, das zum Verbrauch nach Bezug bestimmt ist, werden nicht dadurch als Vorkosten abziehbar, daß das Heizöl vor Bezug der Wohnung geliefert und bezahlt wird. Die im voraus bezahlten Gebühren für die Müllabfuhr gelten Leistungen ab, die erst nach Bezug erbracht werden. Sie sind daher - wie der Kläger nunmehr selbst einräumt - wirtschaftlich ebenfalls dem Zeitraum nach Bezug zuzuordnen.