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  BFH-Urteil vom 2.4.1997 (X R 6/95) BStBl. 1998 II S. 25

"Gewinne aus Anteilen" i. S. des § 9 Nr. 2 a GewStG sind sowohl die während der Liquidation der Kapitalgesellschaft erzielten Gewinne als auch die Liquidationsrate, mit der das nach Abschluß der Liquidation verbliebene Reinvermögen an die Anteilseigner ausgekehrt wird, soweit nicht Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG (EK 04) als verwendet gilt.

GewStG § 7, § 9 Nr. 2a; KStG § 30 Abs. 2 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1995, 450)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine elektrotechnische Fabrik in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Zum Betriebsvermögen dieses Unternehmens gehörten 90 v. H. des Stammkapitals an der Fa. H-GmbH (im folgenden: GmbH). Die übrigen Anteile hielt die Ehefrau des Klägers. Zwischen dem Einzelunternehmen und der GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung. Die GmbH beendete ihre Geschäftstätigkeit Ende 1984 und wurde aufgelöst. Sie erlosch im Mai 1987. Zu diesem Zeitpunkt ging das Liquidationsendvermögen auf die Anteilseigner über. Auf den Kläger entfiel eine Liquidationsrate in Höhe von 341.298 DM. Diese setzt sich zusammen aus Ausschüttungen aus dem EK 56 (thesaurierte Gewinne bis zum Beginn der Liquidation, Gewinne während des Liquidationszeitraums unter Berücksichtigung einer Minderung der Körperschaftsteuer) und aus dem EK 02 (u. a. thesaurierte Gewinne bis zum Beginn der Liquidation) zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer. Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977 (EK 04) galt nicht als verwendet.

Der Kläger erfaßte diese Liquidationsrate in der Gewinn- und Verlustrechnung des Streitjahres 1987 als Ertrag. In der Gewerbesteuererklärung kürzte er den Gewerbeertrag um die Liquidationsrate nach § 9 Nr. 2 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, eine Kürzung nach § 9 Nr. 2 a GewStG komme nicht in Betracht, da es sich bei der Liquidationsrate begrifflich nicht um "Gewinne aus Anteilen" handele. Der Charakter der Auskehrungen als Kapitalrückzahlung sei durch das KStG 1977 nicht berührt worden. Der Einspruch des Klägers gegen den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid vom 9. Januar 1992 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben; sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 450.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die hier fraglichen Ausschüttungen "Gewinne aus Anteilen" i. S. des § 9 Nr. 2 a GewStG sind.

1. Hinsichtlich der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag gelten bezogen auf den Streitfall die folgenden Grundsätze:

a) Nach § 7 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Zu dem nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnden Gewinn gehört grundsätzlich auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die sich in einem Betriebsvermögen befinden, oder aus der Auflösung einer solchen Gesellschaft. Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile in einem Betriebsvermögen gehalten werden, ist grundsätzlich Ertrag des laufenden Betriebes. Er unterliegt der Gewerbesteuer selbst dann, wenn sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. August 1984 I R 154/81, BFHE 142, 394, BStBl II 1985, 160).

b) Nach § 9 Nr. 2 a GewStG ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zu kürzen um "die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG", wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind. Mit der Einfügung der Nr. 2 a in § 9 GewStG durch das Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Juli 1963 (BGBl I 1963, 563, BStBl I 1963, 557) war bezweckt, Personengesellschaften, Einzelkaufleute und - durch die Neufassung der Vorschrift durch Art. 3 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes 1965 (StÄndG 1965) - andere Rechtsträger hinsichtlich ihrer Gewinne aus Schachtelbeteiligungen den Kapitalgesellschaften gleichzustellen. Bei letzteren waren infolge des bis zum Jahre 1976 einschließlich geltenden körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs des § 9 KStG a. F. "die auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art außer Ansatz" geblieben; sie unterlagen infolge der Verweisung in § 7 GewStG auf den nach den Vorschriften des KStG a. F. zu ermittelnden Gewinn auch nicht der Gewerbesteuer. § 9 Abs. 1 KStG a. F. hatte als sachliche Steuerbefreiungsvorschrift (BFH-Urteil vom 3. Juli 1963 I 276/61 S, BFHE 77, 394, BStBl III 1963, 464) den Zweck, eine zweimalige Erfassung des wirtschaftlich nämlichen Gewinns durch die Körperschaftsteuer sowohl bei der Untergesellschaft wie auch beim Beteiligungsunternehmen (Obergesellschaft) zu verhindern. Dementsprechend will § 9 Nr. 2 a GewStG eine zweifache gewerbesteuerliche Belastung der Erträge der Beteiligungsgesellschaft vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 I R 5/92, BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131, unter II. 4.).

2. Im Streitfall sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 2 a GewStG jedenfalls insofern erfüllt, als während des Liquidationszeitraums erzielte Gewinne ausgeschüttet worden sind.

Zum steuerbaren Gewerbeertrag gehören bei Kapitalgesellschaften (hier: der GmbH) auch Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes (BFH-Urteile vom 28. Juni 1989 I R 124/88, BFHE 158, 440, BStBl II 1990, 76, unter 1. e, und vom 8. Mai 1991 I R 33/90, BFHE 165, 191, BStBl II 1992, 437, m. w. N. der Rechtsprechung; Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - Abschn. 41 Abs. 1). Der durch die Verwertung des Liquidations-Anfangsvermögens erzielte Gewinn - insbesondere aus der Aufdeckung der in diesem Vermögen ruhenden stillen Reserven - und die im Abwicklungszeitraum erzielten Erträge dieses Vermögens unterliegen daher bei der Kapitalgesellschaft i. L. der Steuer nach dem Gewerbeertrag. Hält jemand die Anteile an dieser Gesellschaft in seinem Betriebsvermögen, fließt ihm das ausgekehrte Liquidationsvermögen einschließlich des im Liquidationsstadium erzielten Gewinns als Einnahmen aus Gewerbebetrieb zu. Soweit der bei der Kapitalgesellschaft erzielte gewerbesteuerbare Liquidationsgewinn in den beim Anteilseigner gleichfalls der Gewerbesteuer unterliegenden Aufgabegewinn (zu diesem BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 2/93, BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705) eingeht, entlastet § 9 Nr. 2 a GewStG diese "Gewinne aus Anteilen" von einer sonst eintretenden gewerbesteuerrechtlichen Doppelbelastung.

3. "Gewinn aus Anteilen" i. S. des § 9 Nr. 2 a GewStG ist auch die Liquidationsrate, mit der das übrige nach Abschluß der Liquidation verbliebene Reinvermögen an die Anteilseigner ausgekehrt wird. Dies gilt jedenfalls insoweit, als nicht Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 (EK 04) als verwendet gilt. Hierzu hat das FG festgestellt, daß die GmbH Ausschüttungen aus dem EK 56 und dem EK 02 vorgenommen hat; Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 gilt nicht als verwendet.

a) Die Einbeziehung dieser Ausschüttungen in das gewerbesteuerrechtliche Schachtelprivileg folgt aus dem Wortlaut und Zweck des § 9 Nr. 2 a GewStG. Die im Hinblick auf das KStG i. d. F. bis zum Jahre 1976 vertretene einschränkende Auslegung dieser Bestimmung, die sich die handelsrechtliche Sicht der Ausschüttung der Liquidationsrate als Rückzahlung von Eigenkapital (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 10. Mai 1938 I 266/37, RFHE 44, 80) zu eigen gemacht hatte und einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Ausschüttung und früherer laufender Geschäftstätigkeit der Untergesellschaft verneinte, kann unter der Geltung des KStG 1977 nicht fortgeführt werden. Dies folgt zum einen daraus, daß nunmehr nach der Systematik des EStG und des KStG 1977 die Ausschüttungen, die nicht das Nennkapital berühren, keine Rückgewähr von Kapital, sondern Ausschüttungen i. S. der §§ 27 ff., § 41 KStG 1977 und nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG steuerbare Bezüge im Anrechnungsverfahren sind. Zum anderen bleibt infolge der "technischen" Erfassung der Gewinne in der körperschaftsteuerrechtlichen Gliederungsrechnung (§§ 28 ff. KStG 1977) der sachliche Zusammenhang zwischen "Einkommensteilen", die bei der Untergesellschaft der Gewerbesteuer unterlegen haben, und den Ausschüttungen thesaurierter Gewinne als Gewinnanteile in der Form von Bezügen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 20 Abs. 3 EStG erhalten.

b) Zur Auslegung des § 9 Nr. 2 a GewStG vor Geltung des KStG 1977 hat der BFH entschieden, daß Gewinne aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung keine "Gewinne aus Anteilen" i. S. des § 9 Nr. 2 a GewStG sind. Nach dem Urteil vom 5. Dezember 1990 I R 116/84 (BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372) setzt diese Vorschrift offene Ausschüttungen voraus aus dem handelsbilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn der Geschäftsjahre, die "vor dem Eintritt der Liquidation der Kapitalgesellschaft" enden. Eine solche Ausschüttung konnte auch nach Eintritt in das Stadium der Abwicklung beschlossen werden. Vermögensauskehrungen an die Gesellschafter nach Eintritt in das Liquidationsstadium waren hiernach keine Gewinnanteile i. S. des § 9 Nr. 2 a GewStG, soweit sie nicht einen Gewinnverteilungsbeschluß vollzogen, der sich auf ein vor dem Eintritt in das Abwicklungsstadium endendes Geschäftsjahr bezog. Dies wurde u. a. damit begründet, daß mit dem Beginn der Abwicklung die dem Gesellschaftszweck gewidmete Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ende. Befänden sich die Anteile an der Beteiligungsgesellschaft im Betriebsvermögen, wirke sich, so der I. Senat des BFH unter Bezugnahme auf das Urteil vom 8. Dezember 1971 I R 164/69 (BFHE 104, 163, BStBl II 1972, 229), der Vorgang bei der Gewinnermittlung in der Weise aus, daß an die Stelle des Buchwerts der Beteiligung das auf den Gesellschafter übergehende Vermögen der Beteiligungsgesellschaft trete. Von diesem Vermögensvergleich seien lediglich die Gewinnanteile auszunehmen, die vor dem Eintritt in das Abwicklungsstadium endende Geschäftsjahre beträfen. Denn insoweit bestehe noch ein Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der liquidierten Beteiligungsgesellschaft.

Der I. Senat hat in der vorstehend dargestellten Entscheidung offengelassen, inwieweit sich durch das mit dem KStG 1977 eingeführte Anrechnungsverfahren Auswirkungen auf § 9 Nr. 2 a GewStG ergeben.

c) Nach der vom Urteil in BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372 in Bezug genommenen Entscheidung in BFHE 104, 163, BStBl II 1972, 229 gehörte ein nach § 14 KStG a. F. ermittelter, "im Abwicklungsstadium erzielter Gewinn" - als Unterschiedsbetrag zwischen dem nach dieser Vorschrift zu ermittelnden Abwicklungs-Anfangs- und Abwicklungs-Endvermögen - nicht zu den "auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteilen jeder Art". Diese Entscheidung, die sich fallbezogen mit der Frage befaßt, was "Gewinn" und dementsprechend "Gewinnanteil" i. S. des § 9 KStG a. F. ist, läßt ausdrücklich dahingestellt, ob von der Kapitalgesellschaft thesaurierte - nicht ausgeschüttete - Gewinnanteile bei dem Beteiligungsunternehmen zu den "Gewinnanteilen jeder Art" zählen. Jedenfalls seien Ausschüttungen, die die Gesellschaft "im Rahmen der Liquidation ihren Gesellschaftern" erbringe, keine Gewinnanteile im Sinne dieser Vorschrift, sofern sie nicht Gewinne beträfen, die bis zum Beginn der Liquidation erzielt worden seien. Mit dem Eintritt der Kapitalgesellschaft in die Liquidation ende die dem Gesellschaftszweck gewidmete Tätigkeit der Kapitalgesellschaft. Ihr Vermögen trete an die Stelle der Geschäftsanteile; es werde - handelsrechtlich gesehen - an die Gesellschafter verteilt. § 14 KStG a. F. schreibe die Ermittlung und steuerliche Erfassung der im Abwicklungs-Anfangsvermögen ruhenden stillen Reserven und der von der Kapitalgesellschaft "im Abwicklungszeitraum als Erträge ihres Abwicklungs-Anfangsvermögens erzielten Gewinne" vor. Dem Gewinnbegriff des § 9 Abs. 1 KStG a. F. unterlägen nur solche Gewinnanteile, die die ausschüttende Gesellschaft vor ihrem Eintritt in das Stadium der Abwicklung erzielt habe. Der Abwicklungsgewinn beruhe auf einem "spezifischen Gewinnbegriff", der sowohl das Ergebnis aus der Auflösung stiller Reserven als auch die während des Liquidationszeitraums erzielten Erträge des Abwicklungs-Anfangsvermögens umfasse. Eine Aufteilung des Abwicklungsgewinns in Kapitalrückzahlung und Gewinnausschüttung sei nach dem Gesetz nicht möglich. Damit stehe der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Falle der Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft nicht anders da als im Falle der Veräußerung seines (wesentlichen) Anteils an der Kapitalgesellschaft.

Das BFH-Urteil in BFHE 142, 394, BStBl II 1985, 160 hat diese Auslegung nach Wortlaut und Gesetzeszweck für die Auslegung des wortgleich in § 9 Nr. 7 GewStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals "Gewinne aus Anteilen" unter zusätzlichem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BTDrucks. VI/2883 S. 14 ff.) bestätigt: Zweimal der Gewerbesteuer unterworfen sein könnten nur ausgeschüttete Gewinne; Anteilsveräußerungen fielen dagegen nur bei dem Anteilsveräußerer, nicht jedoch bei der Kapitalgesellschaft an, deren Anteile veräußert würden.

d) Das Urteil in BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372 beruht mithin auf der rechtlichen Vorstellung, daß die Ausschüttung im Rahmen der Abwicklung einer aufgelösten Kapitalgesellschaft beim Beteiligungsunternehmen (Obergesellschaft) grundsätzlich eine Auskehrung von Vermögen gegen Aufgabe der Beteiligung ist, die bei dieser zu einem Gewinn führt, wenn der Vermögensrückfluß den Buchwert der Beteiligung übersteigt. Der Umstand, daß in dem ausgekehrten Vermögen thesaurierte Gewinne enthalten sein können, die der Gewerbesteuer unterlegen haben, blieb unberücksichtigt.

e) Diese Auffassung ist durch das KStG 1977 überholt. Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft, für die nach §§ 27 ff., 41 KStG 1977 eine Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, sind steuerbare Bezüge (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG), die auch die Gewinnanteile umfassen (arg. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG: "Gewinnanteile ... und sonstige Bezüge"). Liquidationsraten sind nunmehr, soweit nicht das Nennkapital berührt wird, Bezüge i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 20 Rdnr. D 3 ff.). Zu den "Gewinnanteilen" und "Bezügen" gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG anrechenbare Körperschaftsteuer, da sie beim Anteilseigner zu einer Erhöhung des gewerblichen Gewinns führt (vgl. Abschn. 62 b Abs. 1 Satz 9 GewStR; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9 GewStG Rdnr. 152).

Die neuen systematischen Grundlagen des KStG 1977, die sich von der handelsrechtlichen Vorstellung der Liquidationsraten als Rückzahlung von Kapital gelöst haben, wirken sich auch auf die Auslegung des § 9 Nr. 2 a GewStG aus. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß durch die "Gewinne aus Anteilen" im Sinne dieser Bestimmung nicht auch die "Bezüge" i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG umfaßt wären. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß bezogen auf den Streitfall kein sachlicher Unterschied besteht zwischen "Gewinnanteilen" und - als deren Oberbegriff - "Bezügen" einerseits (vgl. auch § 17 Abs. 4 EStG) und "Gewinnen aus Anteilen" andererseits (vgl. Blümich/Gosch, a. a. O., § 9 GewStG Rdnr. 152 b; Flick/Wassermeyer/Becker, Außensteuerrecht, § 9 Nr. 7 GewStG Rdnr. 10 f.). In dieser Hinsicht ist maßgebend, daß seitens der Kapitalgesellschaft (sonstige) "Leistungen" erbracht werden, die bei den Empfängern Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG sind.

f) Das Ergebnis einer Auslegung des § 9 Nr. 2 a GewStG nach Wortlaut und Systematik wird bestätigt durch den Zweck der Vorschrift. Der Entlastungszweck dieser Bestimmung ist im Streitfall einschlägig, weil die von der Kapitalgesellschaft thesaurierten Gewinne bereits der Gewerbesteuer unterlegen haben. Es besteht auch ein "Zusammenhang der Liquidationsraten mit der früheren Geschäftstätigkeit". Dieser wird dadurch hergestellt, daß alle nicht ausgeschütteten Gewinne, soweit sie im auszukehrenden Liquidationsendvermögen thesauriert sind, als das für Ausschüttungen verwendbare Eigenkapital (§ 29 Abs. 2 KStG 1977) in der Gliederungsrechnung des § 30 KStG 1977 "statistisch erfaßt" worden waren und gewerbesteuerbaren Gewinnen der Kapitalgesellschaft als sachlich zusammenhängend zugeordnet werden können.

g) Der Senat verkennt nicht, daß sich infolge des mit dem Jahr 1977 vollzogenen körperschaftsteuerrechtlichen Systemwandels die rechtliche Aussage des § 9 Nr. 2 a GewStG verändert hat. Dies ist darin begründet, daß diese Vorschrift insofern verweisenden Charakter hat, als sie die ertragsteuerrechtlichen Kategorien "Gewinn" bzw. "Gewinnanteil" in Bezug nimmt. Auf die Frage, ob der Gesetzgeber diese "Fernwirkung" gesehen und ggf. beabsichtigt hat, kommt es nicht an. Anhaltspunkte dafür, daß er diese Wirkung nicht gewollt hätte, sind nicht ersichtlich.

h) Der I. Senat hat auf Anfrage erklärt, daß der erkennende Senat mit seiner Entscheidung nicht von Rechtsgrundsätzen des Urteils in BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372 abweicht.

4. Da das angefochtene Urteil diesen Grundsätzen entspricht, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.