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  BFH-Urteil vom 13.8.1997 (I R 61/96) BStBl. 1998 II S. 270

Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG darf einer eigenen Grundbesitz und eigenes Kapitalvermögen verwaltenden GmbH nicht allein deshalb versagt werden, weil sie zur Absicherung eines ihrem Gesellschafter für nichtgewerbliche Zwecke gewährten Bankkredits ihren Grundbesitz mit einer Grundschuld belastet hat und für die Übernahme der dinglichen Haftung eine Provision erhält.

GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1997, 114)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses, das sie im Erhebungszeitraum 1990 (Streitjahr) wie in den Vorjahren durch Vermietung nutzte. Ein Teil des Hauses war im Streitjahr zu Wohnzwecken an Gesellschafter der Klägerin vermietet. Daneben verwaltete und nutzte die Klägerin eigenes Kapitalvermögen. 1978 hatte die Klägerin ihren Grundbesitz mit einer Grundschuld belastet. Das Grundpfandrecht diente der Absicherung eines Bankdarlehens, das die Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin (W) aufgenommen und zum Erwerb eines Anteils an der Klägerin verwendet hatte. Für die Übernahme der dinglichen Haftung zahlte W der Klägerin eine Provision.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Übernahme der dinglichen Haftung gegen Entgelt als eine Nebentätigkeit, die die von der Klägerin beantragte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der seit dem Erhebungszeitraum 1986 geltenden Fassung - sog. erweiterte Kürzung - ausschließe. Die wegen der Versagung der erweiterten Kürzung erhobene Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 114 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, 20 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 und 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin kann die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen.

1. Bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag an die Stelle der Kürzung nach Nr. 1 Satz 1 der Vorschrift die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Dies gilt nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient (§ 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG).

2. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt: Die Klägerin betreute weder (fremde) Wohnungsbauten noch errichtete oder veräußerte sie Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen. Ihr Grundbesitz diente auch keinem Gewerbebetrieb der Gesellschafter. Die Gesellschafter nutzten ihn nur für Wohnzwecke - also nicht gewerblich - und die Grundschuld diente nicht der Absicherung eines für einen Gewerbebetrieb aufgenommenen Kredits.

3. Die erweiterte Kürzung darf der Klägerin somit nur versagt werden, wenn die Absicherung eines einem Dritten gewährten Kredits gegen Entgelt durch Belastung des eigenen Grundbesitzes mit einer Grundschuld keine Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens oder Grundbesitzes ist.

a) Die entgeltliche Übernahme der dinglichen Haftung durch Bestellung einer Grundschuld zur Absicherung eines einem Dritten gewährten Kredits ist entgegen der vom FG vertretenen Rechtsauffassung keine Verwaltung und Nutzung von Kapitalvermögen.

Eine Grundschuld gewährt zwar einen Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem belasteten Grundstück (§ 1191 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der Anspruch kann auch Zinsen umfassen (§ 1191 Abs. 2 BGB). Kapitalvermögen verwaltet und nutzt aber nicht der Besteller der Grundschuld, dessen Grundstück belastet ist, sondern derjenige, dem die Ansprüche aus der Grundschuld zustehen und der ggf. den durch die Grundschuld gesicherten Kredit gewährt hat. Er erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG, falls aus der Grundschuld Zinsen zu zahlen und die Einkünfte nicht gemäß § 20 Abs. 3 EStG einer anderen Einkunftsart zuzuordnen sind. Das Entgelt, das der Besteller der Grundschuld vom Kreditnehmer oder -geber für die Absicherung des Kredits erhält, ist Gegenleistung für die Übernahme der dinglichen Haftung und nicht für die Verwaltung oder Nutzung von Kapital.

Die Übernahme der dinglichen Haftung gegen Entgelt durch die Klägerin kann entgegen der Auffassung des FG steuerrechtlich nicht so beurteilt werden, als habe die Klägerin selbst den Bankkredit aufgenommen und die Kreditmittel zu einem um die Provision erhöhten Zinssatz an W weitergeleitet. Die Besteuerung richtet sich nach dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und nicht nach einem Sachverhalt, den der Steuerpflichtige hätte verwirklichen können. Rechtlich und wirtschaftlich unterscheidet sich zudem eine Kreditgewährung und deren Refinanzierung durch Aufnahme eines Grundschulddarlehens erheblich von der bloßen Übernahme der dinglichen Haftung durch Bestellung einer Grundschuld gegen Entgelt.

b) Die Übernahme der dinglichen Haftung gegen Entgelt durch Belastung des zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden Grundbesitzes mit einer Grundschuld ist jedoch als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu beurteilen.

Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verwendeten Begriffspaare "verwalten und nutzen" und "Verwaltung und Nutzung" sind bedeutungsgleich mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff der (privaten = nicht gewerblichen) "Vermögensverwaltung" (s. Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688; vom 26. Februar 1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 9 GewStG Rz. 45; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., 1994, § 9 Nr. 1 Anm. 22; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 9 Nr. 1 Anm. 132). Eigener Grundbesitz wird daher verwaltet und genutzt, wenn er zum Zwecke der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, z. B. durch Vermietung oder Verpachtung (s. BFH-Entscheidungen vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844; vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466).

Die Übernahme der dinglichen Haftung gegen Entgelt durch Belastung des eigenen Grundbesitzes mit einer Grundschuld ist eine vermögensverwaltende Tätigkeit (a. A. FG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 1989 II 192/87, EFG 1990, 439; Glanegger/Güroff, a. a. O., § 9 Nr. 1 Anm. 24). Es handelt sich zwar nicht - wie in Fällen der Vermietung und Verpachtung oder der Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht (s. Senatsurteil vom 17. Januar 1968 I 5/65, BFHE 91, 365, BStBl II 1968, 353) - um eine Nutzung des Grundbesitzes durch Gebrauchsüberlassung. Vielmehr wird das Absicherungspotential des Grundbesitzes zur Erzielung von Einnahmen genutzt. Diese Art der Nutzung ist aber auch eine Form der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz und daher dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., 1997, § 22 Rz. 150 "Risikogeschäfte"). Einkommensteuerrechtlich führt sie zwar nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern zu sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG (s. Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 22 Rz. 150 "Risikogeschäfte" m. w. N.; Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 21 Rz. 1; kritisch Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. B 56). Dies ist aber für die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unerheblich. Die Vorschrift knüpft nicht an die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der durch die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. Daher schließen z. B. die Bewirtschaftung eigenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und Gewinne aus der gelegentlichen Veräußerung von Grundbesitz die erweiterte Kürzung nicht aus (s. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 10. September 1940 I 106/40, RStBl 1940, 909; Blümich/Gosch, a. a. O., § 9 GewStG Rz. 46 f. m. w. N.).