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  BFH-Urteil vom 28.1.1998 (II R 46/95) BStBl. 1998 II S. 275

Ein transportfähiges Gebäude, das noch auf einen Aufstellplatz zu verbringen ist, kann nicht nach den für Grundstücke entwickelten Grundsätzen zum einheitlichen Leistungsgegenstand als Gebäude auf fremdem Boden i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 erworben werden.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1995, 1037)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zu 1 erwarb zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann, der von ihr und den Kindern, den weiteren Klägern, beerbt worden ist, ein Wochenendhaus. Für Lieferung und Aufstellung hatten sie dem Verkäufer ... DM zu zahlen. Das Haus sollte auf einem vorher festgelegten, 295 qm großen Platz in einem als Feriengebiet ausgewiesenen Gelände aufgestellt werden, den der Verkäufer den Eheleuten für 25 Jahre verpachtet hatte. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Eheleute damit ein Gebäude auf fremdem Boden erworben haben.

Das bereits fertige Haus mit einer Wohnfläche von 46,87 qm wurde auf einem Tieflader angeliefert, auf mitgeführten Rädern an seinen endgültigen Ort geschoben und nach Entfernung der Räder auf lose ins Erdreich gelegte Ziegelsteine gestellt. Es ist an alle Ver- und Entsorgungsleitungen wie Strom, Wasser, Kanalisation und Telefon angeschlossen. Die Genehmigung für das Bauvorhaben hatte bereits der Verkäufer eingeholt.

Mit getrennten Bescheiden vom 10. August 1994 zog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Eheleute wegen des Erwerbs eines Gebäudes auf fremdem Boden nach einer Gegenleistung von jeweils ... DM zur Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM heran. Dabei hatte er die Gegenleistung um 15 v. H. im Hinblick auf nicht der Steuerpflicht unterliegendes Inventar gemindert.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1037 veröffentlicht. Das Wochenendhaus sei zwar nach seiner Aufstellung ein Gebäude auf fremdem Boden; zum Zeitpunkt des Erwerbs habe es sich aber noch nicht auf dem fremden Grundstück befunden. Damit fehle es von vornherein an einem Bezug zu einem Grundstück. Ein derartiger Bezug stelle aber den Anknüpfungspunkt für die Grunderwerbsteuer dar. Er ergebe sich im Streitfall auch dann nicht, wenn der Abschluß des Pachtvertrages, das Einholen der Baugenehmigung sowie die Anschaffung des Hauses als ein einheitlicher Vorgang angesehen werden könnten. Wären die Eheleute Grundstückseigentümer gewesen und hätten sie als solche dasselbe Haus gekauft, wäre auch keine Grunderwerbsteuer angefallen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Die Vorschrift sei auch auf solche Gegenstände anwendbar, die erst durch ihre Verbindung mit dem Grund und Boden die Gebäudeeigenschaft erlangen. Im Streitfall hätten die vertraglichen Vereinbarungen bewirkt, daß beim Erwerber ein Gebäude auf fremdem Boden angekommen sei.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten. Sie sind der Ansicht, es fehle bereits an einem Gebäude, weil es jederzeit wieder zu entfernen gewesen sei. Inzwischen hätten die Kläger das Haus auch tatsächlich entfernt, nachdem sie auf eine Kündigung des Pachtverhältnisses hin zur Räumung des Grundstücks verurteilt worden seien.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Eheleute haben kein Gebäude auf fremdem Boden erworben.

Es kann auf sich beruhen, ob das erworbene Wochenendhaus nach seiner Aufstellung als Gebäude i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 zu beurteilen war und ob ihm die Eigenschaft eines Scheinbestandteils gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zukam. Selbst wenn es diese Eigenschaften gehabt haben sollte, hätte kein Erwerb eines Gebäudes auf fremdem Boden gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 vorgelegen.

Nach diesen Vorschriften unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden begründet, der Grunderwerbsteuer. Der Begriff des Gebäudes setzt voraus, daß das Bauwerk eine feste Verbindung zu einer bestimmten Grundfläche besitzt (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 2 Rdnr. 179). Die Verpflichtung zur Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Boden ist daher als solche grunderwerbsteuerrechtlich nicht relevant. Ob der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 dadurch erfüllt werden kann, daß der Eigentümer des Grundstücks (bzw. ein bisheriger Nutzungsberechtigter) durch ein einziges Rechtsgeschäft die Nutzungsberechtigung an dem Grundstück mit einem von ihm noch zu errichtenden Gebäude einräumt bzw. überträgt, dem Erwerber also das Gebäude verschafft, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ist nämlich der Zustand, daß der Erwerber als Eigentümer (eines Scheinbestandteils) oder als sonstig Nutzungsberechtigter ein Gebäude auf fremdem Boden innehat, das Ergebnis mehrerer Rechtsgeschäfte, können diese jedenfalls nicht gemäß den Grundsätzen, die der Senat zum einheitlichen Leistungsgegenstand trotz mehrerer Verträge für Grundstücke i. S. des § 2 Abs. 1 GrEStG 1983 entwickelt hat (vgl. z. B. Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, sowie II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183), zu einem Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 zusammengefaßt werden. Diese Grundsätze wurden entwickelt zu der Frage, welche Umstände (Verträge) außerhalb des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts herangezogen werden können zur Bestimmung des für den Umfang der Gegenleistung maßgeblichen Gegenstands des Erwerbsvorgangs. Das Vorliegen eines tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts steht jedoch dabei außer Frage und ist allein nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Diese Grundsätze können daher nicht herangezogen werden zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein steuerbarer Tatbestand vorliegt. Um diese Frage aber geht es bei der Konstellation im Streitfall.

Im Streitfall war das Gebäude bei Einräumung der erforderlichen Rechtsposition bezüglich des Grundstücks, nämlich bei Abschluß des Pachtvertrages, noch nicht aufgestellt. Es ist erst aufgrund eines gesonderten Vertrages vom Verpächter geliefert und aufgestellt worden. Beide Vorgänge unterliegen jeder für sich nicht der Grunderwerbsteuer. Sie können daher nicht zu einem unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 fallenden Erwerbsvorgang zusammengefaßt werden. Der obligatorische Vertrag über die Lieferung des Wochenendhauses bezog sich noch auf ein mobiles Bauwerk. Unter diesen Umständen ist die Aufstellung des Gebäudes" den Erwerbern zuzurechnen.