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  BFH-Urteil vom 11.12.1997 (III R 214/94) BStBl. 1998 II S. 292

Bei der Besprechung der sogenannten Opfergrenze ist der Arbeitnehmerpauschbetrag anzusetzen; das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige keine Werbungskosten hatte.

EStG §§ 9a Satz 1 Nr. 1a, §§ 33 Abs. 2, 33a Abs. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr (1990) Unterhaltszahlungen an seine Eltern von 7.272 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte jedoch beim Lohnsteuer-Jahresausgleich nur Unterhaltszahlungen von 4.884 DM. Das FA ermittelte diesen Betrag aufgrund der Regelungen über die sog. Opfergrenze in dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 2. Mai 1990 IV B 6 - S 2352 - 9/90 (BStBl I 1990, 226), indem es von der Summe aus Bruttoarbeitslohn und Steuererstattungen neben den vom Kläger entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen den Arbeitnehmerpauschbetrag von 2.000 DM abzog, so daß sich ein Nettoeinkommen von 22.198 DM ergab (22 v. H. daraus = 4.884 DM = Opfergrenze). Hiergegen wandte der Kläger ein, er habe keine Werbungskosten geltend gemacht.

Die deswegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg.

In dem Urteil des Finanzgerichts (FG) heißt es, der Kläger habe keine durch seine nichtselbständige Arbeit veranlaßten Aufwendungen gehabt; er habe insbesondere am Ort seiner Arbeitsstätte gewohnt und als Nichtverheirateter auch keinen steuerlich zu berücksichtigenden doppelten Haushalt geführt. In solchen Fällen, in denen Werbungskosten nicht nur nicht geltend gemacht, sondern auch nicht erwachsen seien, widerspreche der Ansatz einer Werbungskostenpauschale § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Erfüllung der Unterhaltspflicht sei im Sinne dieser Vorschrift nicht zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Fremdunterhalt zu gewähren außerstande sei. Der angemessene Unterhalt, der dem Steuerpflichtigen selbst verbleiben müsse, stehe im Zusammenhang mit der Höhe seines Einkommens. Bezugsgröße könne dabei jedoch nur das tatsächliche Einkommen sein, d. h. die Summe der Einkommensteile, die nach Abzug aller beruflich veranlaßten Aufwendungen tatsächlich noch für die Lebensführung zur Verfügung stehen. Die Einkommensermittlung zum Zwecke der Opfergrenzenbestimmung münde hingegen nicht in das zu versteuernde Einkommen, sondern solle ein Urteil darüber ermöglichen, ob sich der Steuerpflichtige die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen auch leisten könne. Während sich der Gesetzgeber für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens aus Vereinfachungsgründen immer wieder des Ansatzes von Pauschbeträgen und Pauschalen bediene, habe er im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG darauf verzichtet, weil die Frage, ob Unterhaltsaufwendungen der Höhe nach angemessen sind, nur unter Würdigung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen beantwortet werden könne. Dem folge auch die Finanzverwaltung insoweit, als nach dem zur Berechnung der Opfergrenze ergangenen Schreiben des BMF in BStBl I 1990, 226 auch steuerfreie Zuflüsse den Einnahmen hinzuzurechnen seien.

Allerdings werde an anderer Stelle, wo das Einkommen als Hilfsgröße zu ermitteln sei, der Arbeitnehmerpauschbetrag ohne Rücksicht auf die tatsächliche Entstehung von Werbungskosten abgezogen. Das gelte etwa für die anrechnungspflichtigen eigenen Einkünfte einer unterhaltenen Person nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG, bei der Berücksichtigung der eigenen Einkünfte eines Kindes, für das ein Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG in Betracht kommt, aber auch in anderen Regelungsbereichen, wie in §§ 11 Abs. 2, 21 Abs. 1 und 18a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Wohngeldgesetzes (WoGG), § 115 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), § 11 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), § 13 Abs. 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG), § 2a Abs. 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WOPG) und § 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes, sei es, daß dort für die Ermittlung des Einkommens auf § 2 Abs. 1 und 2 EStG verwiesen werde, sei es, daß die Anwendung des § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 ausdrücklich angeordnet werde. Der Ansatz pauschalierter Werbungskosten in allen diesen Bereichen beruhe jedoch auf einer gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber habe sich dort für eine Einkünfteermittlung nach dem EStG entschieden. Für diese komme es jedoch auf die Verfügbarkeit der betreffenden Einkünfte nicht an, weshalb z. B. Einkommensteuerzahlungen, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen bei der Einkünfteermittlung nicht abzuziehen seien. Hingegen komme es bei der Ermittlung des Nettoeinkommens zur Bestimmung der Opfergrenze auf die Verfügbarkeit des betreffenden Einkommens an.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar in seinem Urteil vom 4. April 1986 III R 245/83 (BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852) in Übereinstimmung mit dem damals maßgeblichen BMF-Schreiben vom 27. Juli 1984 IV B 6 - S 2352 - 16/84 (BStBl I 1984, 402) die Berücksichtigung eines Werbungskostenpauschbetrages von 564 DM bei der Bestimmung der Opfergrenze uneingeschränkt gebilligt. Angesichts der vergleichsweise geringen steuerlichen Auswirkung des damals maßgeblichen Pauschbetrags einerseits und andererseits der im Vergleich dazu höher zu bewertenden Vereinfachungswirkung, die der Ansatz der Pauschale als Mindestbetrag der Werbungskosten mit sich bringt, habe jedoch für den BFH keine Veranlassung bestanden, vom Ansatz des Werbungskostenpauschbetrages abzusehen, zumal der Kläger in dem damaligen Verfahren die Entstehung von Werbungskosten offensichtlich nicht bestritten habe. Seit der Erhöhung des Pauschbetrages auf 2.000 DM müsse jedoch die Vereinfachungswirkung hinter den Erfordernissen einer an die tatsächlichen Verhältnisse anknüpfenden Opfergrenzenregelung zurücktreten. Daß der Verwaltungsvereinfachung in diesem Bereich kein sehr hoher Stellenwert zukomme, lasse sich im übrigen schon daran erkennen, daß selbst während der Geltung des Werbungskostenpauschbetrages von 564 DM im Einzelfall nachgewiesene höhere Werbungskosten zu berücksichtigen waren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, zu deren Begründung im wesentlichen folgendes vorgetragen wird:

Das Urteil verletze S§ 33a Abs. 1 und 33 Abs. 2 EStG. Das FG habe den Begriff der Zwangsläufigkeit entgegen dem BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 226, Tz. 2.5.2 falsch ausgelegt. Dieses schreibe in zutreffender Auslegung des Gesetzes den Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages vor, wenn der Steuerpflichtige keine höheren Werbungskosten geltend mache.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er meint, die Opfergrenzenberechnung sei völlig untauglich, die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen zu ermitteln. Diese sei weitgehend davon abhängig, wie stark für einen Steuerpflichtigen die moralische Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung sei, ob er mehrere unterhaltsbedürftige Angehörige habe, ob diese völlig mittellos seien oder z. B. über eigene Einkünfte verfügten. Überdies sei es ungereimt, bei der Berechnung der Opfergrenze z. B. geringfügige Beträge erstatteter Kirchensteuer zu berücksichtigen, jedoch bei der Ermittlung von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit den Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 abzuziehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen für den Unterhalt einer ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Person Aufwendungen erwachsen (außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen). Die Aufwendungen müssen die allgemeinen Anforderungen an eine steuerlich zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung erfüllen, wozu insbesondere ihre Zwangsläufigkeit (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG) gehört (Urteil des Senats vom 21. September 1993 III R 15/93, BFHE 172, 516, BStBl II 1994, 236).

Unterhaltsaufwendungen für andere als gemäß § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorrangig unterhaltsberechtigte Personen können nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im allgemeinen nur als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie ggf. für seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze; vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852; vom 4. April 1986 III R 19/85, BFHE 148, 132, BStBl II 1987, 127; vom 30. Juni 1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, BStBl II 1989, 1009, und vom 30. Juni 1989 III R 149/85, BFH/NV 1990, 225, jeweils m. w. N.). Denn nach § 1603 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Er kann sich mangels einer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht nicht darauf berufen, er habe sich i. S. des § 33 Abs. 2 EStG den Aufwendungen für den Unterhalt aus rechtlichen Gründen nicht entziehen können, und ein solcher Steuerpflichtiger kann im allgemeinen auch keine Zwangslage aufgrund einer sittlichen Verpflichtung zum Unterhalt geltend machen (vgl. Beschluß des Senats vom 27. September 1991 III B 42/91, BFHE 165, 414, BStBl II 1992, 35).

Wo im Einzelfall die steuerliche Opfergrenze liegt, hängt von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und damit seinem Vermögen ab, Unterhalt zu leisten. Deshalb sind neben den bei der Einkommensermittlung berücksichtigten Einkünften auch steuerfreie Einnahmen (z. B. Kindergeld, Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld), welche die finanzielle Leistungsfähigkeit erhöhen, und andererseits neben den Werbungskosten auch andere unabweisbare Ausgaben (z. B. Sozialabgaben, Lohn- und Lohnkirchensteuern), die die Leistungsfähigkeit vermindern, in die Berechnung einzubeziehen (Senatsurteil in BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852).

2. Die Berücksichtigung der Opfergrenze bei der Einkommensteuerfestsetzung verlangt ihre genaue Bezifferung. Ausdrückliche gesetzliche Berechnungsvorschriften bestehen dafür nicht. Diese zu entwickeln hat der Gesetzgeber - ebenso wie die Konkretisierung des in § 33 Abs. 2 EStG nur allgemein definierten Begriffs der Zwangsläufigkeit überhaupt - der Rechtspraxis überlassen. Für die Finanzverwaltung sind in dem Schreiben des BMF in BStBl I 1984, 402 und in dem nachfolgenden Schreiben in BStBl I 1990, 226 die erforderlichen Verwaltungsvorschriften erlassen worden. Danach wird die Opfergrenze bei der Gewährung von Unterhalt an andere Unterhaltsberechtigte als Kinder und Ehegatten des Steuerpflichtigen bei 1 v. H. je volle 1.000 DM des Jahresnettoeinkommens, höchstens 50 v. H. festgelegt; der Vomhundertsatz ist ggf. um je fünf Punkte für die Ehefrau des Unterhalt leistenden Steuerpflichtigen und für jedes seiner Kinder, höchstens um insgesamt 25 Prozentpunkte zu kürzen.

Diese Berechnungsweise hat die Rechtsprechung des BFH bisher als zutreffende Norminterpretation anerkannt (Urteile in BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852, und in 148, 132, BStBl II 1987, 127). Daran hält der erkennende Senat fest.

Die in den vorgenannten Verwaltungsvorschriften vorgesehene Berechnungsmethode stellt zwar eine gemessen an der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich grobe Typisierung dar, die der Senat jedoch wegen der von ihr insgesamt erzielten angemessenen Ergebnisse als vorzugswürdig gegenüber anderen Methoden zur Ermittlung der Opfergrenze anerkannt hat, welche - etwa in Anknüpfung an sozialhilferechtliche Berechnungsgrundsätze oder in unmittelbarer Anwendung des § 1603 BGB - stärker auf die Verhältnisse des einzelnen Falles abstellen (vgl. Urteil in BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852). Eine Typisierung und Pauschalierung, wie sie die genannten BMF-Schreiben vornehmen, ist nicht nur deshalb gerechtfertigt, weil Voraussehbarkeit und Einfachheit bei der Ermittlung steuerlicher Berechnungsgrößen wie der Opfergrenze ein größeres Gewicht beigemessen werden muß als diese Gesichtspunkte im bürgerlichen Unterhaltsrecht oder im Sozialhilferecht haben mögen - bei deren Anwendung im übrigen ebenfalls nicht ohne Typisierungen auszukommen ist -, sondern weil der Einkommensteuergesetzgeber auch sonst in dem hier fraglichen Zusammenhang typisiert und pauschaliert. So hat der Gesetzgeber in § 33a Abs. 1 EStG insbesondere hinsichtlich der normativen Begrenzung des Unterhaltsbedarfs bewußt eine stark typisierende Regelung getroffen, um bei dem häufig vorkommenden Sachverhalt der Unterhaltsgewährung eine einheitliche und hinlänglich praktikable Besteuerung sicherzustellen (Urteil des Senats in BFH/NV 1990, 225). Dies zeigt sich unter anderem daran, daß das Gesetz die Unterhaltshöchstbeträge für alle Bedürftigen ohne Rücksicht auf deren persönliche Verhältnisse und - abgesehen von der Unterscheidung zwischen minderjährigen und volljährigen Personen (s. § 33a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung - EStG a. F. -) - ohne Rücksicht auf deren Lebensalter in gleicher Höhe festlegt und mit dieser sehr weitgehenden Typisierung in Kauf nimmt, daß die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Unterhaltsempfänger und daraus folgend deren unterschiedlicher Unterhaltsbedarf nicht berücksichtigt werden können. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFH/NV 1990, 225) ist ferner z. B. die Aufteilung einheitlich geleisteter Unterhaltsbeträge auf die einzelnen Unterhaltsempfänger nach Köpfen ohne Rücksicht auf den individuellen Unterhaltsbedarf der einzelnen Personen vorzunehmen. Mit Recht weist die Revision in diesem Zusammenhang auch auf die von der Rechtsprechung ebenfalls gebilligte, im Interesse der Besteuerungsgerechtigkeit notwendigerweise grob pauschalierende Verminderung der in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG a. F. festgelegten Höchstbeträge durch die auf § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG a. F. beruhende sog. Ländergruppeneinteilung hin (Urteile des Senats vom 13. Februar 1987 III R 196/82, BFHE 149, 61, BStBl II 1987, 341, und vom 5. Oktober 1990 III R 38/87, BFH/NV 1991, 299).

Die steuerlichen Berechnungen, die an die Stelle der Ermittlung des geschuldeten Unterhalts nach rein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen unter umfassender Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten treten, können allenfalls daran gemessen werden, ob sie geeignet sind, die bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich zumindest annäherungsweise zu erfassen und dadurch eine brauchbare Grundlage der steuerrechtlichen Beurteilung zu bieten, ob die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Unterhalt zwangsläufig sind. Das ist indes bei der Opfergrenzenberechnung der Fall. Dem Unterhaltspflichtigen steht bürgerlich-rechtlich ein (sog. kleiner) Selbstbehalt zu, der jedenfalls sein Existenzminimum abdecken muß. Dieses beläuft sich z. B. nach der Beurteilung des Gesetzgebers des Jahressteuergesetzes 1996 auf rd. 13.000 DM; die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte hingegen gesteht dem Unterhaltsverpflichteten vor allem gegenüber seinen Eltern und sogar gegenüber seinen volljährigen Kindern grundsätzlich einen noch höheren Selbstbehalt zu (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 26. Februar 1992 XII ZR 93/91, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1992, 1393). Auch den darüber hinausgehenden Teil der ihm zur Verfügung stehenden Mittel muß der Unterhaltsverpflichtete nach bürgerlichem Recht nicht in vollem Umfang seinen bedürftigen Eltern als Unterhalt zur Verfügung stellen, sondern mit ihnen lediglich in angemessener Weise teilen (vgl. Diederichsen in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 55. Aufl. 1996, § 1610 Rdnr. 16; Köhler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 1992, § 1603 BGB Rdnr. 23, und § 1610 Rdnr. 420). Was dabei im allgemeinen als angemessen anzusehen ist, ist zwar, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Aber selbst wenn man schon im unteren Einkommensbereich von einer gleichmäßigen Teilung des Mehrbetrages ausginge (so Landgericht - LG - Bochum, Urteil vom 14. Dezember 1993 9 S 231/93, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1994, 841) und überdies das Existenzminimum im Jahre 1990 (Streitjahr) nach steuerlichen Vorgaben mit lediglich 12.000 DM ansetzte, ergibt sich daraus eine Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung, zu der die Opfergrenze nicht außer Verhältnis steht, sondern der sie weitgehend entspricht (z. B. bei 25.000 DM verfügbaren Mitteln verbleiben dem Unterhaltsverpflichteten nach vorgenannter Berechnung 12.000 DM + 1/2 aus 13.000 DM = 18.500 DM; nach der Opfergrenzenregelung verbleiben 25.000 DM ./. 6.250 DM - 25 v. H. aus 25.000 DM - = 18.750 DM).

3. In das demnach insgesamt auf möglichst einfache Berechenbarkeit der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen angelegte Regelwerk fügt sich die Berücksichtigung pauschal angesetzter Werbungskosten nach Maßgabe des § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG (= § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1990) ein, während es dem Bemühen des Gesetzgebers und der vorgenannten Rechtsprechung zuwiderlaufen würde, die dem Unterhaltsleistenden entstandenen Werbungskosten in jedem Fall anhand eines reinen Wirklichkeitsmaßstabes zu ermitteln, obwohl gesetzliche Pauschalierungen die Berechnung insoweit jedenfalls in den Fällen vereinfachen können, in denen nicht mehr als 2.000 DM Werbungskosten entstanden sind. Eine pfenniggenaue Ermittlung des tatsächlichen Nettoeinkommens des einzelnen Steuerpflichtigen ließe auch keinen Gewinn an Steuergerechtigkeit erwarten. Denn die Frage, wo die Opfergrenze liegt, und die Frage, ob die im Einzelfall geleisteten Unterhaltszahlungen sie überschreiten, hängen aufs engste miteinander zusammen. Wenn die Opfergrenze selbst, wie dargelegt, eine nur grobe, annäherungsweise Festlegung dessen darstellt, was ein Steuerpflichtiger ohne Gefährdung seines eigenen Bedarfs typischerweise zu leisten imstande ist, sind dadurch der Erfassung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen von vornherein Grenzen gesetzt; sie können ohnehin nicht dadurch übersprungen werden, daß die Einkommensermittlung möglichst weitgehend einen Wirklichkeitsmaßstab verwendet und Pauschalierungen vermeidet.

4. Die Berücksichtigung des Arbeitnehmerpauschbetrages bei der Bestimmung der Opfergrenze des Steuerpflichtigen entbehrt weder einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage noch ist sie mit dem Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar.

a) Der Gesetzgeber des Art. 1 Nr. 12 des Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224), durch den § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG seine heutige Fassung erhalten hat, ging davon aus, daß sich durch die Anhebung der früheren Werbungskostenpauschale (heute: Arbeitnehmerpauschbetrag) auf 2.000 DM für etwa 3/4 der Arbeitnehmer der Nachweis von Werbungskosten erübrigen werde (BTDrucks 11/2536 S. 50), was zu einer deutlichen Entlastung der Steuerpflichtigen (keine Belegsammlung) und der Finanzverwaltung (keine Belegprüfungen) führen werde. Dieses Ziel, das die Regelung grundsätzlich vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) rechtfertigt (BFH-Beschluß vom 19. Februar 1993 VI R 74/91, BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551), würde nur unvollkommen erreicht, wenn bei der Prüfung, ob Aufwendungen eines Steuerpflichtigen die Opfergrenze überschreiten, also im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG nicht als zwangsläufig anzuerkennen sind, die Werbungskosten in jedem einzelnen Fall konkret ermittelt werden müßten. Es kann deshalb - wie das FA mit Recht geltend macht - schwerlich zweifelhaft sein, daß der Gesetzgeber, hätte er die Frage der Berücksichtigung des Arbeitnehmerpauschbetrages bei der Anwendung des § 33 Abs. 2 EStG ausdrücklich geregelt, die entsprechende Geltung des § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG angeordnet hätte.

§ 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG enthält mithin eine Pauschalierung, die bei sinnentsprechender Auslegung des Gesetzes auch im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG und der danach vorzunehmenden Bemessung der Opfergrenze anzuwenden ist. Das vorgenannte BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 226 stellt folglich auch insoweit eine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar, als es in Ziff. 2. 5. 2 Abs. 2 letzter Satz vorschreibt, den Arbeitnehmerpauschbetrag anzusetzen, wenn ein Steuerpflichtiger keine erhöhten Werbungskosten geltend macht. Eines ausdrücklichen Gesetzesbefehls, den das FG offenbar vermißt, bedarf es dafür ebensowenig wie für die in diesem Schreiben sonst zur Berechnung der Opfergrenze getroffenen Regelungen, die den allgemeinen Gesetzesbegriff der Zwangsläufigkeit (§ 33 Abs. 2 EStG) norminterpretierend in eine Berechnungsformel umsetzen und dabei erst recht nicht lediglich am Wortlaut eines Gesetzesbefehls des § 33 Abs. 2 EStG haftend diesen vollziehen können.

b) Eine Pauschalierung bei der hier vorzunehmenden Bestimmung der sog. Opfergrenze, also auf seiten der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Pauschalierungen und Typisierungen dieser Art, die sich nicht nur im Einkommensteuerrecht als solchem, sondern - wie die Revision zutreffend hervorhebt - auch im Recht der außergewöhnlichen Belastungen finden, sind grundsätzlich zulässig. Der Steuergesetzgeber stellt vielfach in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nicht auf den Einzelfall ab, sondern sucht pauschalierende, für eine möglichst große Gruppe von Steuerpflichtigen und deren Leistungsfähigkeit angemessene Regelungen zu finden. Er ist durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, sich in Massenverfahren an Stelle eines ausschließlich individuellen Wirklichkeitsmaßstabes aus Gründen der Verfahrensvereinfachung generalisierender, pauschalierender und typisierender Regelungen zu bedienen (vgl. z. B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. Juli 1991 1 BvR 829/89, Die Information Über Steuer und Wirtschaft 1991, 503; vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214; vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 75). Auf solche typisierenden und generalisierenden Regelungen kann er bei der Ordnung von Massenerscheinungen um so weniger verzichten, als die Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls aufgrund der Vielfalt der Lebensverhältnisse mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 91, BStBl II 1990, 653).

Die Berücksichtigung der Pauschale nach § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG bei der Bestimmung der Opfergrenze im Rahmen der §§ 33a Abs. 1, 33 Abs. 2 EStG überschreitet die Grenzen zulässiger Pauschalierung und Typisierung nicht. Es ist dem Gesetzgeber und der seinen Willen konkretisierenden Gesetzesauslegung, die verfassungsrechtlich denselben Bindungen unterliegt wie jener, nicht verwehrt, den Arbeitnehmerpauschbetrag auch im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG um der dadurch bewirkten Vereinfachung der Steuerberechnung willen anzuwenden. Das ergibt sich schon daraus, daß die steuerlichen Nachteile bei der Bemessung der Opfergrenze durch einen an sich zu hohen Werbungskostenabzug - worum es sich bei dem Arbeitnehmerpauschbetrag steuersystematisch handelt (BFH-Beschluß vom 29. April 1992 VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752) - ausgeglichen werden. Denn bei einem Steuerpflichtigen wie dem Kläger werden zwar möglicherweise tatsächlich zwangsläufig entstandene Unterhaltszahlungen nicht berücksichtigt, weil sie infolge des pauschalen Werbungskostenabzugs jenseits der Opfergrenze liegen. Bereits vorweg ist dafür jedoch bei der Ermittlung der Einkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) durch den pauschalen Werbungskostenabzug eine Kompensation eingetreten. Bei einem Steuerpflichtigen, der tatsächlich keine (oder nur geringere) Werbungskosten gehabt hat, werden an sich zu geringe außergewöhnliche Belastungen, dafür jedoch nicht entstandene Werbungskosten berücksichtigt. Im steuerlichen Ergebnis führt dies bei den betreffenden Steuerpflichtigen im allgemeinen in etwa zu einer Halbierung des durch die Werbungskostenpauschalierung bei der Einkommensermittlung sonst bewirkten Vorteils. Eine solche Halbierung tritt z. B. bei einem Ledigen ohne Kinder mit einem Jahresnettoeinkommen von über 52.000 DM (wegen der dann auf höchstens 50 v. H. festgelegten Opfergrenze) ein. Ab einem Jahresnettoeinkommen von weniger als 48.000 DM wirkt sich die strittige Regelung bei diesen Steuerpflichtigen um so mehr zugunsten des Betreffenden aus, je geringer sein Jahresnettoeinkommen ist und je mehr folglich die steuerlichen Auswirkungen des Werbungskostenabzugs von 2.000 DM die Auswirkungen übertreffen, die infolge der Absenkung der Opfergrenze um 2 v. H. des um 2.000 DM verminderten Jahresnettoeinkommens entstehen. Bei einem Jahresnettoeinkommen von 20.000 DM (nach Abzug des Pauschbetrages) würden sich durch die Berücksichtigung des Pauschbetrages die außergewöhnlichen Belastungen z. B. nur um 840 DM verringern; einem solchen Steuerpflichtigen bliebe also der Pauschalierungsvorteil zum überwiegenden Teil erhalten. Die in § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG getroffene Regelung wirkt sich bei ihrer Anwendung im Rahmen des § 33 EStG jedenfalls in keinem Fall zuungunsten des Steuerpflichtigen aus, so daß von Verfassungs wegen ein um so größerer gesetzlicher Gestaltungsspielraum besteht (BFH-Beschluß in BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551). Das freilich vor allem im Grenzbereich eines Jahresnettoeinkommens von 48.000 DM (bei Ledigen ohne Kinder) unterschiedliche Gewicht des dem Steuerpflichtigen verbleibenden Pauschalierungsvorteils gibt keinen Anlaß, die Werbungskostenpauschalierung bei der Bestimmung der Opfergrenze als gleichheitswidrig zu beanstanden (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 14. Juni 1995 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909).

Diese Überlegungen rechtfertigen nicht nur dem Grunde nach die Anwendung einer Werbungskostenpauschale auch bei der Bestimmung der Opfergrenze, sondern aus ihnen ergibt sich zugleich, daß insoweit auch die Höhe des durch das StRG 1990 eingeführten Pauschbetrages ebensowenig mit Erfolg beanstandet werden kann wie die Berücksichtigung der in der Summe niedrigeren, ihrer Funktion nach vergleichbaren Pauschalen, von denen der BFH in dem Urteil in BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852 bei der Bestimmung der Opfergrenzen ausgegangen ist. Denn der Eintritt der dargestellten Kompensationswirkung ist von der Höhe des Pauschbetrages völlig unabhängig. Im übrigen hat der BFH bereits in dem Beschluß in BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551 den Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG auch der Höhe nach als verfassungsgemäß anerkannt, obgleich der Arbeitnehmerpauschbetrag fast doppelt so hoch ist wie die Summe der Pauschalen, an deren Stelle er getreten ist. Die in § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG festgesetzte Pauschale ist jedoch nicht offensichtlich realitätsfremd und der Höhe nach zudem dadurch gerechtfertigt, daß Pauschbeträge, um effektive Besteuerungsvereinfachung zu bewirken, die in Betracht kommenden Fälle möglichst weitgehend abdecken müssen; denn würden sie so niedrig festgesetzt, daß sie schon bald angepaßt werden müßten, würde der mit ihnen gerade bezweckte Vereinfachungseffekt gefährdet (BFH-Beschluß in BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551).

5. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Kläger kann die Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen über die vom FA zutreffend unter Abzug pauschalierter Werbungskosten von den Einkünften des Klägers berechnete Opfergrenze hinaus nicht verlangen.