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  BFH-Urteil vom 17.12.1997 (III R 35/97) BStBl. 1998 II S. 298

Die Berücksichtigung von Kosten einer Begleitperson während einer medizinisch indizierten Kur als außergewöhnliche Belastung setzt grundsätzlich voraus, daß die krankheits- oder altersbedingte Notwendigkeit der Begleitung durch ein vor Reiseantritt eingeholtes amtsärztliches Gutachten oder eine andere, diesem gleichzustellende Bescheinigung nachgewiesen wird.

EStG § 33.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1997, 1397)

Sachverhalt

Die zusammenveranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten für 1991 (Streitjahr) u. a. Aufwendungen für die Begleitung des damals 75 Jahre alten Klägers durch seine Ehefrau zu einer Kur in B. als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die diesbezüglichen Aufwendungen der Kläger in Höhe von 1.415 DM (Unterkunft, Verpflegung und Kurtaxe) nicht.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage insoweit mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1397 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat durch Beschluß vom 13. Mai 1997 III B 72/96 zugelassene Revision des FA.

Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie berufen sich darauf, daß sie nach elfjähriger ununterbrochener Anerkennung der Aufwendungen für die Begleitung des Klägers während seiner Kurreisen ohne Aufforderung von weiteren Nachweisen davon hätten ausgehen dürfen, daß die Notwendigkeit einer Kur einschließlich der Notwendigkeit einer Begleitperson nicht mehr ärztlich und erst recht nicht amtsärztlich festgestellt werden müsse.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das FG begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Urteil des FG verletzt § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Diese Voraussetzung fehlt bei Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen nur gelegentlich oder als Folge einer Krankheit entstehen (vgl. u. a. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, und vom 12. Juni 1991 III R 102/89, BFHE 164, 414, BStBl II 1991, 763).

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei privaten Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten, strenge Anforderungen an die Beurteilung der medizinischen Indikation zu stellen (vgl. etwa die BFH-Entscheidungen vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275; in BFHE 164, 414, BStBl II 1991, 763; vom 29. Oktober 1992 III R 232/90, BFH/NV 1993, 231; vom 6. Dezember 1993 X B 138/93, BFH/NV 1994, 706, sowie vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614 für die Abgrenzung von medizinischen Kuren und Erholungsreisen; vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, und vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386 zu Frischzellenbehandlungen; vom 21. Juli 1982 I R 173/78, nicht veröffentlicht - NV -, für eine krankheitsbedingte berufliche Umschulung; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427 für die Behandlung eines Alkoholkranken in einer Selbsthilfegruppe; vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920 für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen als sog. medizinischer Hilfsmittel; vom 26. Juni 1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278 für die auswärtige Unterbringung eines Kindes wegen einer Legastheniebehandlung, und vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212 für die Unterbringung in einem klimatisch günstig gelegenen Internat; vom 14. August 1997 III R 67/96, BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732 für die Sportausübung). Die Rechtsprechung des Senats hat hierfür allgemeingültige Kriterien zur Konkretisierung der Nachweispflicht aufgestellt (vgl. dazu grundsätzlich Senatsurteile vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675, und vom 8. Juli 1994 III R 48/93, BFH/NV 1995, 24). Wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit solcher Maßnahmen verlangt die durch das Urteil in BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295 eingeleitete neuere Rechtsprechung des BFH bei solchen privaten Aufwendungen grundsätzlich ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten. Denn nicht das FA, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der Medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung nach § 278 des Sozialgesetzbuchs V, der frühere vertrauensärztliche Dienst nach § 369b der Reichsversicherungsordnung a. F. (Urteil des Senats in BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614), besitzt zugleich Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation solcher nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Patienten objektiv beurteilen zu können (Urteil des Senats in BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732).

Um solche Aufwendungen, die mitunter nicht allein oder zumindest nicht im wesentlichen aufgrund medizinischer Notwendigkeit, sondern aus steuerrechtlich irrelevanten Gründen der privaten Lebensgestaltung getätigt werden, handelt es sich auch bei Kosten, die dadurch entstehen, daß der Steuerpflichtige einen anderen zu einer (für diesen medizinisch indizierten) Kur begleitet, damit der Betreffende nicht alleine reisen muß. Bei solchen Aufwendungen ist deshalb eine strenge Prüfung erforderlich, ob eine Begleitungsbedürftigkeit aufgrund einer Krankheit besteht. Ebenso wie nur der Arzt eine Krankheit diagnostizieren kann, kann auch nur er ihre Auswirkungen auf die Reisefähigkeit sachverständig und hinreichend zuverlässig beurteilen. Nach Auffassung des erkennenden Senats gilt das gleiche, wenn eine Begleitperson wegen des Hinzutretens altersbedingter Behinderungen oder sogar ausschließlich wegen des hohen Alters des Kurbedürftigen erforderlich ist. Denn die diesbezügliche Beurteilung ist in aller Regel mit der Einschätzung der krankheitsbedingten Behinderungen des Betreffenden eng verbunden und verlangt ebenso wie diese nach einem Urteilsvermögen, über das der Arzt am besten verfügt, sowie nach geriatrischer Erfahrung. Dabei ist eine objektive Bewertung einerseits der medizinischen Gesichtspunkte und andererseits des hiervon abzugrenzenden, gerade bei einem kranken und alten Menschen jedoch verständlichen Wunsches, den Kuraufenthalt nicht ohne seinen Ehepartner oder z. B. einen anderen nahen Angehörigen verbringen zu müssen, aufgrund der oben genannten Überlegungen am ehesten dem Amtsarzt möglich, der zu dem Kurbedürftigen nicht wie sein behandelnder Arzt in einem besonderen Vertrauensverhältnis steht. Deshalb hält es der erkennende Senat grundsätzlich für erforderlich, daß eine krankheits- oder altersbedingte Notwendigkeit der Begleitung auf einer Kurreise durch ein vor Reiseantritt eingeholtes amtsärztliches Gutachten oder eine andere, nach den Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614 diesem gleichzustellende Bescheinigung nachgewiesen wird.

Der erkennende Senat hält es für möglich, daß im Einzelfall die Begleitungsbedürftigkeit aufgrund feststehender objektiver Umstände auch ohne eine medizinische Begutachtung durch den Amtsarzt offenkundig sein kann. z. B. bei einer Kurreise eines sehr jungen Kindes (vgl. FG Münster, Urteil vom 24. Mai 1996 13 K 4024/96 E, EFG 1996, 926 für ein neunjähriges Kind; ebenso wohl Senatsurteil in BFHE 164, 414, BStBl II 1991, 763; anders FG Nürnberg, Urteil vom 11. Juli 1988 VI 216/87, EFG 1988, 640 bei einem schulpflichtigen, nicht behinderten Kind) oder auch bei einer i. S. des § 33b Abs. 6 EStG hilflosen Person. Der Streitfall gibt dem Senat jedoch keinen Anlaß, dazu abschließend Stellung zu nehmen.

2. Der erkennende Senat setzt sich hiermit nicht in Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 13. März 1964 VI 231/63 U (BFHE 79, 271, BStBl III 1964, 331), in dem der VI. Senat des BFH entschieden hat, eine schwer leidende, 82jährige Steuerpflichtige sei nicht verpflichtet, ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen, um die Notwendigkeit ihrer Begleitung bei einer Kurreise nachzuweisen. Bei ihrem hohen Alter könne das FG sogar aufgrund der Lebenserfahrung eine solche Feststellung ohne jedes ärztliche Attest treffen. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß Personen, die eine gebrechliche, 82 Jahre alte Dame zur Kur begleiten, damit ihre eigene Erholung erstrebten (s. aber auch die entgegengesetzten Anweisungen in Abschn. 188 Abs. 2 Satz 7 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990 und Abschn. 94 Abs. 2 Satz 7 der Lohnsteuer-Richtlinien 1990 - jetzt R 189 Abs. 1 EStR 1996 -; für die Notwendigkeit einer amtsärztlichen Begutachtung auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 33 EStG Anm. 105; Schmieszek in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Rdnr. 139, der sich dafür unzutreffend auf das BFH-Urteil in BFHE 79, 271, BStBl III 1964, 331 beruft; a. A. Öpen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 33 EStG Anm. 150 "Badekuren"; Borggreve in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 33 EStG Anm. 68 a bei hilflosen Personen; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. C 54; Lebenserfahrung ausreichend; differenzierend auch Fitsch in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 78 "Krankheitskosten", Ziff. 7 "Badekur" Buchst. c; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 1997, § 33 Rz. 35 "Heilkuren": bei Offenkundigkeit der Notwendigkeit einer Begleitperson kein ärztliches Attest).

Diese Entscheidung beruht, wie sich aus ihrem Gesamtzusammenhang ergibt, auf den außergewöhnlichen Umständen des dortigen Streitfalls (besonders hohes Alter des Kurbedürftigen, schwere Krankheit, Gebrechlichkeit) und der revisionsrechtlichen Würdigung ihrer Folgen für die Beweiswürdigung. Der VI. Senat hat hingegen keine Beweiswürdigungsregel aufgestellt, die der vorgenannten, von dem erkennenden Senat formulierten entgegenstünde; seinem Urteil ist nicht etwa der Rechtssatz zu entnehmen, für den Nachweis der Notwendigkeit einer Begleitperson während einer Kur dürfe im allgemeinen weder ein amtsärztliches noch überhaupt ein ärztliches Zeugnis verlangt werden. Der VI. Senat hat zwar den Satz der Lebenserfahrung aufgestellt, daß Personen, die eine gebrechliche, 82 Jahre alte Dame zur Kur begleiten, damit nicht ihre eigene Erholung erstrebten. Der erkennende Senat kann offenlassen, ob er dem folgen könnte; jedenfalls ist seiner Auffassung nach ein besonderer Nachweis der Notwendigkeit einer Begleitperson im Regelfall erforderlich, um rein persönliche Motive des Kurbedürftigen für den Wunsch nach Begleitung von einer medizinischen Indikation hierfür abgrenzen zu können. Selbst wenn indes der VI. Senat mit dem genannten, sein Entscheidungsergebnis offenbar nur weiter abstützenden Erfahrungssatz mittelbar den Rechtssatz hätte zum Ausdruck bringen wollen, bei hochbetagten, schwerkranken und gebrechlichen Kurreisenden bedürfe es keines besonderen Nachweises der Notwendigkeit einer Begleitperson, ergäbe sich auch daraus keine, der Rechtsauffassung des erkennenden Senats entgegenstehende, im Streitfall einschlägige Beweiswürdigungsregel.

3. Nach dem Zusammenhang der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, daß die von dem Kläger unternommene Reise nach B. die Anforderungen an eine Maßnahme erfüllte, die unmittelbar der Linderung einer Krankheit dient; deshalb hat bereits das FA eine Heilbehandlung anerkannt und deren unmittelbare Kosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Die strittigen Aufwendungen für die Begleitung des Klägers sind indes nur dann ebenfalls außergewöhnliche Belastungen, wenn sie den Klägern nicht nur als Folge der Kurreise des Klägers, sondern deshalb entstanden sind, weil ohne die Begleitung des Klägers durch seine Ehefrau die Kur vom Kläger nicht hätte durchgeführt werden können und die diesbezüglichen Kosten daher den rechtlichen Charakter der sonstigen Aufwendungen der Kläger während der Kur teilen. Dies bedarf, wie dargelegt, grundsätzlich des Nachweises durch eine vor Antritt der Reise eingeholte amtsärztliche oder gleichzustellende Bestätigung. Ein solcher Nachweis fehlt.

Auf einen Nachweis durch eine amtsärztliche Bestätigung kann im Streitfall nicht ausnahmsweise deshalb verzichtet werden, weil nach dem feststehenden Sachverhalt die eben erörterten außergewöhnlichen Umständen vorlägen, bei denen der erkennende Senat in Betracht ziehen würde, den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Begleitperson ohne Vorlage einer solchen Bestätigung als erbracht anzusehen. Das FG ist zwar in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, der Kläger gehöre zum Personenkreis der alten und hilflosen Menschen i. S. des Urteils in BFHE 79, 271, BStBl III 1964, 331, und es sei daher offenkundig, daß er einer Begleitung bedürfe. Diese Annahmen des FG beruhen möglicherweise schon auf einer unzureichenden Berücksichtigung der bei Aufwendungen der hier streitigen Art bestehenden strengen Beweisanforderungen und der engen Voraussetzungen, unter denen deren Notwendigkeit als offenkundig angesehen werden kann. Der erkennende Senat vermag sie seiner Entscheidung jedenfalls deshalb nicht zugrundezulegen, weil sie von den festgestellten Tatsachen nicht getragen werden. Die Feststellungen des Tatrichters sind zwar für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt (s. BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, 10, BStBl II 1988, 944, und vom 26. Juni 1990 VII R 5/88, BFHE 161, 225, insoweit NV). Ausreichende Tatsachen, aus denen sich ergibt, der Kläger sei hilflos, sind vom FG bisher jedoch nicht festgestellt worden. Aus der dem FG vorgelegten, im Streitjahr bereits 14 Jahre alten und zudem vom FG selbst als inhaltlich nicht ganz klar eingestuften Bescheinigung von 1977 läßt sich das ebensowenig entnehmen wie es aus der Geh- und Stehbehinderung des Klägers mit einem Grad von 100 % ohne weiteres gefolgert werden darf (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1988 VI R 60/85, BFHE 154, 542); es ergibt sich auch nicht aus seinem Alter, welches nicht so außergewöhnlich hoch ist, daß im allgemeinen ohne weiteres davon ausgegangen werden könnte, es führe zur Hilflosigkeit oder zumindest zur Gebrechlichkeit i. S. des BFH-Urteils in BFHE 79, 271, BStBl III 1964, 331 und damit zur Offenkundigkeit der Begleitungsbedürftigkeit. Daß dem Kläger von der zuständigen Behörde nach § 3 Abs. 5 des Schwerbehindertengesetzes das Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) zuerkannt wäre, ist weder festgestellt noch wird es offenbar vom Kläger behauptet. Es stehen auch sonst keine Tatsachen fest, aufgrund derer offenkundig ist, daß der Kläger der Begleitung während seiner Kur bedurft hat, etwa daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang dauernd fremder Hilfe bedurft hätte (vgl. Urteil des Senats vom 5. Februar 1988 III R 244/83, BFHE 152, 488, BStBl II 1988, 436) oder daß er sich in einer fremden Umgebung nicht mehr allein orientieren und zurechtfinden könnte. Überdies sind auch die aus den Akten ersichtlichen unstreitigen Umstände zu würdigen, welche gegen die vorgenannten Annahmen des FG sprechen könnten, etwa daß der Kläger in der Lage und bereit war, im Streitjahr mehrere Reisen zur Verwaltung seines Grundvermögens, insbesondere zu Eigentümerversammlungen und zu Besichtigungen zu unternehmen.

4. Da der erkennende Senat zur Notwendigkeit einer Begleitung bei Kuraufenthalten erstmals ausdrücklich besondere Nachweisanforderungen aufstellt und die Entscheidung in BFHE 79, 271, BStBl III 1964, 331 einen solchen Nachweis auch einem Steuerpflichtigen, der die Rechtslage sorgfältig prüft und bei Zweifelsfragen sachverständigen Rat einholt, als entbehrlich erscheinen lassen konnte, ist es gerechtfertigt, den Klägern ausnahmsweise nachzulassen, eine amtsärztliche Bestätigung noch nachträglich beizubringen (vgl. BFH- Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; in BFHE 164, 414, BStBl II 1991, 763; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; in BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920, und vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337), was sie inzwischen auch getan haben. Es muß jedoch dem FG vorbehalten bleiben, diese Bescheinigung ihrem Inhalte nach, ggf. unter Berücksichtigung der sonstigen tatsächlichen Umstände des Streitfalls, daraufhin zu würdigen, ob durch sie der erforderliche Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Begleitung des Klägers im Streitjahr ausreichend erbracht wird. Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das FG.