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  BFH-Urteil vom 24.3.1998 (I R 38/97) BStBl. 1998 II S. 471

1. Einkünfte stammen dann nicht aus dem Ausland, wenn es an jedem ausländischen Anknüpfungspunkt fehlt, der die Einkünfte als aus dem Ausland stammend qualifizieren könnte.

2. Einkünfte können nicht aufgrund des Sitzes der sie erzielenden Kapitalgesellschaft einem bestimmten Staat zugeordnet werden.

3. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG sieht die Nichtanwendung des § 34c Abs. 3 EStG nur für den Fall vor, daß die ausländische Steuer (nach deutschem Rechtsverständnis) auf Einkünfte erhoben wird, die aus dem entsprechenden ausländischen Vertragsstaat stammen. Es genügt nicht, daß die ausländische Steuer von einem Staat erhoben wird, mit dem die Bundesrepublik ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat.

EStG § 34c Abs. 3 und 6.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1997, 984)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nach schweizerischem Recht gegründete Aktiengesellschaft, deren Aktien von zwei unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen gehalten wurden und die sich heute in Liquidation befindet. Während sich der statutarische Sitz der Klägerin stets in der Schweiz befand, gehen die Beteiligten für die Streitjahre 1984 bis 1986 übereinstimmend davon aus, daß sich der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in H in der Bundesrepublik befand.

Die Klägerin wies in ihren nach schweizerischem Recht aufgestellten Jahresabschlüssen folgende Gewinne aus:

1984

1985

1986

-------

-------

-------

sfr

sfr

sfr

127.424

74.945

117.246

Die Gewinne stammen aus Provisionserträgen, die die Klägerin für ihre Zwischenschaltung in Geschäftsbeziehungen zwischen inländischen Unternehmen, die den beiden Aktionären nahestanden, und anderen schweizerischen Unternehmen erhielt. Die dafür maßgebende Tätigkeit wurde in H ausgeübt. Die Klägerin zahlte in der Schweiz für 1984 153,95 sfr (= 187 DM), für 1985 27.223,75 sfr (= 32.328 DM) und für 1986 26.908,64 sfr (= 32.196 DM) für dort festgesetzte schweizerische Ertragsteuern.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Klägerin für die Streitjahre als im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und als eine gemäß Art. 4 Abs. 8 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 30. November 1978 (BGBl II 1980, 751) - DBA-Schweiz 1971/78 - nur in der Bundesrepublik ansässige Gesellschaft. Er ermittelte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin (vor Abzug schweizerischer Steuern) für 1984 mit 104.250 DM, für 1985 mit 138.550 DM und für 1986 mit 149.510 DM und die Tarifbelastung für 1984 mit 58.380 DM, für 1985 mit 77.588 DM und für 1986 mit 83.725 DM. In den Steuerbescheiden vom 3. Januar 1991 lehnte das FA sowohl die Anrechnung schweizerischer Steuern als auch den Abzug der gezahlten schweizerischen Steuern vom Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 26 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - i. V. m. § 34c Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) ab.

Bereits vorher hatte die Klägerin sich zunächst in der Schweiz um eine Änderung der dort erlassenen Steuerbescheide bemüht. Als dies keinen Erfolg hatte, beantragte sie die Einleitung eines Verständigungsverfahrens. Auch in diesem Verfahren lehnte die Schweiz eine Berichtigung der für die Streitjahre ergangenen Bescheide aus Gründen eines Verstoßes der Klägerin gegen Treu und Glauben ab. Den Provisionseinnahmen der Klägerin hätten keine ersichtlichen Leistungen gegenübergestanden. Es handele sich offensichtlich um bloße Gewinnverschiebungen in die Schweiz.

Das FA wies deshalb den Einspruch der Klägerin zurück. Die Klage hatte jedoch Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 984 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 34c Abs. 3 und 6 EStG.

Es beantragt, unter Aufhebung des als Urteil wirkenden Gerichtsbescheides des FG Baden-Württemberg vom 19. März 1997 3 K 171/92 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Es hat Stellung genommen, jedoch keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG und des KStG, was als Einkommen gilt. Nach § 34c Abs. 3 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 24. Januar 1984 - EStG 1983 - (BGBl I 1984, 113, BStBl I 1984, 51) kann bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte (= Einkommensermittlung) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen eine festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Einkommensteuer abgezogen werden, soweit sie auf Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Voraussetzung ist, daß die ausländische Einkommensteuer nicht nach § 34c Abs. 1 EStG angerechnet werden kann, weil entweder die ausländische Steuer nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht (1. Alternative) oder nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen (2. Alternative), oder weil keine ausländischen Einkünfte vorliegen (3. Alternative). Diese Voraussetzungen sind insoweit erfüllt, als die Klägerin unstreitig unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Die von ihr erzielten Einkünfte unterlagen einer Besteuerung in der Schweiz. Die dort erhobene Steuer ist eine solche vom Einkommen und nach den den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) festgesetzt und gezahlt; sie unterliegt keinem Ermäßigungsanspruch mehr. Sie ist nicht nach § 34c Abs. 1 EStG anrechenbar, weil die besteuerten Einkünfte nach deutschem Rechtsverständnis nicht aus der Schweiz, sondern aus dem Inland stammen und keine ausländischen Einkünfte i. S. des § 34d EStG sind. Sie unterliegt auch keinem (schweizerischen) Ermäßigungsanspruch mehr, weil der sie festsetzende (schweizerische) Steuerbescheid bestandskräftig ist und die Eidgenössische Steuerverwaltung seine Änderung abgelehnt hat.

2. Allerdings ist nach § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG Abs. 3 nicht anzuwenden, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) besteht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt. Zwar bestand in den Streitjahren im Verhältnis zur Schweiz das sog. DBA-Schweiz 1971/78. Deshalb stammten die Einkünfte jedoch nicht aus der Schweiz.

Der Senat läßt offen, ob er der Auffassung des FG folgt, daß der Ausdruck "die aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünfte" inhaltlich dem der "ausländischen Einkünfte i. S. des § 34d EStG" entspricht. Versteht man den Begriff in diesem Sinne, so fehlt es an ausländischen Einkünften, weil keines der Kriterien des § 34d EStG erfüllt ist. Aber auch dann, wenn man den Begriff nicht gemäß § 34d EStG auslegen wollte, fehlt es letztlich an jedem Anknüpfungspunkt, der die im Streitfall interessierenden Einkünfte als aus der Schweiz stammend qualifizieren könnte. Entscheidend ist insoweit, daß der Sitz der Klägerin in der Schweiz zwar deren dortige persönliche Steuerpflicht begründete. Jedoch können die von der Klägerin erzielten Einkünfte nicht mit Hilfe des Sitzes einem bestimmten Staat zugeordnet werden. Der Sitz der Klägerin begründet keine Betriebsstätte in der Schweiz (§ 12 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

3. Der Wortlaut des Gesetzes erlaubt es nicht, § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG stets dann anzuwenden, wenn zwischen der Bundesrepublik und dem Staat, dessen Steuer potentiell anzurechnen ist, ein DBA besteht. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG ist enger gefaßt. Er sieht die Nichtanwendung des § 34c Abs. 3 EStG nur für den Fall vor, daß die ausländische Steuer (nach deutschem Rechtsverständnis) auf Einkünfte erhoben wird, die aus dem entsprechenden ausländischen Vertragsstaat stammen. Es genügt nicht, daß nur die ausländische Steuer von einem Staat erhoben wird, mit dem die Bundesrepublik ein DBA abgeschlossen hat. Zwar sieht § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG im Falle eines bestehenden DBA kein Wiederaufleben der Abzugsmöglichkeit nach Abs. 3 vor (vgl. Blümich/Krabbe, Einkommensteuergesetz, § 34c Rdnr. 128). Daraus folgt jedoch im Umkehrschluß nicht, daß § 34c Abs. 3 EStG stets dann unanwendbar sei, wenn zu dem Staat, dessen Steuer angerechnet werden soll, ein DBA besteht. § 34c Abs. 3 EStG ist nur unter den Voraussetzungen des Abs. 6 Satz 1 unanwendbar. Deshalb muß die erhobene ausländische Steuer auf Einkünfte entfallen, die aus dem entsprechenden ausländischen Vertragsstaat stammen. Der Wortlaut der Vorschrift läßt auch keine Differenzierung dahingehend zu, ob die Klägerin die Doppelbesteuerung zu vertreten hat bzw. ob sie auf einer unrichtigen Anwendung des DBA-Schweiz beruht.

4. Die Vorentscheidung verletzt deshalb kein Bundesrecht. Sie ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.