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  BFH-Urteil vom 15.1.1998 (IV R 8/97) BStBl. 1998 II S. 478

Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist das Besitzunternehmen als Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG von dem Zeitpunkt an zu behandeln, in dem die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erstmals erfüllt sind.

GewStG § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1997, 550)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in 1994 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Zweck der Gesellschaft soll der Erwerb, die Bebauung und die Verwaltung des Grundbesitzes in L (Grundstück) sein. Gesellschafter der Klägerin sind J mit einer Beteiligung von 33 % sowie R mit einer Beteiligung von 67 %. Die Gesellschafter sind auch Geschäftsführer der Klägerin.

Mit notariellem Vertrag vom 21. Oktober 1994 erwarben J und R das Grundstück. Sie bebauten es u. a. mit einem Bürogebäude und einer Halle. Die Gebäude waren Ende Oktober 1995 fertiggestellt.

Mit Vertrag vom 15. Oktober 1995 überließ die Klägerin die Gebäude einer in 1984 gegründeten GmbH ab dem 1. November 1995 für deren betriebliche Zwecke. An der GmbH halten J eine Beteiligung von 33 % sowie R, zugleich der alleinige Geschäftsführer der GmbH, eine Beteiligung von 67 %.

Bis zum Bezug der neuen Gebäude wurde die kaufmännische Leitung der GmbH von T aus wahrgenommen, während sich der technische Bereich auf zwei Pachtgrundstücken in N befand, auf denen insbesondere die von der GmbH vertriebenen Großmaschinen abgestellt wurden.

Bereits mit Schreiben vom 25. November 1994 hatte die Klägerin der GmbH das noch unbebaute Grundstück "ab sofort für Lager- und Vorführzwecke bis zur Herstellung der Umzäunung und Fertigstellung der Befestigung der Freiflächen" mietzinsfrei zur Verfügung gestellt. Eine tatsächliche Nutzung ist nicht erfolgt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die mit Schreiben vom 25. November 1994 erfolgte Überlassung des unbebauten Grundstücks an die GmbH habe ihre Gewerbesteuerpflicht begründet, da das Grundstück wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung geworden sei. Denn die Vertragspartner der GmbH hätten für den Abschluß langfristiger Händlerverträge auf ein vorzeigbares Betriebsgelände mit angemessenen Ausstellungs- und Service-Einrichtungen bestanden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die beantragte Festsetzung eines Gewerbesteuermeßbetrages für das Streitjahr 1994 sowie den Erlaß eines Bescheides auf den 31. Dezember 1994 über einen vortragsfähigen Gewerbeverlust ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, für das Streitjahr sei ein Gewerbeertrag i. S. des § 10 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bzw. ein nach § 10a Satz 2 GewStG vortragsfähiger Verlust nicht festzustellen, da die Klägerin in 1994 keinen stehenden Gewerbebetrieb betrieben habe. Die Zurverfügungstellung des Grundstücks mit Schreiben vom 25. November 1994 habe nicht zur Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage geführt. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 550 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 2, 10a GewStG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung einen vortragsfähigen Gewerbeverlust für das Streitjahr in Höhe von 1.313.007 DM gesondert festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Senat versteht die vorliegende Revision ebenso wie die Klage als Revision bzw. Klage der Klägerin, vertreten durch deren als Kläger und Revisionskläger aufgetretene Gesellschafter.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt in dem angefochtenen Umfang zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht haben FG und FA es verneint, für das Streitjahr einen vortragsfähigen Gewerbeverlust gesondert festzustellen.

1. Nach § 10a Satz 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 GewStG wird der in einem Erhebungszeitraum bezogene und damit maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 2 GewStG).

2. Die Möglichkeit, einen Fehlbetrag als Gewerbeverlust vorzutragen bzw. einen vortragsfähigen Fehlbetrag gesondert festzustellen, setzt voraus, daß die sachliche Gewerbesteuerpflicht entstanden, der Verlust also während des Bestehens eines Gewerbebetriebes verursacht worden ist. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist Gegenstand der Gewerbesteuer der stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt demgemäß grundsätzlich erst, wenn sämtliche tatbestandlichen Merkmale eines Gewerbebetriebes erfüllt sind und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527). Bloße Vorbereitungshandlungen begründen im Gewerbesteuerrecht im Unterschied zum Einkommensteuerrecht, das die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb rechnet, noch keine Steuerpflicht. Denn wegen des an den Gewerbebetrieb anknüpfenden Objektcharakters der Gewerbesteuer kommt es nicht auf die persönliche Steuerpflicht des Unternehmers, sondern auf die sachliche Steuerpflicht des Unternehmens an. Aus diesem unterschiedlichen Besteuerungsziel beider Steuerarten wie auch aus dem unterschiedlichen Wortlaut von § 2 Abs. 1 GewStG und § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes hat die Rechtsprechung von jeher unterschiedliche Folgerungen für Beginn und Ende der Einkommen- bzw. Gewerbesteuerpflicht gezogen. Der sachlichen Gewerbesteuerpflicht unterliegt damit nur der auf einen in Gang gesetzten Betrieb entfallende Gewinn, wohingegen die Einkommensteuer als Personensteuer auch betriebliche Vorgänge im sog. Vorbereitungsstadium erfaßt (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch der gewerbesteuerliche Betriebsbeginn in Fällen der Betriebsaufspaltung. Als Gewerbebetrieb gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) eine ihrer Art nach lediglich vermögensverwaltende Tätigkeit, wenn sie die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an ein gewerbliches (Betriebs-)Unternehmen beinhaltet (sachliche Verflechtung) und eine Person oder mehrere Personen gemeinsam in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung). Diese steuerliche Beurteilung hat ihren Grund darin, daß die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, der (über das Betriebsunternehmen) auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist (BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 77/77, BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39).

Das Besitzunternehmen ist dementsprechend als Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG von dem Zeitpunkt an zu behandeln, in dem die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erstmals erfüllt sind. In diesem Zeitpunkt beginnt damit auch die Gewerbesteuerpflicht für das Besitzunternehmen.

Das zum Investitionszulagengesetz 1982 ergangene BFH-Urteil vom 12. April 1991 III R 39/86 (BFHE 165, 125, BStBl II 1991, 773) steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Denn es betrifft den Zeitpunkt, von dem an Herstellungskosten des Besitzunternehmens in das Vergleichsvolumen einzubeziehen sind. Die Bestimmung dieses Zeitpunkts ist ausdrücklich in Anlehnung an den einkommen- und nicht gewerbesteuerlichen Betriebsbeginn getroffen worden.

3. Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß ein vortragsfähiger Gewerbeverlust der Klägerin zum 31. Dezember 1994 festzustellen ist, denn die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung waren bereits im Streitjahr erfüllt.

Die Klägerin und die GmbH waren im Streitjahr personell miteinander verflochten, denn die Gesellschafter der Klägerin bildeten eine durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe und waren in der Lage, auch in der GmbH einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen.

Die sachliche Verflechtung ergibt sich aus der Überlassung des Grundstücks durch die Klägerin an die GmbH. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat mangels ordnungsgemäßer Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, erfolgte die Überlassung des Grundstücks durch die Klägerin mit dem Schreiben vom 25. November 1994. Das Grundstück durfte zu Lager- und Vorführzwecken von der GmbH genutzt werden. Daß dafür zunächst kein Entgelt zu zahlen war, ist für die Frage der sachlichen Verflechtung ohne Bedeutung, denn auch die leihweise Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen kann eine Betriebsaufspaltung begründen (BFH-Urteil vom 24. April 1991 X R 84/88, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713).

Das Grundstück war auch bereits in seinem unbebauten Zustand im Streitjahr wesentliche Betriebsgrundlage. Grundstücke sind wesentliche Betriebsgrundlagen, wenn sie zum Erreichen des Betriebszwecks der Betriebsgesellschaft erforderlich sind und besonderes Gewicht für deren Betriebsführung besitzen, insbesondere weil das Betriebsunternehmen aus innerbetrieblichen Gründen ohne ein Grundstück dieser Art den Betrieb nicht fortführen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1993 X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718, m. w. N.). Kommt diese Bedeutung bereits einem unbebauten Grundstück zu, so kann auch dieses eine wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein.

Aus der insoweit maßgeblichen Sicht der GmbH hatte bereits das unbebaute Grundstück besonderes Gewicht für deren Betriebsführung. Es war nachweislich eigens mit der Absicht erworben worden, dort auf den individuellen Betriebszweck der GmbH zugeschnittene Gebäude zu errichten. Bereits in unbebautem Zustand war die GmbH für den Abschluß langfristiger Händlerverträge und damit die Fortsetzung ihres bisherigen Betriebs dringend auf das Grundstück angewiesen, um gegenüber dem ausländischen Vertragspartner den Anlauf der gewünschten Umstrukturierungsmaßnahmen belegen zu können. Ob das Grundstück vor Abschluß der Bebauung dann tatsächlich zu "Vorführ-" oder Lagerzwecken genutzt worden ist, hat für die Entscheidung keine Bedeutung; die bloße Nutzungsmöglichkeit reicht aus.

Entgegen der Auffassung des FG kommt es auch nicht darauf an, daß auch eine beliebige andere freie Fläche dieselben Dienste geleistet hätte. Denn eine sachliche Verflechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen kann (BFH in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718).

Die Sache ist spruchreif.

Das FG ist von einem zwischen den Beteiligten hinsichtlich seiner Höhe nicht streitigen Gewerbeverlust von 2.013.007 DM ausgegangen. Der Revisionsantrag der Klägerin bezieht sich auf einen festzustellenden Verlustvortrag von 1.313.007 DM. Auf die begründete Revision der Klägerin darf der Senat das angefochtene Urteil nur insoweit aufheben, als der Revisionsantrag reicht. Der Senat kann der Klägerin nicht mehr zusprechen, als sie begehrt hat (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 1989 II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733).

Die Höhe des vortragsfähigen Verlustes 1994 wird auf 1.313.007 DM festgestellt.