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  BFH-Urteil vom 14.5.1998 (V R 74/97) BStBl. 1998 II S. 634

In einem an den Konkursverwalter gerichteten Umsatzsteuerbescheid kann die Vorsteuer nicht bereits deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie auf Leistungen vor Eröffnung des Konkursverfahrens (hier: des Sequesters) beruht.

UStG 1993 §§ 15, 18; AO 1977 §§ 155, 251 Abs. 2; KO §§ 6, 12, 61, 138f.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1998, 69)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der I GmbH (GmbH), die im Leasinggeschäft mit Computern tätig war. Die GmbH beantragte im März 1986 die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen. Am 14. März 1986 wurde der Kläger zum Sequester bestellt; am 20. Mai 1986 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt. Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Eine besondere Sequestergebühr erhielt der Kläger nicht, vielmehr wurde die Sequestertätigkeit dadurch abgegolten, daß das Konkursgericht entsprechend dem Antrag des Klägers eine erhöhte Konkursverwaltervergütung von 1.502.619,06 DM zuzüglich Auslagen festsetzte (Beschluß vom 29. März 1993).

Der Kläger, der bereits in den Jahren 1986 bis 1988 drei Abschlagszahlungen erhalten hatte, stellte der Gemeinschuldnerin am 29. April 1993 eine restliche Vergütung von 1.141.898,57 DM zuzüglich 171.284,78 DM Umsatzsteuer in Rechnung.

Diesen Umsatzsteuerbetrag machte er zusammen mit anderen Beträgen als Vorsteuer in Höhe von insgesamt 178.419,11 DM in der Umsatzsteuererklärung der GmbH für das Jahr 1993 geltend.

Das damals zuständige Finanzamt für Körperschaften X (das Finanzamt - FA -) stimmte der Steueranmeldung nicht zu; es kürzte die Vorsteuer aus der Konkursverwaltervergütung u. a. um 13.999,55 DM wegen anteiliger Sequestervergütung (Umsatzsteuerbescheid für 1993 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1996).

Die daraufhin erhobene Klage hatte in dem hier noch streitigen Punkte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - (1998, 69) veröffentlicht ist, vertrat die Auffassung, die auf die Sequestration entfallende Vorsteuer sei ein bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens begründeter Vermögensanspruch, der nicht im Veranlagungszeitraum 1993 zu erstatten sei, sondern vom FA mit Forderungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung verrechnet werden könne.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er meint, aus der vom Konkursgericht festgesetzten Konkursverwaltervergütung könne nicht im Schätzungsweg ein auf die Sequestertätigkeit entfallender Anteil herausgerechnet werden; im übrigen sei die Schätzung falsch, da sie nicht von der am Ende der Sequestration vorhandenen Teilungsmaße ausgehe; jedenfalls hätte das FG ermitteln müssen, welche Sequestervergütung das Konkursgericht festgesetzt hätte, wenn es eine derartige Vergütung gesondert festgesetzt hätte.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid dahin zu ändern, daß die Umsatzsteuer auf ./. 178.419,11 DM festgesetzt wird.

Während des Revisionsverfahrens ist das bislang beklagte FA aufgelöst worden und an seiner Stelle das Finanzamt Y zuständig geworden; es ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Entgegen der Auffassung des FG konnte die Vorsteuer, soweit sie auf die Sequestration entfiel, bei der angefochtenen Umsatzsteuer-Veranlagung nicht unberücksichtigt bleiben.

Die Umsatzsteuer-Veranlagung für das Jahr 1993, um die es hier geht, hat nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) und der Abgabenordnung (AO 1977) zu erfolgen. Soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, werden Steuern von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Bei der Umsatzsteuer wird der Vorsteuerabzug nicht selbständig festgesetzt; er ist vielmehr in die Festsetzung der Steuer eingebettet (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und wird als Posten bei ihrer Berechnung mitberücksichtigt (vgl. Schwakenberg, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1993, 295).

Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug, der der GmbH aufgrund der Sequestertätigkeit des Klägers zusteht.

Die Konkurseröffnung führt steuerrechtlich nicht zu einer Trennung des Vermögens des Gemeinschuldners und der Konkursmaße; sie hat auch auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Erfolg. Gemäß § 6 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) wird in Ansehung der Maße lediglich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht durch den Konkursverwalter anstelle des Gemeinschuldners ausgeübt (§ 34 Abs. 3 AO 1977; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691, m. w. N.). Insoweit ist der Umsatzsteuerbescheid an den Konkursverwalter zu adressieren.

Für den Streitfall gilt nichts anderes: Der sich für 1993 errechnende Überschuß begründet eine Forderung des Gemeinschuldners an das FA und keine Konkursforderung des FA an den Gemeinschuldner; es handelt sich um einen Vermögensgegenstand der Konkursmaße und nicht um eine gegen die Konkursmaße gerichtete Forderung, die gemäß §§ 12, 61, 138 f. KO, § 251 Abs. 2 AO 1977 zur Konkurstabelle anzumelden wäre.

Nach der Auffassung des VII. Senats des BFH ist das FA zwar befugt, im Konkurs mit Steueransprüchen aus der Zeit vor Konkurseröffnung gegen ein "Vorsteuerguthaben" des Gemeinschuldners aufzurechnen, das sich aus der Vergütung für eine Sequestertätigkeit ergibt (BFH-Urteil vom 21. September 1993 VII R 119/91, BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83, Deutsches Steuerrecht 1994, 95 mit Anm. HE, UR 1994, 233 mit Anm. Weiss und VII R 68/92, BFH/NV 1994, 521). Dies ändert aber nichts daran, daß das "Vorsteuerguthaben" des Gemeinschuldners, auch soweit es auf den Leistungen des Sequesters beruht, jedenfalls solange dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters unterliegt, als das FA nicht aufrechnet. Aus der Rechtsprechung des VII. Senats kann nicht gefolgert werden, daß in einem an den Konkursverwalter adressierten Umsatzsteuerbescheid (für einen Besteuerungszeitraum nach Konkurseröffnung) Vorsteuerbeträge aus Leistungen, die bereits vor Konkurseröffnung erbracht worden waren, auszuscheiden sind. Die Aufrechnung hat - ebenso wie sonstige Zahlungen auf die Steuerschuld - keinen Einfluß auf die sich aus dem Gesetz ergebende (negative) Jahressteuer (den sog. Überschuß).

Auf die Frage, ob und inwieweit die dem Kläger bewilligte Vergütung in eine Sequester- und Konkursverwaltervergütung aufzuteilen ist und in welchem Umfang die Jahressteuer 1993 demzufolge auf seinen Leistungen als Sequester beruht, kommt es deshalb im vorliegenden Verfahren nicht an. Die Umsatzsteuer war entsprechend dem Antrag des Klägers herabzusetzen.