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  BFH-Urteil vom 19.5.1998 (I R 7/98) BStBl. 1998 II S. 642

Die erstmalige Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 setzt voraus, daß sämtliche (vorbereitende) Rechtsakte, auf denen der Vermögensübergang beruht, nach dem 31. Dezember 1994 wirksam werden (§ 27 Abs. 1 UmwStG 1995). Daß der Vermögensübergang als solcher nach dem 31. Dezember 1994 durch Eintragung in das Handelsregister wirksam wird, genügt nicht.

UmwStG 1995 § 12 Abs. 3 Satz 2, § 27 Abs. 1 und 2; UmwG 1995 § 20 Abs. 1, § 318; EStG § 10d.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1998, 1018)

Sachverhalt

I.

Mit notariellem Vertrag vom 12. Dezember 1994 ist die A-GmbH mit Wirkung zum 1. Januar 1995 auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, verschmolzen worden. Die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister erfolgte am 7. November 1995. Für die A-GmbH, deren Geschäfte die Klägerin ab 1. Januar 1995 fortführte, wurde ein verbleibender Verlust zur Körperschaftsteuer von 68.471 DM festgestellt, den die Klägerin im Streitjahr 1995 gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 12 Abs. 3 Satz 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) geltend machte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte dies unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. Dezember 1994 (BStBl I 1995, 42), weil das Umwandlungs-Steuergesetz 1995 auf den zu beurteilenden Sachverhalt noch nicht anwendbar sei (§ 27 Abs. 1 UmwStG 1955).

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage der Klägerin statt. Die Urteilsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1018 wiedergegeben.

Seine Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

Die Klägerin (als die übernehmende Kapitalgesellschaft) beansprucht den Abzug eines verbleibenden Verlustes der A-GmbH (als der übertragenden Kapitalgesellschaft) gemäß der neu geschaffenen Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 i. V. m. § 10d EStG. Dies ist nach der Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 1 UmwStG 1995 nur möglich, wenn die zugrundeliegende Verschmelzung und der dadurch bedingte Vermögensübergang auf Rechtsakten beruhen, die nach dem 31. Dezember 1994 wirksam werden. Stellt man (lediglich) auf den eigentlichen Übergang des Vermögens ab (so z. B. Rödder, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1995, 322, 325; tendenziell auch Orth, Der Betrieb - DB - 1995, 169, 170), so wäre die Voraussetzung für die erstmalige Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 im Streitfall erfüllt: Der Vermögensübergang wurde mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister am 7. November 1995, also nach dem 31. Dezember 1994, wirksam (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) 1995. Stellt man hingegen - auch - auf jene vorbereitenden Rechtsakte ab, die zur Verschmelzung führen, vor allem den Verschmelzungsbeschluß, den Abschluß sowie die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (so z. B. Wochinger/Dötsch, DB-Beilage 14/1994, 3; Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 27 UmwStG Rz. 15; Meyer, DStR 1994, 1767; Haritz in Haritz/Benkert, Umwandlungs-Steuergesetz, § 27 Rz. 6; Haritz/Slabon, GmbHR 1998, 530; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 3. Aufl., UmwStG 1995/Kurzkommentierung Rz. S 519 sowie § 27 UmwStG Rz. 8890; Herrmann in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 27 UmwStG Rz. 3; BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 42, und vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, 343 unter Tz. S. 01), so verhält es sich anders: Diese Rechtsakte werden unmittelbar wirksam, im Streitfall sonach bereits Ende 1994. Ihre Wirksamkeit ist insofern ihrerseits Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen von § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG 1995 (Dehmer, a. a. O., § 20 UmwG Rz. 5), auch wenn durch die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister etwaige Mängel der notariellen Beurkundung des Verschmelzungsvertrages und ggf. erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber geheilt werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 UmwG 1995) und Mängel der Verschmelzung die Wirkungen der Eintragungen unberührt lassen (§ 20 Abs. 2 UmwG 1995). § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 bliebe für den Streitfall deshalb im Ergebnis unanwendbar.

Nach Regelungswortlaut und Regelungssinn von § 27 Abs. 1 UmwStG 1995 ist letzteres richtig. Die Vorschrift bezieht sich auf "die Rechtsakte" (unter Verwendung des Plurals), auf denen der Vermögensübergang "beruht", und auf deren Wirksamkeit, nicht den Vermögensübergang als solchen. Dessen Wirksamkeit durch die Eintragung im Handelsregister ist also nicht ausschlaggebend. In entsprechender Weise ist das (alte) Umwandlungs-Steuergesetz 1977 gemäß § 27 Abs. 2 UmwStG 1995 letztmals auf den Übergang von Vermögen anzuwenden, der auf Rechtsakten beruht, die - auch - vor dem 1. Januar 1995 wirksam wurden. Zu Überschneidungen bei jahresübergreifenden Umwandlungsvorgängen kann es nicht kommen. Zugleich ermöglicht dieser Regelungsinhalt und das daraus folgende Regelungsverständnis eine Abstimmung mit der handelsrechtlichen Übergangsvorschrift in § 318 UmwG 1995. (Auch) das Umwandlungsgesetz 1995 findet danach keine Anwendung auf Umwandlungen, zu deren Vorbereitung bereits vor dem 1. Januar 1995 ein Vertrag oder eine Erklärung beurkundet oder notariell beglaubigt oder eine Versammlung der Anteilsinhaber einberufen worden ist. Es ist sinnvoll und sachgerecht, daß die handelsrechtliche und die steuerrechtliche Übergangsvorschrift übereinstimmen, zumal § 1 UmwStG 1995 als Voraussetzung für seine Anwendung auf die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes verweist (vgl. Widmann/Mayer, a. a. O., UmwStG 1995/Kurzkommentierung Rz. S 519; Haritz in Haritz/Benkert, a. a. O., § 27 Rz. 6; zu ansonsten drohenden Unabgestimmtheiten s. auch Rödder, DStR 1995, 322, 325; M. Söffing in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 27 UmwStG Rz. 3 f.; Wolff in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 27 UmwStG Rz. 3 ff., insbes. 7).

Da die Vorinstanz eine abweichende Auffassung vertreten hat, waren ihr Urteil aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.