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  BFH-Urteil vom 22.4.1998 (I R 132/97) BStBl. 1998 II S. 687

Die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 14 Nr. 2 Satz 1 KStG setzt nicht voraus, daß das herrschende Unternehmen unmittelbar an dem beherrschten Unternehmen beteiligt ist. Sie kann auch dadurch begründet werden, daß die Beteiligung im Rahmen einer Organkette über die Zwischenschaltung einer rein vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft gehalten wird.

KStG § 14 Nr. 1 und Nr. 2.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1998, 689)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, ist Beteiligungsgesellschaft einer anderen AG, der X-AG. Diese hielt vom 1. Oktober 1994 an 71,42 % der Anteile an der Klägerin über eine von ihr beherrschte 100%igen Tochter-GmbH, die T-GmbH, und eine von dieser beherrschten 100%igen Enkel-GmbH, die E-GmbH. Sämtliche Gesellschaften haben ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das zum 30. September endet. Die Klägerin betreibt ein chemisches Unternehmen, die X-AG ein Unternehmen der Metallwirtschaft und -verarbeitung, des Anlagenbaus, der Chemie, des Transports und Verkehrs sowie der Bankgeschäfte.

Im Laufe des Wirtschaftsjahres 1994/1995 erwarb die T-GmbH 28,08 % der Anteile an der Klägerin. Überdies wurde am 29. September 1995 mit Wirkung zum 1. Oktober 1994 zwischen der Klägerin und der E-GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge bestanden bereits seit dem 28. September 1994 zum einen zwischen der E- und der T-GmbH, zum anderen zwischen letzterer und der X-AG.

Die Klägerin ging vom Bestehen eines - mehrstufigen - Organschaftsverhältnisses zur X-AG aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte dieses nicht an, da die E-GmbH als vermögensverwaltende Holding kein Organträger sein könne, und setzte die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1995 entsprechend fest. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Sprungklage der Klägerin statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgericht 1998, 689 abgedruckt.

Seine Revision begründet das FA mit Verletzung von § 14 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, daß die Klägerin finanziell und organisatorisch in das Unternehmen der X-AG eingegliedert ist und insoweit die gesetzlichen Voraussetzungen in § 14 Nr. 1 und 2 KStG für die steuerliche Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses erfüllt. Kontrovers ist lediglich die Frage, ob auch die daneben erforderliche wirtschaftliche Eingliederung (§ 14 Nr. 2 KStG) gegeben ist. Das FA stellt dies in Abrede, weil sich die X-AG lediglich in mittelbarer Weise - im Rahmen einer sog. Organschaftskette zwischen Mutter-, Tochter-, Enkelgesellschaft - an der Klägerin beteiligt hat. Diese Annahme des FA ist unrichtig. Die wirtschaftliche Eingliederung gemäß § 14 Nr. 2 Satz 1 KStG kann auch eine mittelbare sein.

1. a) Nach ständiger Rechtsprechung ist unter der wirtschaftlichen Eingliederung eine wirtschaftliche Zweckabhängigkeit des beherrschten Unternehmens von dem herrschenden zu verstehen. Entsprechend muß das herrschende Unternehmen solche eigenen gewerbliche Zwecke verfolgen, denen sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann. Das beherrschte Unternehmen muß den gewerblichen Zwecken des herrschenden dienen, d. h. es muß im Sinne einer eigenen wirtschaftlichen Unselbständigkeit die gewerblichen Zwecke des herrschenden Unternehmens fördern oder ergänzen. Dabei muß es wegen der geforderten wirtschaftlichen Unselbständigkeit nach der Art einer unselbständigen Geschäftsabteilung des herrschenden Unternehmens auftreten (vgl. Senatsurteile vom 18. April 1973 I R 120/70, BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740; vom 21. Januar 1976 I R 21/74, BFHE 118, 169, BStBl II 1976, 389; vom 26. April 1989 I R 152/84, BFHE 157, 127, BStBl II 1989, 668; vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24; vom 27. Juni 1990 I R 62/89, BFHE 161, 375, BStBl II 1990, 992), das seinerseits eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausüben muß. Es genügt nicht, daß das herrschende Unternehmen das beherrschte lediglich leitet oder daß es andere Tätigkeiten ausschließlich gegenüber dem beherrschten ausübt (Senatsurteile in BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740; BFHE 157, 127, BStBl II 1989, 668; BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24; BFHE 161, 375, BStBl II 1990, 992).

b) Diese Voraussetzungen eines gewerblichen Unternehmens werden im Streitfall erfüllt: Sowohl die X-AG als auch die Klägerin sind im gleichen Wirtschaftszweig tätig. Bei der X-AG als Obergesellschaft handelt es sich um ein gewerbliches Unternehmen. Die Unternehmen unterliegen einer Gesamtkonzeption und sind durch eine einheitliche Leitung verbunden. Die Einschaltung der T-GmbH sowie der E-GmbH, letztere als bloße Zwischenholding, schadet insoweit nicht. Zwar könnte ein solches auf rein vermögensverwaltende Holdingfunktionen reduziertes Unternehmen seinerseits kein Organträger sein; ihm fehlt die erforderliche eigenwirtschaftliche Betätigung. Bedient sich die Obergesellschaft jedoch seiner lediglich, um die Eingliederungsmerkmale zu vermitteln, wird - auch - den wirtschaftlichen Eingliederungsvoraussetzungen genügt. Es ist dann nicht auf das zwischengeschaltete Unternehmen, sondern auf die Obergesellschaft als maßgeblich abzustellen. Solange die Organkette, wie im Streitfall, geschlossen ist, stellt sie ein wirtschaftlich einheitliches gewerbliches Unternehmen dar, so daß die Förderung oder Ergänzung der Tätigkeit einer der zum Organkreis gehörenden anderen Gesellschaft zur wirtschaftlichen Eingliederung im Verhältnis zur Obergesellschaft ausreicht (einhellige Auffassung; vgl. Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 424 f.; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 4. Aufl., Seite 59; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 14 KStG Rz. 132; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Anm. 23; Gassner in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 58; Prinz in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1995/96, 460 ff.; ferner Senatsurteil vom 2. Februar 1954 I 39/53, Steuerrechtskartei, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 2 Ziff. 2, Rechtsspruch 14, Deutsche Steuer-Rundschau 1954, 327).

2. Dem dagegen gerichteten Einwand des FA, eine derartige lediglich mittelbare Eingliederung müsse im Gesetz selbst ausdrücklich bestimmt sein, ist nicht beizupflichten. Angesichts des Fehlens jeglicher konkretisierender Regelungen im Gesetz muß im Gegenteil davon ausgegangen werden, daß dem Gesetzgeber gerade nicht daran gelegen war, insoweit irgendwelche Abgrenzungen vorzunehmen. Darauf weist nicht zuletzt auch der Umstand hin, daß in § 14 Nr. 1 KStG für das Kriterium der finanziellen Eingliederung die Unmittelbarkeit der Beteiligung in Satz 1 als Voraussetzung ausdrücklich herausgestellt und in Satz 2 die mittelbare Beteiligung nur unter einschränkenden Voraussetzungen als genügend erachtet wird. Diese Regelungstechnik läßt den Rückschluß zu, daß es bei den übrigen organschaftlichen Eingliederungserfordernissen - der organisatorischen und der wirtschaftlichen Eingliederung - hinsichtlich der Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit der Beteiligung im Grundsatz keiner weiteren Differenzierungen bedarf. Ausnahmen bestehen - diesen Grundsatz bestätigend - lediglich in Sonderfällen, wenn Organträger eine Personengesellschaft ist, an der beschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind (§ 14 Nr. 3 Satz 3 und 4 KStG). Darauf, wie es sich in anderen Regelungszusammenhängen - das FA weist auf § 8 Abs. 5 KStG, § 15 Abs. 1 Nr. 2 und § 17 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes hin - verhält, kann es zur Deutung der Vorschriften in §§ 14 ff. KStG nicht ankommen; ein allgemeines übergesetzliches Regelungsprinzip ist insoweit nicht erkennbar.

Schließlich bleibt entgegen der Annahme des FA unbeachtlich, daß zwischen der X-AG als der Obergesellschaft und der Klägerin kein Ergebnisabführungsvertrag besteht, sondern daß die beteiligten Unternehmen auch insofern mehrstufig mehrere Ergebnisabführungsverträge abgeschlossen haben. Bei dem Ergebnisabführungsvertrag handelt es sich um eine Voraussetzung für das Vorliegen der organisatorischen, nicht aber der wirtschaftlichen Eingliederung (vgl. § 14 Nr. 2 Satz 2 und 3 KStG). Im übrigen kann es keinen Unterschied machen, ob die gesetzlich gebotenen Abführungspflichten über einen unmittelbar zwischen Organ und Organträger geschlossenen Vertrag oder aber mittelbar durch eine lückenlose Vertragskette mit weiteren zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaften begründet werden.