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  BFH-Urteil vom 22.4.1998 (I R 83/96) BStBl. 1998 II S. 698

1. Die Frage nach der Zuordnung von verschmelzungsbedingten Kosten zum übertragenden oder zum übernehmenden Unternehmen richtet sich nach dem objektiven Veranlassungsprinzip und beläßt den Beteiligten kein Zuordnungswahlrecht.

2. Zu den Kosten, die dem übertragenden Unternehmen zuzuordnen sind, gehören solche, die mit dessen Gesellschaftsform zusammenhängen. Sie sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig.

3. Die dem übernehmenden Unternehmen zuzuordnenden Kosten mindern den laufenden Gewinn, wenn sie nicht als objektbezogene Anschaffungskosten zu aktivieren sind.

UmwStG 1977 § 5 Abs. 5, § 15 Abs. 2; EStG § 3c, § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 329)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, auf welche im Jahre 1983 eine andere (Tochter-)GmbH verschmolzen wurde. Der sich daraus ergebende Übernahmegewinn in Höhe von rund 4 Mio. DM blieb gemäß § 15 i. V. m. § 5 des Umwandlungssteuergesetzes 1977 (UmwStG 1977) steuerfrei. Im Jahre 1984 wurden der Klägerin die Notarkosten für die im Zusammenhang mit der Verschmelzung abgeschlossenen Verträge in Höhe von 37.764 DM in Rechnung gestellt und von dieser als Betriebsausgaben abgezogen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem unter Hinweis auf § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht und setzte die Körperschaftsteuer 1986 - dem Streitjahr, in dem sich der Abzug infolge von Verlustvorträgen erstmals auswirkte - entsprechend fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 329 wiedergegeben.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, den angefochtenen Bescheid des FA zu ändern und die Körperschaftsteuer auf 2. 552.147 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die in Rede stehenden Kosten resultieren nach den - unbestrittenen - Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) aus der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf die Klägerin. Der dabei entstandene Übernahmegewinn der Klägerin ist bei deren Gewinnermittlung gemäß § 15 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 5 UmwStG 1977 außer Ansatz geblieben. Die Schlußfolgerung, aufgrund dessen müßten auch die Beurkundungs- und Notarkosten wegen des Abzugsverbots in § 3c EStG unberücksichtigt bleiben, läßt sich indes nicht halten:

a) Entscheidungserhebliche Voraussetzung dafür wäre, daß die fraglichen Kostenpositionen der Klägerin als der übernehmenden Gesellschaft überhaupt zugerechnet werden könnten. Ob dies der Fall ist, läßt sich vorliegend nicht abschließend beantworten.

Das FG hat nicht festgestellt, wofür die Notarkosten im einzelnen entstanden sind. Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, die der Senat als richtig unterstellt, handelt es sich hierbei um Kosten für die Durchführung der Verschmelzung und der Klärung rechtlicher Fragen (u. a. Aufsetzung des Verschmelzungsvertrages, Anmeldung zum Handelsregister, Beratung in Fragen des Arbeitsrechts u. ä.). Sie stellen damit Verschmelzungskosten dar. Diese können der übernehmenden Gesellschaft zu belasten sein, ebensogut jedoch der übertragenden. Ausschlaggebend für die Zuordnung ist, in wessen Sphäre sie entstehen (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2. Aufl., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4802 ff.); jeder der Beteiligten hat die auf ihn entfallenden Kosten selbst zu tragen (vgl. Bundesministerium der Finanzen - BMF - Schreiben vom 15. April 1986, BStBl I 1986, 164 Tz. 21; vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268 Tz. 03.12 und 04.43). Soweit demgegenüber im Schrifttum ein grundsätzliches Zuordnungswahlrecht befürwortet worden ist (vgl. Neumann, Deutsches Steuerrecht 1997, 2041; Dieterlen/Schaden, Betriebs-Berater - BB - 1997, 2297, 2298; Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 11 UmwStG Rz. 117 und 119, jeweils m. w. N.), folgt der Senat dem nicht (vgl. auch bereits Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 22/96, BFHE 184, 435, BStBl II 1998, 168). Die Kostenzuordnung richtet sich nach dem objektiven wirtschaftlichen Veranlassungsprinzip und steht nicht zur freien Disposition der Verschmelzungsbeteiligten. Andernfalls ließe sich das übertragene Vermögen nicht verläßlich abgrenzen. Daß Verschmelzungen als Veräußerungsvorgänge zu beurteilen sind (Senatsurteil in BFHE 184, 435, BStBl II 1998, 168 unter 1. der Entscheidungsgründe), ändert daran nichts.

Beim Übertragenden zu berücksichtigende Kosten sind sonach nur solche, die mit dessen Gesellschaftsform zusammenhängen, die sich also aus dessen "Rechtskleid" ergeben (so Widmann, a. a. O., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4816). Bei einer Verschmelzung sind das u. a. auch die Kosten des Verschmelzungsbeschlusses, der Anmeldung und Eintragung des Beschlusses, Löschungskosten, Kosten für Beratungen, die sich auf den Verschmelzungsbeschluß und die Verschmelzungsbilanz beziehen, Kosten der Hauptversammlung, auf der dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt wird (Widmann, a. a. O., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4817, § 15 UmwStG 1977 Rz. 6144; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 184, 435, BStBl II 1998, 168; Dehmer, a. a. O., § 11 UmwStG Rz. 117; Brinkhaus in Haritz/Benkert, Umwandlungs-Steuergesetz, § 3 Rz. 84). Solche Kostenpositionen mindern den von dem übertragenden Unternehmen zu versteuernden Übertragungsgewinn und sind in diesem Zusammenhang konsequenterweise als Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 4 Abs. 4 EStG; Widmann in Widmann/Mayer, a. a. O., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4802 ff., 4817 und 4828; Brinkhaus in Haritz/Benkert, a. a. O., § 3 Rz. 85; Dehmer, a. a. O., § 3 UmwStG Rz. 26).

b) Nur wenn es sich - abweichend hiervon - um solche (Notar- und Beurkundungs-)Kosten handelt, die in die (Veranlassungs-)Sphäre der übernehmenden Gesellschaft fallen, weil sie deren Eintragung betreffen, kann sich die Folgefrage stellen, ob ihrer Abziehbarkeit das Verbot des § 3c EStG entgegensteht. Diese Frage ist zu verneinen. Die Kosten mindern unter diesen Umständen nicht den - steuerbefreiten - Übernahmegewinn (bzw. erhöhen nicht den Übernahmeverlust). Denn nach der Definition des § 5 Abs. 5 Satz 1 UmwStG 1977 ist Übernahmegewinn bzw. Übernahmeverlust lediglich der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert der Anteile an der Übertragerin und dem Wert, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind. Die Verschmelzungskosten sind hier - anders als beispielsweise bei Veräußerungsgewinnen i. S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG - nicht in Abzug zu bringen. Die fraglichen Kosten mindern daher den - steuerpflichtigen - laufenden Gewinn der übernehmenden Gesellschaft, es sei denn, sie sind bei einzelnen übergegangenen Wirtschaftsgütern als zusätzliche Anschaffungskosten zu aktivieren (vgl. Widmann, a. a. O., § 5 UmwStG 1977 Rz. 4985 ff; Brinkhaus in Haritz/Benkert, a. a. O., § 3 UmwStG Rz. 85; siehe auch Senatsurteil in BFHE 184, 435, BStBl II 1998, 168, zur verschmelzungsbedingt angefallenen Grunderwerbsteuer; ferner Dieterlen/Schaden, BB 1997, 2297, 2298). Zu solchen Anschaffungsnebenkosten können auch konkret objektbezogene Notar- und Beurkundungskosten gehören. Im übrigen läßt die Finanzverwaltung allerdings, was sachgerecht erscheint, aus Gründen der vereinfachten Handhabung den sofortigen Abzug der Kostenfaktoren zu (BMF-Schreiben in BStBl I 1986, 164 Tz. 22, und in BStBl I 1998, 268 Tz. 04.43).

c) Für ein darüber hinaus gehendes Verbot der Abziehbarkeit gemäß § 3c EStG besteht kein Grund. Weder sind die Verschmelzungskosten durch die Entstehung des Verschmelzungsgewinns veranlaßt noch stehen sie zu diesem, wie aber nach den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 3c EStG erforderlich, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang (ebenso: Dieterlen/Schaden, BB 1997, 2297, 2299 ff.).

2. Die Vorinstanz hat diese Zusammenhänge verkannt. Ihre Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es ist Aufgabe des FG festzustellen, wofür die in Rede stehenden Kosten angefallen und ob sie ggf. als Anschaffungsnebenkosten zu behandeln sind.