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  BFH-Urteil vom 6.8.1998 (IV R 75/97) BStBl. 1998 II S. 732

Vergütungen, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhält, sind nicht nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 2. September 1949 (BGBl II 1954, 494) steuerbefreit.

Allg. Abk. über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates Art. 17, Art. 18 Buchst. b; EStG § 18, § 19.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1997, 1440)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist selbständiger Dolmetscher. In den Streitjahren war er - wie auch in den Jahren zuvor und danach - für den Europarat in Straßburg tätig. Seinen Einkommensteuererklärungen zufolge erhielt er hierfür Vergütungen in Höhe von 30.926 DM (1988), 14.255 DM (1989) und 5.151 DM (1990). Im Jahre 1988 war er über den Zeitraum von 12 Monaten verteilt an neun einzelnen Tagen beim Europarat beschäftigt, 1989 wurde er in der ersten Jahreshälfte dreimal in Blöcken von vier bis zehn Tagen Dauer eingesetzt, im Jahre 1990 handelte es sich um einen Einsatz von fünftägiger Dauer zu Beginn des Jahres.

Der Kläger ist der Auffassung, diese Einnahmen seien nach Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (BGBl II 1954, 494) steuerfrei, da er "Beamter" im Sinne dieser Bestimmung sei. Er legte dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eine Bescheinigung des Vorstehers der Personalabteilung des Generalsekretariats des Europarates vom 4. Dezember 1985 vor, derzufolge er als zeitweiliger Dolmetscher "agent" (Bediensteter) des Europarates von der Steuer auf Gehälter und sonstige Bezüge befreit ist, die der Europarat bezahlt.

Das FA war demgegenüber der Meinung, freiberuflich für den Europarat tätige Dolmetscher seien keine Beamte i. S. des Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates. Es behandelte daher die Einnahmen in den die Streitjahre betreffenden Einkommensteuerbescheiden als steuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der zum Finanzgericht (FG) erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Auffassung des FA beruhe auf einem Fehler in der Übersetzung des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates von der offiziellen englischen und französischen Fassung in die deutsche Sprache. "officials" bzw. "agents" seien zu Unrecht mit "Beamte" übersetzt worden. Bei seinen jeweiligen Anstellungsverträgen sei nicht die Dauer, sondern die Form maßgeblich. Er werde nicht als freiberuflicher Dolmetscher verpflichtet, sondern höre auf, ein solcher zu sein, um während der Dauer des Vertrages ein Bediensteter des Europarates mit allen Rechten und Pflichten zu werden. Nach Ablauf des Vertrages kehre er wieder zu seinem vorherigen Status als freiberuflicher Dolmetscher zurück. Die Abrechnung der Gehälter und Bezüge belege zweifelsfrei seinen Status als Bediensteter; denn es seien ihm Arbeitnehmeranteile für die Altersversorgung und Krankenversicherung abgezogen sowie auch der Arbeitgeberanteil bezahlt worden. Damit hätten die Modalitäten in allen wesentlichen Belangen einem Dienstverhältnis entsprochen. In dem als Muster vorgelegten Anstellungsvertrag stehe wörtlich:

"Der Rechtsinhaber dieses Vertrages untersteht der Autorität des Generalsekretärs und ist ihm gegenüber Rechenschaft schuldig. In der Ausübung seiner Pflichten darf er Anweisungen einer Regierung oder einer äußeren Autorität weder anfordern noch annehmen. Er unterliegt der Schweigepflicht."

Des weiteren hat der Kläger dem FG eine Bescheinigung des Chefs der Personalabteilung des Europarates vorgelegt, in der es u. a. heißt:

"Herr B, zeitweiliger Dolmetscher, Bediensteter des Europarates, ist von der Steuer auf Gehälter und sonstige Bezüge befreit, die der Europarat bezahlt."

Auf Anfrage des Berichterstatters des FG hat sich der Generalsekretär des Europarates mit Schreiben vom 27. März 1997 wie folgt geäußert:

1. "Herr B war in den Jahren 1988 - 1990 mehrfach als Dolmetscher für den Europarat tätig. Die dabei jeweils abgeschlossenen Dienstverträge entsprechen in ihrem Wortlaut mutatis mutandis dem von Herrn B vorgelegten Vertrag aus dem Jahr 1992.

In der Praxis des Europarates werden die auf der Grundlage solcher Verträge eingestellten Dolmetscher als agents temporaires eingestuft. Dies ergibt sich insbesondere aus den Formulierungen des Absatzes, der mit den Worten "Le titulaire ... " beginnt. Diese Formulierungen entsprechen den Formulierungen, die im "Statut des agents" für die Beamten des Europarates enthalten sind, und sind durch das Bestreben des Europarates gerechtfertigt, die Dolmetscher, die kraft ihrer Tätigkeit Zugang zu vertraulichen Informationen haben, den beamtenrechtlichen Treue- und Verschwiegenheitspflichten zu unterwerfen.

Die Abwicklung des Vertrages entspricht dem ebenfalls. Die Dolmetscher stellen keine Honorarnote, sondern ihr Gehalt wird aufgrund der für die Beamten des Europarates geltenden Gehaltstabellen berechnet und über das für sämtliche Beamte geltende Gehaltsabrechnungssystem abgewickelt."

2. "Der Generalsekretär des Europarates hat in Art. 1 seiner Verfügung 203 vom 18. Januar 1954 im Einklang mit Art. 17 Satz 1 in abstrakt-genereller Weise bestimmt, daß die Bestimmungen des Artikels 18 a) und b) des Abkommens auf alle agents permanents und agents temporaires des Europarates anwendbar sind."

Das FG gab der Klage statt. Der Gerichtsbescheid ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1440 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA.

Das FA beantragt, den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Als Rechtsgrundlage für die Steuerbefreiung kommen nur die Art. 17 und 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 2. September 1949 in Betracht, dem die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) durch Gesetz vom 30. April 1954 beigetreten ist (BGBl II 1954, 493 ff.). Völkerrechtliche Verträge gelten, soweit sie aufgrund eines Zustimmungsgesetzes innerstaatlich anwendbar sind, als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -, § 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Ihre Auslegung durch die FG ist somit vom Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht überprüfbar (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates enthält - anders als etwa Art. X Abs. 1 Satz 1 des Nato-Truppenstatus vom 19. Juni 1951 (BGBl II 1961, 1190) - keine Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht, sondern eine den Regelungen in § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vergleichbare Steuerbefreiung. Wegen der unmittelbaren Geltung des Abkommens als nationalen Rechts bedurfte es keiner Aufnahme in die letztgenannte Vorschrift (vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 3 EStG Anm. 36).

2. Der Auslegung des Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates durch das FG, derzufolge die in dieser Vorschrift enthaltene Steuerfreiheit auch für tageweise beschäftigte Dolmetscher gilt, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

a) Die Steuerfreiheit erhalten gemäß der deutschen Übersetzung "Beamte". Maßgeblich für die Auslegung ist jedoch die Originalfassung des Abkommens in englischer und französischer Sprache. Das ergibt sich aus Art. 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 - WÜRV - (BGBl II 1985, 926), dessen Bestimmungen auf Verträge, die vor seiner Ratifizierung abgeschlossen worden sind, jedenfalls als Völkergewohnheitsrecht anzuwenden sind. In englischer Sprache sind als Subjekte der Steuerbefreiung "officials" genannt, in französischer Sprache "agents".

Gemäß Art. 31 WÜRV sind völkerrechtliche Verträge nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zweckes auszulegen.

Die Begriffe "officials" und "agents" umfassen in der ihnen im hier maßgeblichen Zusammenhang zukommenden gewöhnlichen Bedeutung nicht die tageweise beschäftigten Dolmetscher.

b) Der Kläger beruft sich in erster Linie auf die Bedeutung des französischen Begriffs "agent". Dieser Begriff wird - worauf er zu Recht hinweist - in mehrfacher Weise gebraucht. So wird insbesondere im Handelsrecht der Handelsvertreter oder Makler als "agent" bezeichnet. Soweit der Begriff im öffentlichen Recht verwendet wird, bezeichnet er jedoch durchweg einen Beamten oder öffentlichen Angestellten (vgl. etwa Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Französisch/Deutsch, München 1997; Potonier, Dictionaire de l'economie, du droit et du commerce/Wörterbuch für Wirtschaft, Recht und Handel, Französisch/Deutsch, Wiesbaden 1990). Es gibt daher im hier interessierenden Zusammenhang keinen Anhaltspunkt dafür, daß unter "agent" auch ein tageweise beschäftigter Dolmetscher zu verstehen wäre.

Allerdings hat das Tribunal administratif Versailles in seinem Urteil vom 10. Mai 1994 no 87-2766, le ch., Missirliu) im Falle eines in Frankreich ansässigen Dolmetschers offenbar eine derartige Auslegung des Begriffs "agent" für möglich gehalten. Es hat dies daraus hergeleitet, daß die die Bediensteten des Europarates betreffende Befreiungsvorschrift - wie die der Europäischen Gemeinschaften (EG) im Gegensatz zu der der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) - nicht auf Beamte (fonctionaires) beschränkt sei, sondern sich auf alle "agents" einschließlich der "agents temporaires" erstrecke. Zu der Frage, ob und ggf. weshalb auch tageweise beschäftigte Dolmetscher den "agents temporaires" zuzurechnen sind, hat es sich allerdings nicht geäußert.

c) Mag die Auslegung des französischen Begriffs "agent" nicht ganz eindeutig sein, so kann doch das englische Wort "official" nur dahingehend verstanden werden, daß es tageweise beschäftigte Personen nicht mitumfaßt. "Official" ist Black's Law Dictionary (St. Paul, Minn., 1979) zufolge "a person invested with the authority of an office". Eine ähnliche Definition findet sich in Oxford advanced Learners Dictionary of current English (Berlin 1982): "person holding public office (eg in national or local government)". Die mit "official" bezeichneten Personen haben daher begriffsnotwendigerweise ein öffentliches Amt inne. Das setzt eine gewisse Dauer der Beschäftigung voraus.

Nach Art. 33 Abs. 3 WÜRV wird vermutet, daß die Ausdrücke des Vertrages in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben. Daraus folgt, daß ein mehrdeutiger Begriff der einen Sprache im Sinne des eindeutigen Begriffs der anderen Sprache zu definieren ist (vgl. auch Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 6. Aufl., Köln 1996, Rdnr. 1617: "kleinster gemeinsamer Nenner").

d) Zur Auslegung internationaler Verträge können auch die Bestimmungen anderer internationaler Verträge herangezogen werden (Wenckstern, Die Immunität internationaler Organisationen, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts Band II/1, Rdnr. 114). Hier kommt insbesondere ein Vergleich mit dem Verständnis der Begriffe "agent" und official" im Rahmen der Vorrechte und Befreiungen für die Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Betracht. Diese Befreiungen gelten gemäß Kapitel V (Art. 12 ff.) des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (BGBl II 1965, 1482, 1486) für "Beamte und sonstige Bedienstete" - auf Französisch "fonctionaires et autres agents". Dieses Begriffspaar wird ebenfalls verwendet im Statut - Verordnungen und Regelungen für die Beamten und sonstigen Bediensteten bei den Europäischen Gemeinschaften (1978 - im folgenden zitiert nach Kitschenberg u. a., Das Dienstrecht der Internationalen Organisationen/The Service Regulations of International Organizations, Deutsch/Englisch, Köln, 1982). Seine englische Entsprechung lautet "officials and other servants". Der Begriff der "sonstigen Bediensteten" ("autres agents", "other servants") wird im EG-Statut unterteilt in Bedienstete auf Zeit, Hilfskräfte, örtliche Bedienstete und Sonderberater). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat indessen - worauf das BMF zutreffend hinweist - entschieden, daß tageweise beschäftigte Dolmetscher unter keine dieser Kategorien fallen (Urteil vom 11. Juli 1985 Rechtssache 43/84, Maag/Kommission, EuGHE 1985 IV S. 2581 ff.). Es trifft zwar zu, daß diese zur Zuständigkeit des EuGH gemäß Art. 179 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) ergangene Entscheidung auf den Bestimmungen des Dienstrechtes der EG beruht, das - den Bekundungen des Generalsekretärs zufolge - mit dem des Europarates nicht identisch ist. Der EuGH hat jedoch zu erkennen gegeben, daß die tageweise beschäftigten Dolmetscher nicht von den für EG-Bedienstete geltenden Steuerbefreiungen profitieren. Eine solche Schlußfolgerung wäre nicht möglich gewesen, wenn dieser Personenkreis den "sonstigen Bediensteten" ("autres agents") i. S. der Art. 12 ff. des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (a. a. O.) zuzurechnen wäre. Unabhängig von Unterschieden in den Dienstrechten der beiden Organisationen läßt das EuGH-Urteil einen Rückschluß auf die Bedeutung der Begriffe "agent" und "official" im Zusammenhang mit Vorrechten und Befreiungen für Bedienstete europäischer internationaler Organisationen zu.

3. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verfügung des Generalsekretärs des Europarates Nr. 203 vom 18. Januar 1954. In Art. 1 dieser Verfügung heißt es gestützt auf Art. 17 und 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates, daß die Bestimmungen des Art. 18 Buchst. a und b des Abkommens auf alle ständigen Bediensteten und auf alle Bediensteten auf Zeit des Europarates Anwendung fänden ("Les dispositions de l'article 18 de l'Accord General sur les Privileges et Immunites, paragraphes a) et b), s'appliquent a tous les agents permanents et a tous les agents temporaires du Conseil de l'Europe").

a) Diese Verfügung ist aufgrund des Art. 17 des Abkommens ergangen, mit dem - entsprechend einer weit verbreiteten Praxis - die Befugnis zur Bestimmung des Personenkreises, der die vertraglich vereinbarten Vorrechte und Befreiungen genießt, der jeweiligen internationalen Organisation übertragen wird (Wenckstern, a. a. O., Rdnr. 529). Sie gehört ebenfalls dem Völkerrecht an (vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, a. a. O., Rdnr. 1601; E. Klein in Vitzthum, Völkerrecht, Berlin, New York 1997, S. 321). Da sie die vertragliche Vorgabe konkretisiert, ist sie ebenfalls dem Völkervertragsrecht zuzuordnen (Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990, § 19 Rdnr. 21). Als Völkervertragsrecht ist sie Bestandteil des Bundesrechts. Ihre Auslegung durch das FG ist daher revisibel.

Wenn in der Verfügung des Generalsekretärs Nr. 203 vom 18. Januar 1954 bestimmt ist, daß die Vorrechte und Befreiungen des Europarates des Art. 18 Buchst. a und b des Abkommens auch auf die Bediensteten auf Zeit des Europarats Anwendung finden, so folgt daraus nicht, daß auch die tageweise beschäftigten Personen hierunter fallen. Dagegen, daß sie notwendigerweise einzubeziehen wären, spricht die Definition der nämlichen Begriffe in den vergleichbaren Vorschriften des EG-Rechts (s. o. unter 1. c). Dagegen, daß eine derartige Auslegung wenn nicht zwingend, so doch möglich wäre, spricht die Verwendung des englischen Begriffs "official" im Abkommenstext (s. o. unter 1. b).

b) Die dem Kläger vom Chef der Personalabteilung des Europarates erteilte Bescheinigung über seine Steuerbefreiung stellt keine Verfügung i. S. des Art. 17 des Abkommens dar. Insbesondere handelt es sich nicht - wie in Art. 17 des Abkommens vorgesehen - um eine abstrakt generelle Regelung, durch die die Gruppen der betroffenen Beamten bestimmt werden.

4. Ein anderes Ergebnis folgt schließlich auch nicht aus Ziel und Zweck der Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Nach Art. 19 des Abkommens werden die Vorrechte und Erleichterungen den Bediensteten im Interesse des Rates und nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt. Der Sinn der steuerlichen Privilegien der Bediensteten internationaler Organisationen besteht zum einen darin, zu vermeiden, daß dem steuerberechtigten Staat durch die Besteuerung ein Druckmittel gegen die betroffenen Personen und damit auch gegen die Organisation in die Hand gegeben werden könnte. Zum anderen hat die Steuerbefreiung das Ziel, unterschiedliche Besteuerung der Gehälter je nach steuerberechtigtem Staat und damit unterschiedliche Nettolöhne der Bediensteten zu vermeiden (Seidl-Hohenveldern/Loibl, a. a. O., Rdnr. 1927). Dagegen ist es nicht Ziel und Zweck der Steuerbefreiung, der Internationalen Organisation im Hinblick auf das Fehlen einer Abgabenbelastung die Zahlung niedriger Bruttovergütungen zu ermöglichen. Das folgt daraus, daß nach allgemeiner - auch vom Europarat geteilter - Auffassung sog. Ortskräfte, die gegen Stundenlohn beschäftigt werden, von den steuerlichen Privilegien ausgenommen sind (Wenckstern, a. a. O., Rdnr. 529, Fn. 1088).

Die beiden als Gründe für die steuerliche Privilegierung genannten Gesichtspunkte sind bei tageweise beschäftigten Dolmetschern internationaler Organisationen nicht stark ausgeprägt. Zum einen ist die Gefahr einer unzulässigen Einflußnahme des steuerberechtigten Staates auf den Steuerpflichtigen und damit mittelbar auf die auftraggebende Organisation um so geringer, je lockerer seine vertragliche Beziehung zu dieser Organisation ist. Zum anderen ist bei einer Person, die infolge ihrer nur tageweisen Beschäftigung nicht ständig mit den anderen Mitarbeitern der Organisation zusammenarbeitet, der Gesichtspunkt, daß eine unterschiedliche Besteuerung den sozialen Frieden zwischen den Beschäftigten stören könnte, zu vernachlässigen. Das gilt unabhängig davon, ob die tageweise beschäftigten Dolmetscher nach dem Dienstrecht des Europarates oder auch nach deutschem Steuerrecht als Arbeitnehmer oder als Selbständige anzusehen sind. Betrachtet man den Sinn und Zweck der steuerlichen Privilegien der Beschäftigten internationaler Organisationen, so ist jedenfalls die Ähnlichkeit mit einem Selbständigen nicht von der Hand zu weisen. Bei Selbständigen, die für eine Internationale Organisation gelegentlich tätig werden, liegt es jedoch auf der Hand, daß sie unterschiedlich besteuert werden, wenn verschiedene Staaten ihre Vergütungen besteuern.

5. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.

Das FG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob die Vergütungen, die der Kläger vom Europarat bezogen hat, zu Einkünften aus selbständiger oder zu solchen aus nichtselbständiger Arbeit führen.

Selbständig ist, wer auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303). Nichtselbständig ist dagegen, wer in der Betätigung des geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -). Maßgeblich für die Beurteilung ist das Gesamtbild der Verhältnisse (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493). In der Entscheidung in BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493 findet sich eine Aufstellung der Merkmale, die für oder gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit sprechen können. Diese auf die Einkünfte einer Opernsängerin bezogenen Kriterien können - mutatis mutandis - auch bei der Beurteilung der Tätigkeit eines tageweise beschäftigten Dolmetschers herangezogen werden. Dem Urteil läßt sich auch entnehmen, daß die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Auftraggeber kein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer nichtselbständigen Tätigkeit ist.

Die Gesamtwürdigung der Umstände obliegt in erster Linie dem FG (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 29/68, BFHE 94, 189, BStBl II 1969, 103). Daher kann der Senat nicht durcherkennen, ohne den Beteiligten die Tatsacheninstanz zu nehmen.