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  BFH-Urteil vom 6.8.1998 (IV R 67/97) BStBl. 1999 II S. 14

1. Auch wenn ein Steuerpflichtiger sein Milchvieh mit den alten Durchschnittswerten der Finanzverwaltung in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1994 angesetzt hat, ist es nicht möglich, es auch in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 mit diesen Werten zu bewerten.

2. Die Gerichte können ihren Entscheidungen den von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 22. Februar 1995, BStBl I 1995, 179) neu festgesetzten Gruppenwert von 1.350 DM für eine Milchkuh als eine der Vereinfachung dienende Regelung zugrunde legen.

3. Hat ein Landwirt sein Vieh beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zum Bestandsvergleich noch mit den zu niedrigen alten Durchschnittswerten ansetzen müssen, kann er diese Bewertung für das noch vorhandene Vieh in einem späteren Wirtschaftsjahr erfolgsneutral korrigieren.

4. Gebietet die Fehlerursache eine erfolgsneutrale "Gewinn" berichtigung, so ist sie innerhalb der Steuerbilanz erfolgswirksam auszuweisen und außerhalb derselben nach Einlagegrundsätzen wieder zu neutralisieren.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 13, § 13a; HGB § 240 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1998, 863)

Sachverhalt

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betreiben eine Landwirtschaft, und zwar die Milchviehhaltung. Ihren Gewinn hatten sie bis einschließlich des Wirtschaftsjahres 1988/89 gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt und danach durch Bestandsvergleich. In der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1989 setzten sie das vorhandene Vieh (74 Stück Rindvieh und 4 Schweine) mit den im Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 17. Mai 1967 (BStBl II 1967, 252) vorgesehenen Werten an. Von den in dieser Übergangsbilanz erfaßten Tieren waren am 1. Juli 1994 noch 14 Stück (Nr. 1 bis 14 der Liste) als Milchkühe im Betrieb vorhanden, und zwar drei bereits als Milchkühe ausgewiesen, die restlichen 11 dagegen als Rinder bzw. Kälber. In der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 setzten die Kläger die am Bilanzstichtag vorhandenen Tiere (73 Stück Rindvieh) mit den in der Anlage 1 zum Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Februar 1995 IV B 4 - S 2230 - 3/95 (BStBl I 1995, 179, 181) vorgesehenen "Gruppenwerten" an und bildeten gleichzeitig eine Rücklage gemäß der Übergangsregelung. Für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 ergab sich auf diese Weise ein Gewinn in Höhe von 22.377 DM.

Im Einkommensteuerbescheid 1994 erfaßte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erklärungsgemäß die Hälfte des für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 ermittelten Gewinns. Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, zum 30. Juni 1995 die alten Durchschnittswerte anzusetzen und die gebildete Rücklage wieder aufzulösen. Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, nach den Urteilen des erkennenden Senats vom 4. Juni 1992 IV R 101/90 (BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276) und vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91 (BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284) könne der Tierbestand nur nach den Regeln der Gruppenbewertung (§ 240 Abs. 4 des Handelsgesetzbuches - HGB -) mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Die bisherigen Werte seien zu niedrig gewesen. Daher seien entsprechend der neuen Regelung im BMF-Schreiben vom 22. Februar 1995 die dort angegebenen Werte erfolgswirksam anzusetzen.

Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 863 veröffentlichten Entscheidung u. a. aus, eine Erhöhung der Wertansätze könne entsprechend dem Begehren der Kläger in der Anfangsbilanz für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 jedoch nur für die 14 Tiere erfolgen, die schon in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1989 erfaßt gewesen seien.

Die Werte für die Tiere Nr. 1 bis 3 seien jeweils um 450 DM, die Tiere Nr. 4 bis 8 um jeweils 500 DM, die Tiere Nr. 9 bis 12 um jeweils 400 DM und die Tiere Nr. 13 und 14 um jeweils 210 DM aufzustocken. In der Summe ergebe sich damit eine Erhöhung des Aktivvermögens um 5.870 DM in der Anfangsbilanz zum 1. Juli 1994. Durch die notwendige Kürzung der gebildeten Rücklage vermindere sich der Gewinn lediglich um 587 DM.

Das FG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sowohl das FA als auch die Kläger haben Revision eingelegt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkommensteuer 1994 unter Berücksichtigung eines Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von ... DM festzusetzen, hilfsweise, die früheren Durchschnittswerte in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 zuzulassen.

Das FA beantragt, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Die Kläger sind der Revision des FA entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger und des FA sind unbegründet. Sie waren deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Steuerrechtlich gesehen besteht keine Möglichkeit, die von den Klägern auf den 1. Juli 1994 aufgestellte Anfangsbilanz zu berichtigen.

a) Nach § 4 Abs. 1 EStG ist der Gewinn der Kläger für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 in zwei Stufen zu ermitteln. Auf der ersten Stufe ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen (= Eigenkapital) zum 30. Juni 1995 (Schluß des Wirtschaftsjahres) und dem Betriebsvermögen (= Eigenkapital) zum 30. Juni 1994 (Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres) zu bilden. Auf einer zweiten Stufe sind dem Unterschiedsbetrag Entnahmen hinzuzurechnen und Einlagen von ihm abzusetzen. So gesehen ist die von den Klägern zum 1. Juli 1994 aufgestellte Anfangsbilanz für die Ermittlung des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1994/1995 steuerrechtlich ohne Bedeutung.

b) Allerdings fehlt es an einem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, wenn ein Unternehmen neu gegründet wird und sein Gewinn für das erste Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist. Ähnlich fehlt es an einem festgestellten Betriebsvermögen zum Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, wenn ein Unternehmen seine Gewinnermittlung von einer solchen nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) auf eine solche durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) umstellt und der Gewinn für das erste Wirtschaftsjahr nach der Umstellung zu ermitteln ist. In diesen Fällen muß dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 1 EStG entsprechend auf das Betriebsvermögen lt. Eröffnungs- oder Übergangsbilanz abgestellt werden, die zum Anfang des im Einzelfall maßgebenden Wirtschaftsjahres aufzustellen ist. Selbst wenn man mit Rücksicht darauf die steuerliche Relevanz einer Anfangsbilanz anerkennt, würde dies im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Kläger betrieben die hier interessierende Landwirtschaft schon in der Zeit vor dem 1. Juli 1994. Sie stellten ihre Gewinnermittlung schon zum 1. Juli 1989 und nicht erst zum 1. Juli 1994 auf eine solche durch Bestandsvergleich um. Ihre zum 1. Juli 1994 aufgestellte Anfangsbilanz müßte wegen des Prinzips der Bilanzidentität (Doppelfunktion oder Zweischneidigkeit der Jahresbilanz) mit der zum 30. Juni 1994 aufgestellten Schlußbilanz übereinstimmen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1998 I R 150/94, BFHE 185, 565, BStBl II 1998, 503, m. w. N.; Thiel, Bilanzrecht, 4. Aufl., Rdnr. 259). Eine nur in der Anfangsbilanz vorgenommene Bilanzberichtigung ist steuerlich nicht anzuerkennen.

2. Die von den Klägern zum 30. Juni 1995 aufgestellte und beim FA eingereichte Schlußbilanz für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 ist nicht fehlerhaft. Die dort angesetzten Werte sind ausnahmslos steuerlich zutreffend.

a) Da die Kläger den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 durch Bestandsvergleich ermittelten (§ 4 Abs. 1 EStG), mußten sie nach dem Grundsatz der Einzelbewertung in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 jedes zu ihrem Anlagevermögen gehörende Tier mit den diesem zurechenbaren Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit seinem niedrigeren Teilwert bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1, 2 und 4 EStG). Sie durften aber auch die Tiere in Gruppen zusammenfassen und jede Gruppe mit ihrem gewogenen Durchschnitt bewerten, soweit es sich um annähernd gleichwertige Tiere handelt (§ 141 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB). Im Hinblick auf die schwierige Ermittlung der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten hat der erkennende Senat es zugelassen, daß die buchführenden Land- und Forstwirte ihre Durchschnittsbewertung an die in entsprechenden Musterbetrieben ermittelten Beträge anlehnen oder auf die von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Durchschnittswerte zurückgreifen (vgl. Urteile vom 8. August 1991 IV R 56/90, BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272; in BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276; in BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284; vom 16. Juni 1994 IV R 84/93, BFHE 175, 343, BStBl II 1994, 932). Dabei ist der Senat allerdings davon ausgegangen, daß die ursprünglich von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Durchschnittswerte deutlich zu niedrig und in diesem Sinne rechtswidrig waren (vgl. dazu das Senatsurteil vom 5. Dezember 1996 IV R 81/95, BFH/NV 1997, 394).

b) Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Sie unterscheidet im BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 179 einerseits zwischen der Einzelbewertung aufgrund betriebsindividueller Wertermittlung, Werten aus vergleichbaren Musterbetrieben sowie Richtwerten (vgl. BMF in BStBl I 1995, 179, Tz. 10 ff.) und andererseits der Gruppenbewertung. Im letzteren Fall werden die vorhandenen Tiere nach Tierarten und Altersklassen in Gruppen zusammengefaßt und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt, der alternativ nach den o.g. Berechnungsmethoden zu ermitteln ist. Die insoweit im Streitfall interessierenden und aus der Anlage 1 (Spalte 4) zum BMF-Schreiben ersichtlichen Richtwerte beruhen auf der typisierenden Annahme, daß Milchkühe eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von drei Jahren haben und daß ihr Schlachtwert 1.100 DM beträgt. Der Gruppenwert ist das arithmetische Mittel zwischen den geschätzten ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten und dem geschätzten Schlachtwert. Der (neue) Gruppenwert für Milchkühe (1.350 DM) setzt bei Anschaffungs- und Herstellungskosten von 1.600 DM voraus, daß sich der Milchviehbestand gleichmäßig aus allen Altersgruppen zusammensetzt (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 179, Tz. 27 f.; dazu kritisch Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 6 EStG Anm. 732).

c) Im Streitfall hatten die Kläger in der Bilanz zum 30. Juni 1995 ursprünglich selbst ihren Viehbestand mit den aus Spalte 4 ersichtlichen Richtwerten angesetzt, jedoch den dadurch realisierten Umstellungsgewinn durch die im BMF-Schreiben (in BStBl I 1995, 179, Tz. 33 f.) aus Billigkeitsgründen zugelassene Rücklage gemildert. Diese Bewertung war steuerrechtlich möglich. Der gewählte Bilanzansatz war deshalb zutreffend. Für eine nachträgliche Berichtigung der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 ist kein Raum. Die Werte, deren Ansatz die Kläger nachträglich begehren, sind nicht von § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG gedeckt. Insbesondere hat das FA das nachträgliche Begehren der Kläger, den nach dem Übergang zum Bestandsvergleich neu angeschafften oder hergestellten Viehbestand mit den alten Durchschnittswerten anzusetzen, zu Recht abgelehnt. Diese sind unzutreffend niedrig (vgl. BFH in BFH/NV 1997, 394). Ihr Ansatz entspricht damit nicht den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG festgelegten Bewertungsgrundsätzen. Deshalb scheidet auch eine Bilanzänderung aus.

d) Die Kläger können auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die neuen Gruppenwerte seien zu hoch. Es handelt sich um Schätzungen, die auf der Datensammlung und den Berechnungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) beruhen (vgl. Hiller, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1995, 161 ff.). Sie gelten sowohl für kleinere Familienbetriebe als auch für Großbetriebe mit großen Tierbeständen, die ihre Arbeitskräfte entlohnen. Daß sie im Fall der Kläger zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis führen, ist trotz des Hinweises auf die gefallenen Futterkosten nicht ersichtlich. Soweit die Kläger meinen, tatsächlich sei ein entsprechend hoher Gewinn in der Zeit zwischen Erstellung der Anfangs- und der Schlußbilanz nicht entstanden, lassen sie außer acht, daß die höhere Bewertung ihrer nach dem Übergang zum Bestandsvergleich angeschafften und hergestellten Tiere in der Bilanz zum 30. Juni 1995 infolge der Anpassung der Richtwerte keinen tatsächlichen Wertzuwachs in eben dieser Höhe und Zeit, sondern die zusammengeballte Korrektur der zu niedrigen Bilanzansätze in der Vergangenheit bedeutet.

e) Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt der Ansatz ihres Viehs mit den neuen Gruppenwerten in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 auch nicht gegen den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Zwar wird dieses vereinfachte Verfahren zur Bewertung gleichartiger Vermögensgegenstände (§ 240 Abs. 4 HGB) vom Stetigkeitsgrundsatz erfaßt (Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 6 Anm. 62), so daß grundsätzlich die gewählte Bewertungsmethode sowie das Wertermittlungsverfahren für die jeweilige Tiergruppe beizubehalten sind (Senatsurteil in BFH/NV 1997, 394). Um eine diesbezügliche Änderung geht es aber hier nicht. Denn die alten, von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Durchschnittswerte stellten bereits eine Gruppenbewertung i. S. des § 240 Abs. 4 HGB dar (Senatsurteile in BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276, und in BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284). Die Bewertungsmethode hat sich daher nicht geändert. Nur die Ergebnisse der Bewertungsmethode waren sachlich falsch. Die Kläger haben das offenbar ursprünglich selbst so gesehen und in der Bilanz zum 30. Juni 1995 die neuen Richtwerte angesetzt. Sie verkennen, daß sie für die von ihnen gewählte Methode der Bewertung nur noch auf die von der Finanzverwaltung vorgehaltenen, aktualisierten Gruppenwerte zurückgreifen können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen von Kanzler (Finanz-Rundschau - FR - 1988, 593 ff., 600) zur Möglichkeit der Bilanzberichtigung nicht angesetzter geringwertiger Wirtschaftsgüter in der Übergangsbilanz. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1997, 394 ausgeführt hat, ist ein Landwirt jedenfalls durch den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nicht gehindert, für die nach dem Übergang zum Bestandsvergleich neu angeschafften oder hergestellten Tiere von § 6 Abs. 2 EStG Gebrauch zu machen. Zu Recht hat deshalb das FG in dem angefochtenen Urteil darauf abgestellt, daß die Kläger weder die vor noch die nach dem Stichtag 1. Juli 1989 von ihnen angeschafften oder hergestellten Tiere mit den alten Durchschnittswerten in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 ansetzen konnten.

f) Der Senat hält daran fest, daß der Schlachtwert von Milchkühen bei der Bemessung der Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigen ist. Anders als in dem von den Klägern angeführten Senatsurteil vom 22. Juli 1971 IV R 74/66 (BFHE 103, 63, BStBl II 1971, 800), in dem es um die Berücksichtigung eines 3.600 DM hohen Schrottwerts eines ursprünglich mit 93.735 DM gebuchten Motorschleppers ging, fällt der Schlachterlös für eine ausgemusterte Milchkuh gemessen an den ursprünglichen Anschaffungskosten erheblich ins Gewicht. Wie hoch die Lebensleistung einer Milchkuh ist, spielt dagegen keine Rolle. Es liegt auf der Hand, daß der im BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 179 angenommene Schlachtwert in Höhe von 1.100 DM angesichts von Herstellungskosten in Höhe von 1.800 DM nicht als unerheblich vernachlässigt werden kann. Das gilt unabhängig davon, wie hoch der Schlachtwert einer einzelnen Kuh im Einzelfall tatsächlich sein mag und ob die von den Klägern genannten Werte von 400 DM bis 500 DM für besonders ausgelaugte, weil leistungsfähige Milchkühe zutreffen mögen. Denn selbst diese scheiden bestimmungsgemäß als Schlachtvieh aus dem Betrieb aus. Kein Landwirt würde auf die daraus resultierenden Erlöse verzichten. Zuchttiere sind zwar Anlagevermögen, behalten aber zugleich ihren Wert als mögliches Umlaufvermögen. Ohnehin steht bei weiblichen Rindern erst mit der Geburt des ersten Kalbes endgültig fest, ob sie sich als Milchvieh eignen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 72/86, BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244; s. auch Urteil vom 15. Mai 1997 III R 143/93, BFHE 182, 470, BStBl II 1998, 575).

g) Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der vom FA übernommenen Bewertung nicht entgegen. Die Anhebung der von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Werte durch die nach der Übergangsregelung gebildete Rücklage in Höhe von neun Zehnteln des Differenzbetrages zur bisher zulässigen Viehdurchschnittsbewertung ist so abgemildert, daß sie praktisch kaum mehr ins Gewicht fällt. Denn die Rücklage ist zwar in den folgenden Jahren mindestens mit einem Neuntel gewinnerhöhend aufzulösen, kann aber über eine längere Zeit fortgeführt werden, als die typische Nutzung der von den Klägern gehaltenen Tiere dauert. Für die spätere Gewinnrealisierung ist u. a. zu berücksichtigen, daß inzwischen der Grundfreibetrag erheblich erhöht worden ist. Im übrigen übersehen die Kläger, daß sie nicht gezwungen waren, ihren Viehbestand mit den von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Richtwerten anzusetzen. Sie hätten ihre Tiere z. B. einzeln bewerten oder sich an die in vergleichbaren Musterbetrieben ermittelten Werte anlehnen können.

3. Aus den Ausführungen zu 2. folgt zunächst nur, daß der sog. Unterschiedsbetrag i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG vom FA für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 zutreffend ermittelt wurde. Das FA hat allerdings unberücksichtigt gelassen, daß von dem Unterschiedsbetrag auf einer zweiten Stufe der Gewinnermittlung Einlagen abzuziehen sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1989 für das damals vorhandene Vieh nach dem Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg in BStBl II 1967, 252 angesetzten Werte zu niedrig waren. Wäre das damals vorhandene Vieh entsprechend der vom erkennenden Senat in BFH/NV 1997, 394 vertretenen Rechtsauffassung höher bewertet worden, so hätte sich für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 ein entsprechend niedrigerer Unterschiedsbetrag ergeben, soweit das damals vorhandene Vieh entweder am 30. Juni 1995 noch vorhanden war und nunmehr höher bewertet oder im Wirtschaftsjahr 1994/1995 verkauft wurde. Die entsprechende Höherbewertung hätte sich zum 1. Juli 1989 gewinnermittlungsmäßig wie eine erfolgsneutrale Einlage in das Betriebsvermögen der Kläger ausgewirkt. Nur soweit die damals unterlassene Höherbewertung innerhalb der Unterschiedsbetragsermittlung für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 "nachgeholt" wird, ist es gerechtfertigt, den sich ergebenden höheren Unterschiedsbetrag auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung um eine "Quasi-Einlage" zu mindern. Dies entspricht der Tatsache, daß die Rechtsprechung der Ermittlung des zutreffenden Totalgewinns stets Vorrang vor der des zutreffenden Periodengewinns eingeräumt hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443, m. w. N.). Führt dagegen die Höherbewertung innerhalb der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 nur zu einem "Gewinn", der bei richtiger Bewertung schon früher hätte erfaßt werden müssen, so besteht für die Minderung des Unterschiedsbetrages um eine "Quasi-Einlage" kein Anlaß. Letzteres gilt z. B. für Tiere, die nach dem 1. Juli 1989 erworben und in den anschließend aufgestellten Bilanzen mit einem zu niedrigen Wert ausgewiesen wurden. Der Senat folgt damit nicht der Auffassung von Heinicke, der für eine Fehlerberichtigung in der Anfangsbilanz unter Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität eintritt (in Schmidt, a. a. O., § 4 Rz. 713). Er folgt der von Woerner (in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1976, 623, 626) vertretenen Auffassung, wonach die Bilanzberichtigung stets unter Berücksichtigung der Fehlerursache vorgenommen werden muß. Gebietet die Fehlerursache eine erfolgsneutrale "Gewinn" berichtigung, so ist sie innerhalb der Steuerbilanz erfolgswirksam auszuweisen und außerhalb derselben nach Einlagegrundsätzen wieder zu neutralisieren. Soweit die Fehlerursache die Unterschiedsbeträge vergangener Wirtschaftsjahre erhöht haben sollte, besteht keine Möglichkeit, einen in der Vergangenheit unterlaufenen Fehler im Wirtschaftsjahr 1994/1995 nachträglich zu korrigieren.

4. Eine erweiterte erfolgsneutrale Gewinnkorrekturmöglichkeit folgt nicht aus der von den Klägern vertretenen sog. "Surrogatsbetrachtung". Die Kläger sind der Meinung, die zum 30. Juni 1995 zu bewertende Milchviehherde sei als Wirtschaftsgut mit der Herde identisch ("Surrogat"), die sie bereits in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1989 mit den alten Durchschnittswerten angesetzt hätten. Die Herde der Kläger ist in diesem Sinne kein einheitliches Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 1981 I R 148/78, BFHE 134, 107, BStBl II 1982, 246). Zwar war die Erfassung des Viehbestandes mittels der alten Durchschnittswerte - eine zulässige und heute in § 240 Abs. 4 HGB geregelte Gruppenbewertung (vgl. § 40 Abs. 4 Nr. 1 HGB a. F.) - eine Ausnahme vom Grundsatz der Einzelbewertung. Das ändert aber nichts daran, daß eine Vielzahl unterschiedlicher Wirtschaftsgüter bewertet wurde. Die Wirtschaftsgüter wurden lediglich aus Gründen der Praktikabilität zu einer Gruppe zusammengefaßt und mit dem gewogenen Durchschnitt aller einzelnen Gegenstände bewertet. Schon bei der Einführung der Durchschnittsbewertung stellte der Reichsminister der Finanzen klar, daß die Gruppenbewertung nur anstelle der überaus schwierigen, grundsätzlich aber notwendigen Einzelbewertung der einzelnen Tiere trete (vgl. Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 5. September 1925 IIIe 5200, RStBl 1925, 184, 187).

5. Bei dieser Rechtslage geht das FA zwar zu Recht von der Auffassung aus, daß die zum 30. Juni 1995 noch vorhandenen und bereits in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1989 erfaßten 14 Tiere in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1995 mit dem neuen Gruppenwert von 1.350 DM je Tier zu bewerten waren. Das gilt sowohl für die 3 Tiere, die damals bereits Milchkühe waren, als auch für die 11 jungen Tiere, die am 1. Juli 1989 als Rinder und Kälber bewertet wurden. Die sich daraus ergebende Unterschiedsbetragserhöhung ist jedoch nach den Einlagegrundsätzen zu neutralisieren. Das FG hat deshalb im Ergebnis zutreffend nur die sich aus dieser Nachholung der richtigen Bewertung ergebende Erhöhung des Unterschiedsbetrages erfolgsneutral behandelt. Soweit das FA hinsichtlich der Berücksichtigung der gebildeten Rücklage meint, dem FG sei im Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit von Bescheiden die rechtliche Beurteilung von Billigkeitsmaßnahmen verwehrt, übersieht es, daß das FG lediglich die vom FA bereits gewährte Rücklage entsprechend der gewinneutralen Gewinnkorrektur anteilig aufgelöst hat.

6. Die Vorentscheidung ist deshalb im Ergebnis zutreffend. Sie verletzt kein Bundesrecht. Deshalb waren sowohl die Revision der Kläger als auch die des FA zurückzuweisen.