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  BFH-Urteil vom 8.9.1998 (IX R 75/95) BStBl. 1999 II S. 20

Hat der Steuerpflichtige ein zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmtes Gebäude geplant, aber nicht errichtet, und muß er deshalb an den Architekten ein gesondertes Honorar für Bauüberwachung und Objektbetreuung zahlen, ohne daß der Architekt solche Leistungen tatsächlich erbracht hat, gehören diese Aufwendungen nicht zu den Herstellungskosten eines später errichteten anderen Gebäudes, sondern sind als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1, § 21; HGB § 255 Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben 1980 ein unbebautes Grundstück und schlossen einen Architektenvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung auf diesem Grundstück. Dieses Haus wurde jedoch nicht gebaut. Statt dessen errichteten sie 1982 ein sog. "Typenhaus", für das - wie sie vortragen - keine gesonderten Architektenleistungen angefallen sind. Aufgrund des Architektenvertrags zahlten die Kläger einen Betrag von 52.881,51 DM, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß für 1981 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte. Im Streitjahr 1986 entrichteten sie einen weiteren Betrag von 12.189,82 DM, der auf einer gesonderten Vereinbarung vom Mai 1981 beruhte. Darin hatte sich der Kläger gegenüber den Architekten verpflichtet, aufgrund der vorzeitigen Auflösung des Architektenvertrags ein Honorar für die noch ausstehenden Leistungen, nämlich Bauüberwachung und Objektbetreuung, zu zahlen. Diesen Betrag machten der Kläger und seine Ehefrau für das Streitjahr 1986 erfolglos als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das FA rechnete dieses zusätzliche Architektenhonorar zu den Herstellungskosten des später errichteten anderen Gebäudes und erhöhte dementsprechend die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ordnete die strittigen Aufwendungen den Herstellungskosten des errichteten anderen Gebäudes zu, weil es sich bei dem geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude nicht um zwei nach Zweck und Bauart völlig verschiedene Bauwerke gehandelt habe. Zu den Herstellungskosten gehörten nicht nur das Honorar für bereits erbrachte Leistungen, sondern auch der für den Fall der vorzeitigen Kündigung geschuldete übrige Architektenlohn. Auch dieser Teil des Honorars entfalle auf die Inanspruchnahme der von den Architekten angebotenen Dienste.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1986 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 1995 dahin zu ändern, daß weitere Werbungskosten in Höhe von 11.669 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuer antragsgemäß herabzusetzen. Das FG hat das im Streitjahr geschuldete Honorar, das auf nicht erbrachte Architektenleistungen entfiel, zu Unrecht als Herstellungskosten des anderen Gebäudes beurteilt.

1. Herstellungskosten sind gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands entstehen. Diese handelsrechtliche Definition ist auch für den steuerrechtlichen Begriff der Herstellungskosten (§ 7 Abs. 4 und 5 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG) maßgebend (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 473, BStBl II 1990, 830). Nach der Regelung des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes alle Aufwendungen, die auf einer Herstellungsleistung für das Gebäude beruhen und die zum Verbrauch von Gütern oder zur Inanspruchnahme von Diensten geführt haben (Beschluß des Großen Senats in BFHE 160, 466, 472, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 1. b). Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechnen danach zu den Herstellungskosten nur Ausgaben für tatsächlich erbrachte Leistungen, die zum Bereich der Gebäudeherstellung gehören (Beschluß des Großen Senats in BFHE 160, 466, 477, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 1. c dd).

2. Die Kosten einer ursprünglichen, aber nicht verwirklichten Planung gehören zu den Herstellungskosten eines anderen Gebäudes, wenn sie bei gleichem Zweck und bei gleicher Bauart des geplanten und des später errichteten Bauwerks in dieses wertbestimmend eingegangen sind (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; vom 29. November 1983 VIII R 173/81, BFHE 140, 212, BStBl II 1984, 306). Dies setzt jedenfalls voraus, daß den Aufwendungen tatsächlich erbrachte Leistungen zugrunde liegen (Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 160, 466, 477, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 1. c dd).

3. Nach diesen Maßstäben sind die im Streitjahr 1986 geleisteten strittigen Aufwendungen nicht als Herstellungskosten, sondern als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen. Diesen Aufwendungen standen keine tatsächlich erbrachten Architektenleistungen gegenüber. Sie beruhten auf einer gesonderten Vereinbarung, mit der sich der Kläger aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Architektenvertrags zur Bezahlung nicht erbrachter Architektenleistungen verpflichtet hatte. Der Auffassung des FG, daß auch dieser Teil des Architektenhonorars gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB auf die Inanspruchnahme der von den Architekten angebotenen Dienste entfalle, kann allenfalls dann zu folgen sein, wenn ein einheitliches Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen gezahlt wird und eine Aufteilung nicht - auch nicht durch Schätzung - möglich ist. Umfassen hingegen die vergeblichen Aufwendungen - im Streitfall die Honorarkosten - eindeutig abgrenzbare Anteile, denen keine Leistungen gegenüberstehen, werden die Aufwendungen insoweit gerade nicht für die "Inanspruchnahme" von Diensten i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geleistet.

4. Da schon aufgrund der vorstehenden Rechtsgrundsätze die strittigen Aufwendungen nicht als Herstellungskosten, sondern als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen sind, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob das ursprünglich geplante und das später errichtete Gebäude zwei so verschiedene Bauwerke waren, daß die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des Gebäudes gedient hat. Mit Rücksicht auf den Klage- und Revisionsantrag, den der Senat nicht überschreiten darf, ist auch nicht darüber zu entscheiden, ob die im Jahr 1981 als Werbungskosten abgezogenen Architektenhonorare als Herstellungskosten zu beurteilen sind und für sie im Streitjahr AfA abzuziehen wäre.

5. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die strittigen Aufwendungen sind antragsgemäß als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. Die AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG ist entsprechend zu berichtigen.