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  BFH-Urteil vom 28.7.1998 (VIII R 23/95) BStBl. 1999 II S. 53

Wird ein zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehörendes Grundstück von einem ihrer Gesellschafter bebaut und nachfolgend erworben, bleibt der dadurch entstehende Ertrag nicht gemäß § 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11 EStG als Entnahmegewinn steuerfrei.

EStG §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1995, 627)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH & Co. KG - war Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks, das in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1986 mit einem Buchwert von 1.000 DM ausgewiesen war. Am 23. Juni 1988 wurde auf diesem Grundstück mit dem Bau eines Einfamilienhauses begonnen, das einer der beiden Geschäftsführer der GmbH und Kommanditisten der Klägerin nach seiner Fertigstellung für eigene Wohnzwecke nutzte. Mit notariellem Vertrag vom 14. November 1988 verkaufte ihm die Klägerin das Grundstück für 49.260 DM. Der Kaufpreis entsprach dem von einem Gutachter ermittelten Verkehrswert. Die Differenz zum Buchwert behandelte die Klägerin als außerordentlichen Ertrag.

Im Laufe einer 1992 durchgeführten Außenprüfung beantragte die Klägerin, den Ertrag aus dem Verkauf des Grundstücks nach § 52 Abs. 15 Sätze 10, 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfreien Entnahmegewinn zu behandeln. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber die Ansicht, daß diese Vorschrift auf Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft nicht anwendbar sei. Der Entnahmegewinn sei jedoch um 9.900 DM zu erhöhen, weil entgegen der Annahme des Gutachters Erschließungskosten nicht mehr zu erheben gewesen seien. Die Gewinnerhöhung ist unter den Beteiligten unstreitig. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1995, 627).

Mit der - vom FG zugelassenen - Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11 EStG).

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klägerin hat den durch den Verkauf des Grundstücks erzielten Ertrag als laufenden Gewinn aus der Veräußerung von Anlagevermögen zu versteuern (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG, § 247 Abs. 1, § 275 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs - HGB -).

1. Gemäß § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG bleibt ein Entnahmegewinn bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft u. a. dann außer Ansatz, wenn Grund und Boden nach dem 31. Dezember 1986 dadurch entnommen wird, daß auf ihm die Wohnung des Steuerpflichtigen errichtet wird. Hat das Grundstück im Veranlagungszeitraum 1986 zu einem gewerblichen oder einem der selbständigen Arbeit dienenden Betriebsvermögen gehört, so gilt diese Regelung sinngemäß (§ 52 Abs. 15 Satz 11 EStG).

Ob diese Steuerbefreiung auch in Anspruch genommen werden kann, wenn der Grund und Boden zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehört und von einem ihrer Gesellschafter bebaut wird, hat der Bundesfinanzhof (BFH) bisher noch nicht entschieden. Im Schrifttum wird die Frage unterschiedlich beantwortet (zum Streitstand vgl. u. a. Autenrieth, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1990, 95 f.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 15 Rz. 501; Wacker, Betriebs-Berater - BB -, Beilage 18/1995, 4). Der Senat kann sie im Streitfall offenlassen. Der Grund und Boden wurde bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Bebauungs- und Veräußerungsvorgangs nicht entnommen, sondern veräußert. Auf Veräußerungen ist § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG jedoch nicht anwendbar (s. zu 3.).

2. Der Grund und Boden wurde nicht entnommen, sondern veräußert.

a) Gehört ein Grundstück zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft, so kann es sowohl dadurch entnommen werden, daß die Gesellschaft es dauerhaft unentgeltlich an einen oder mehrere ihrer Gesellschafter zur Nutzung überläßt (Entnahme in das Privatvermögen der Gesellschaft, vgl. BFH-Urteile vom 30. Juni 1987 VIII R 353/82, BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418, und vom 21. September 1995 IV R 50/93, BFH/NV 1996, 460, m. w. N.), als auch dadurch, daß die Gesellschaft es auf einen oder auf mehrere ihrer Gesellschafter unentgeltlich überträgt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 39/94, BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276; Finanzverwaltung im sog. Mitunternehmererlaß in BStBl I 1978, 8 Rz. 42; Schmidt, a. a. O., § 15 Rz. 673, m. w. N.). Eine Entnahme liegt jedoch nicht vor, wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter das Grundstück verkauft; Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind ohne Rücksicht auf die Beteiligung des erwerbenden Gesellschafters am Gewinn der Gesellschaft der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie zu fremdüblichen Bedingungen geschlossen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C. III. 6. a cc der Gründe, m. w. N.).

b) Von einer solchen Veräußerung ist hier auszugehen.

Die Gesellschaft hat das Grundstück am 14. November 1988 an den Gesellschafter zum angenommenen Verkehrswert von 49.260 DM verkauft. Dieser Wert wurde von einem Gutachter ermittelt. Daß er um einen Betrag von 9.900 DM zu niedrig angesetzt war, beruhte ausschließlich auf der irrigen Annahme des Gutachters, es seien noch Erschließungskosten in dieser Höhe zu erheben. An der Beurteilung des Rechtsgeschäfts als eines zu fremdüblichen Bedingungen abgeschlossenen Veräußerungsgeschäfts ändert diese Unterbewertung nichts.

Es ist davon auszugehen, daß diese Veräußerung auch die Rechtsgrundlage für den Baubeginn war. Die - nicht näher begründete - Annahme des FG, daß diese Maßnahme auf eine Entnahme hinweise, ist zwar für den Regelfall zutreffend (vgl. u. a. BFH-Urteile in BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418, und in BFH/NV 1996, 460); sie ist jedoch im Streitfall nicht gerechtfertigt. Diese Annahme hätte vorausgesetzt, daß nach der übereinstimmenden Vorstellung aller Gesellschafter die Nutzung des Grundstücks dauerhaft unentgeltlich erfolgen sollte. Das wollten die Vertragsparteien aber ersichtlich nicht. Aus dem zeitlichen Zusammenhang von Bebauung und nachfolgender Veräußerung und der Behandlung des Vorgangs in der laufenden Buchführung der Gesellschaft ergibt sich vielmehr, daß die Bebauung in Erwartung der nachfolgenden Veräußerung des Grundstücks an den nutzenden Gesellschafter begonnen wurde. Es ist für die Beurteilung des Vorgangs ohne Bedeutung, daß die Klägerin Jahre später gegenüber dem FA darauf hingewiesen hat, es habe (nach ihrer Ansicht) eine Entnahme vorgelegen. Entscheidend ist, wie das Rechtsverhältnis im Streitjahr tatsächlich gestaltet wurde.

3. Die Veräußerung des Grundstücks kann auch für den Anwendungsbereich des § 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11 EStG einer Entnahme nicht gleichgestellt werden. Insbesondere forderte der mit dieser Vorschrift verfolgte Zweck eine solche Gleichstellung nicht.

Zweck der in Satz 10 getroffenen Regelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers (Stellungnahme des Finanzausschusses, BTDrucks 11/2536, S. 87) u. a. sein, "daß eine organische Weiterentwicklung der Agrarstruktur, z. B. durch Aussiedlung von Höfen aus einer engen Dorflage heraus, nicht steuerlich behindert wird". Bei der gebotenen objektiven Auslegung der Vorschrift ist jedoch ergänzend zu berücksichtigen, daß sie durch das Steuerreformgesetz 1990 (StRG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) in eine Übergangsregelung zum Wohnungseigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) aufgenommen wurde, weil ein Bedürfnis dafür bestand, die mit diesem Gesetz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe verbundenen Härten zu mildern, die sich daraus ergaben, daß bisher zum Betriebsvermögen gehörender Grund und Boden insoweit zwangsweise notwendiges Privatvermögen wurde, als er einer vom Betriebsinhaber selbst genutzten Wohnung zuzuordnen war (vgl. dazu u. a. Hiller, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1988, 516; Felsmann, Inf 1988, 558, 561). Diese Zwangsentnahme ergab sich als unmittelbare Rechtsfolge aus der Abschaffung der bisherigen Nutzungswertbesteuerung für selbstgenutzte Wohnungen durch das WohneigFG. Zu den mit diesem Gesetz bewirkten steuerrechtlichen Änderungen gehörte aber auch die Einfügung eines § 10e in das EStG, der die "Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus" neu und für alle Steuerpflichtigen einheitlich regelt.

§ 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11 EStG ergänzen diese Regelung. Nach § 10e Abs. 1 EStG gehört zur Bemessungsgrundlage der Steuerbegünstigung auch die Hälfte der Anschaffungskosten des Grund und Bodens, der der begünstigten Wohnung zuzurechnen ist. Bei der Entnahme des Grund und Bodens aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen entstehen aber sowohl nach der zu § 7b EStG (vgl. dazu näher Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 7b EStG Anm. 117, m. w. N.; Abschn. 64 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987) als auch nach der zu der Nachfolgevorschrift des § 10e EStG vertretenen überwiegenden Meinung im Schrifttum und nach Ansicht der Finanzverwaltung (zum Streitstand vgl. FG Hamburg, Urteil vom 20. Juni 1995 V 143/92, EFG 1995, 1015; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10e EStG Anm. 78, 131; Drenseck in Schmidt, a. a. O., § 10e Rz. 87; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 31. Dezember 1994 IV B 3 - S 2225a - 294/94, BStBl I 1994, 887 Rz. 35; vgl. auch Schreiben vom 10. Februar 1998 IV B 3 - EZ 1010 - 11/98, BStBl I 1998, 190 Rz. 54) grundsätzlich keine Anschaffungskosten; maßgeblich seien die tatsächlichen (historischen) Anschaffungskosten. Ohne die in § 52 Abs. 15 Sätze 10 und 11 EStG getroffene Regelung wären deshalb nach dieser Ansicht die Steuerpflichtigen, die ein bisher zu ihrem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück zur Bebauung verwenden, nicht nur mit Entnahmegewinnen belastet; sie könnten auch den bereits ganz oder teilweise versteuerten Teilwert nicht zur Hälfte als Anschaffungskosten i. S. von § 10e Abs. 1 EStG geltend machen. Die Steuerbefreiung des Entnahmegewinns vermeidet dieses Ergebnis (vgl. BFH-Urteil vom 3. Mai 1994 IX R 59/92, BFHE 174, 422, BStBl II 1994, 749). Es besteht aber kein Grund, den Gesellschafter einer Personengesellschaft, der das zur Bebauung vorgesehene Grundstück von seiner Gesellschaft entgeltlich erwirbt und damit die Voraussetzungen des § 10e Abs. 1 EStG hinsichtlich der Abziehbarkeit von Anschaffungskosten für den Grund und Boden erfüllt, zusätzlich dadurch zu begünstigen, daß er auch die Steuerfreiheit des Entnahmegewinns in Anspruch nehmen kann.