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  BFH-Urteil vom 24.9.1998 (IV R 1/98) BStBl. 1999 II S. 55

Erwirbt ein Steuerpflichtiger eine noch kurzfristig verpachtete landwirtschaftliche Nutzfläche in der erkennbaren Absicht, damit den an den eigenen Sohn verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu erweitern und zu verstärken, so gehört diese Fläche vom Erwerb an zum notwendigen Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs. Unerheblich ist, ob der Sohn einen marktkonformen Pachtzins zahlt.

EStG §§ 4, 13.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatten mit Vertrag vom 29. September 1984 ihren bisher selbst bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb (52,7 ha groß) in B an ihren Sohn verpachtet. Der Pachtzins war auf 30.000 DM jährlich festgelegt worden. Mit Vertrag vom 17. März 1990 erwarben die Kläger zum Kaufpreis von 620.000 DM ein 18 ha großes landwirtschaftlich genutztes Grundstück in A. Den Kaufpreis finanzierten sie u. a. mit einem Kredit der X-Bank in Höhe von 400.000 DM. Das Grundstück war im Zeitpunkt des Erwerbs verpachtet, und zwar bis zum 31. Oktober 1992. Danach überließen die Kläger es ihrem Sohn zur landwirtschaftlichen Nutzung. Der Pachtvertrag wurde deshalb nicht geändert. Seit dem 1. Januar 1994 hatte der Sohn aufgrund der Vereinbarung vom 14. Dezember 1993 nur noch eine Pacht von 900 DM monatlich zu zahlen.

Die Kläger hatten die Einkünfte aus dem verpachteten Betrieb wie zuvor als solche aus Land- und Forstwirtschaft erklärt. In der Einkommensteuererklärung 1990 erfaßten sie auch die Einkünfte aus dem hinzuerworbenen Grundstück in A bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete sie jedoch den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit der Begründung zu, die Kläger seien nicht mehr aktiv als Landwirte tätig. Entsprechend verfuhren die Kläger dann in den Jahren 1991 bis 1993.

Für das Streitjahr 1994 erklärten die Kläger für das Grundstück in A einen Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Von den Pachteinnahmen in Höhe von 2.898 DM zogen sie Schuldzinsen in Höhe von 24.008 DM ab. Hinsichtlich des verpachteten Betriebs erklärten die Kläger wie bisher Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und berücksichtigten dabei auch Absetzungen für Abnutzung (AfA). Das FA behandelte die Überlassung des Betriebs indes als Wirtschaftsüberlassungsvertrag und die Barleistungen als Einkünfte aus § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach erfolglos gebliebenem Einspruch machten die Kläger mit der Klage geltend, das hinzuerworbene Grundstück in A gehöre zum fortbestehenden landwirtschaftlichen Betrieb. Deshalb müßten im Rahmen der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft die gezahlten Schuldzinsen und die AfA berücksichtigt werden.

Mit der vom Finanzgericht (FG) - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügt der Kläger - die Klägerin ist zwischenzeitlich verstorben - die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 1, 3 und 4 EStG).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben und die Einkommensteuer auf null DM herabgesetzt (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die für das erworbene Grundstück aufgewandten Schuldzinsen keine Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sind. Der aufgenommene Kredit wie das hinzuerworbene Grundstück gehörten zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Kläger.

1. Zum Betriebsvermögen einer Land- und Forstwirtschaft gehört insbesondere der vom Land- und Forstwirt bewirtschaftete Grund und Boden. Hinzuerworbene Wirtschaftsgüter sind notwendiges Betriebsvermögen, wenn und soweit sie unmittelbar für eigene betriebliche Zwecke genutzt werden. Sie müssen objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315, und vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829). Das erfordert die abschließende Bestimmung, daß das Wirtschaftsgut in Zukunft betrieblich genutzt wird. Dementsprechend hat der erkennende Senat entschieden, daß die von einem aktiv tätigen Landwirt zur eigenen Bewirtschaftung erworbenen landwirtschaftlichen Nutzflächen notwendiges Betriebsvermögen sind. Das gilt selbst dann, wenn die hinzuerworbenen Grundstücke noch verpachtet sind, der Landwirt sie aber in einem überschaubaren Zeitraum in die Eigenbewirtschaftung nehmen kann und tatsächlich auch nimmt (Senatsurteile vom 12. September 1991 IV R 14/89, BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134 sowie vom 17. Juni 1993 IV R 110/91, BFHE 171, 481, BStBl II 1993, 752).

2. a) Der erkennende Senat folgt dem FG nicht in der Ansicht, ein hinzuerworbenes Grundstück sei kein Betriebsvermögen, wenn die Steuerpflichtigen - wie hier die Kläger - ihren landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr selbst bewirtschafteten, sondern im Zeitpunkt des Erwerbs verpachtet hatten. Der Übergang von der Eigenbewirtschaftung zur Betriebsverpachtung führt, wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß zum sog. Verpächterwahlrecht (Beschluß vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) entschieden hat, mangels einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung gerade nicht zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit, sondern der Betrieb wird, wenn auch in anderer Form, fortgeführt. Die bis zu diesem Zeitpunkt aktiv eingesetzten Wirtschaftsgüter bleiben daher Betriebsvermögen des fortbestehenden (ruhenden) gewerblichen Betriebs (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1989 I R 163/85, BFH/NV 1991, 357). Das gilt auch für die verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (vgl. Senatsurteile vom 18. März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303, und vom 27. Februar 1997 IV R 62/96, BFHE 183, 72, BStBl II 1997, 512).

b) Danach kann der Verpächter die Zusammensetzung des Betriebsvermögens seines fortgeführten Betriebs - wie ein aktiv wirtschaftender Land- und Forstwirt - ändern (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 104/87, BFH/NV 1991, 671 unter 2. b). Für abgehende Wirtschaftsgüter ist das selbstverständlich, für neu eingelegte Wirtschaftsgüter nicht anders. Der erkennende Senat hat - zur früheren Rechtslage - für das vom Verpächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs neu errichtete und selbst genutzte Wohnhaus bereits entschieden, daß der Verpächter sein Betriebsvermögen erweitern kann (BFH-Urteil vom 13. September 1990 IV R 101/89, BFHE 162, 274, BStBl II 1991, 79; vgl. auch das insoweit nicht amtlich veröffentlichte Senatsurteil vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, abgedruckt in Steuerrechtliche Entscheidungen zur Land- und Forstwirtschaft 1991, 22 ff. mit Anm. Kanzler). Für Wirtschaftsgüter, die der Verpächter für seinen verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb neu anschafft und dem Pächter zur Nutzung im Rahmen des Pachtverhältnisses überläßt, muß das erst recht gelten (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 671). Solche hinzuerworbene und vom Pächter genutzte Wirtschaftsgüter sind erfahrungsgemäß dazu bestimmt, dem verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb auf Dauer zu dienen. Durch hinzukommende landwirtschaftliche Nutzflächen wird der Verpachtungsbetrieb unmittelbar erweitert und verstärkt. Nach Ablauf der Pachtzeit kann der Eigentümer bzw. sein Rechtsnachfolger den - vergrößerten - Betrieb wieder selbst bewirtschaften. Daher wird eine vom Verpächter später hinzugekaufte landwirtschaftliche Nutzfläche notwendiges Betriebsvermögen des verpachteten Betriebs, wenn sie nach dem Erwerb in das Pachtverhältnis einbezogen wird. Ist sie im Zeitpunkt des Erwerbs noch an einen fremden Landwirt verpachtet, macht es nach der Auffassung des erkennenden Senats indes keinen Unterschied, ob die Nutzflächen für die Verstärkung eines eigenbewirtschafteten oder eines verpachteten Betriebs erworben werden. Entsprechend wird auch ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht zerschlagen, wenn die landwirtschaftlichen Nutzflächen bei Beendigung der Eigenbewirtschaftung parzellenweise an mehrere Landwirte verpachtet werden (Senatsurteil in BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521). Die Annahme von notwendigem Betriebsvermögen setzt freilich voraus, daß das hinzuerworbene Grundstück geeignet und endgültig dazu bestimmt ist, dem verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf Dauer zu dienen.

c) Allerdings hat der BFH die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, seinen Betrieb nach der Verpachtung und trotz der Einstellung der ursprünglichen betrieblichen Tätigkeit fortzuführen, mit der Überlegung gerechtfertigt, daß der Steuerpflichtige die sonst für die sofortige Versteuerung der stillen Reserven notwendigen Mittel nicht habe (vgl. z. B. Senatsurteil vom 20. April 1989 IV R 95/87, BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863). Daraus folgt aber nicht, daß Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs nur solche Wirtschaftsgüter sein könnten, die bereits bei der Verpachtung vorhanden waren und somit nicht realisierte stille Reserven enthalten könnten. Es ist auch nicht sinnvoll, das Betriebsvermögen dahingehend zu begrenzen. So werden z. B. im Fall der sog. eisernen Verpachtung die vom Pächter angeschafften Wirtschaftsgüter Eigentum und damit auch Betriebsvermögen des Verpächters. Die in diesen Wirtschaftsgütern entstehenden stillen Reserven werden später bei einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe i. S. von §§ 14, 16 EStG ebenfalls erfaßt.

3. a) Im Streitfall haben die Kläger geltend gemacht, daß sie das 18 ha große Grundstück in A zur Erweiterung ihres seit 1984 an ihren Sohn verpachteten Familienbetriebs erworben haben. Diese Absicht haben sie in der Einkommensteuererklärung 1990 dadurch dokumentiert, daß sie die auf dieses Grundstück entfallenden Einnahmen und Ausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft erfaßten. Der Senat geht dabei auch davon aus, daß die Kläger ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt haben. Das FG hat der Erklärung der Kläger nur deshalb keine Bedeutung zugemessen, weil das Grundstück nach seiner Ansicht aus rechtlichen Gründen nicht dem ruhenden Betrieb zugeordnet werden konnte. Das war indes - wie ausgeführt - unrichtig. Ferner hat das FG festgestellt, daß der Sohn der Kläger nach der Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem fremden Pächter (31. Oktober 1992) das Grundstück für seine, zunächst nur auf der Grundlage des Pachtvertrages mit den Klägern ausgeübte, landwirtschaftliche Betätigung nutzte. Das geschah, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, von der Hofstelle in Z aus. Damit wurde das Grundstück tatsächlich unmittelbar auch zur Erweiterung und Verstärkung des landwirtschaftlichen Betriebs der Kläger eingesetzt, zumal die Kläger daraus auch Einnahmen erzielten. Mit 18 ha hatte es auch erhebliche Bedeutung für beide Betriebe, den Verpachtungsbetrieb der Kläger und den Pachtbetrieb ihres Sohnes.

b) Entgegen der Ansicht des FG kommt es nicht darauf an, daß die Kläger das hinzuerworbene Grundstück ihrem Sohn zunächst überlassen hatten, ohne den Pachtvertrag vom 29. September 1984 zu ändern. Für das Streitjahr ist nämlich die Vereinbarung vom 14. Dezember 1993 maßgebend, wonach der Sohn monatlich nur noch einen - gemessen an den zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern unangemessenen - Pachtzins von 900 DM zu zahlen hatte. Dementsprechend gehen die Beteiligten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon aus, daß steuerrechtlich Grundlage für die Überlassung des ursprünglich selbst bewirtschafteten Betriebs nicht mehr das vereinbarte Pachtverhältnis, sondern ein sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrag war. Daher bezogen die Kläger als Eigentümer des Hofes - wie im Fall der Verpachtung - bei Veräußerung und Entnahme von Wirtschaftsgütern Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i. S. von § 13 EStG. Ihnen stehen somit die AfA der überlassenen Wirtschaftsgüter zu (Senatsurteil vom 23. Januar 1992 IV R 104/90, BFHE 167, 84, BStBl II 1993, 327, m. w. N.). Demgemäß sind die für die hinzuerworbene Fläche gezahlten Schuldzinsen ebenfalls bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen. Da der herabgesetzte Pachtzins von monatlich 900 DM nicht mehr angemessen war, sind diese monatlichen Zahlungen entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Senats bei den Klägern als altenteilsähnliche Barleistungen als sonstige Einkünfte i. S. von § 22 EStG zu erfassen und bei dem Sohn als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 18. Februar 1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546, und vom 18. Februar 1993 IV R 50/92, BFHE 170, 557, BStBl II 1993, 548). So ist hier auch das FA hinsichtlich der Kläger verfahren. Ob daran festzuhalten ist oder ob die "Pachtzahlungen" bei den Eltern wegen des fortbestehenden Betriebs als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen und beim Sohn als Betriebsausgaben abzuziehen sind (vgl. Senatsurteile vom 28. Juli 1983 IV R 103/82, BFHE 139, 376, BStBl II 1984, 60; vom 22. März 1990 IV R 115/89, BFHE 160, 463, BStBl II 1990, 776), kann im Hinblick auf die Herabsetzung der Einkommensteuer auf null DM offen bleiben.

c) Zivilrechtlich ist die genaue Beschreibung der Pachtsache, also z. B. der Pachtgrundstücke, nur eine Sollvorschrift; § 585b Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) schreibt eine genaue Aufzählung nicht zwingend vor. Zudem bedarf nur ein Pachtvertrag, der für länger als zwei Jahre geschlossen wird, der Schriftform (§ 585a BGB). Wird diese nicht eingehalten, gilt der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Indes stellt die leihweise Überlassung zur landwirtschaftlichen Nutzung keine Landpacht dar (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., § 585 BGB Rdnr. 17), so daß schon deshalb eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über die Einbeziehung des Grundstücks nicht erforderlich war. Unter diesen Umständen braucht nicht weiter vertieft zu werden, ob das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung über die Einbeziehung des Grundstücks in A zivilrechtlich die vom FG angenommene Folge hat.

d) Die Sache ist spruchreif. Da das hinzuerworbene Grundstück Betriebsvermögen ist, sind die für seinen Erwerb aufgewandten Zinsen als Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 4 Abs. 4 EStG). Werden sie zusätzlich berücksichtigt, ergibt sich - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - eine Einkommensteuer von null DM.