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  BFH-Beschluß vom 18.12.1998 (VI B 221/98) BStBl. 1999 II S. 140

Es kann dahinstehen, wie Zusicherungen der Familienkasse, die sie vor ihrer Geltung als Finanzbehörde gegeben hat, bei Durchführung des Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG) zu beurteilen sind, wenn eine Bindung bereits vor 1996 entfallen ist.

EStG § 31, § 62 Abs. 2 Satz 1; BKGG § 1 Abs. 3; SGB X § 34 Abs. 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Kläger), der aus der früheren Sowjetunion stammt, reiste Anfang 1991 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein und beantragte unter dem 11. November 1991 Kindergeld für seinen Sohn R. Das Arbeitsamt - Familienkasse - (der Beklagte) lehnte den Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. Juli 1992 mit der Begründung ab, daß der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Asylberechtigter anerkannt gewesen sei. Im Bescheid heißt es weiter: "Mit der Anerkennung des Asylrechts durch bindende Entscheidung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bzw. rechtskräftige gerichtliche Entscheidung wird jedoch rückwirkend der Status als Flüchtling festgestellt (§ 3 des Asylverfahrensgesetzes). Es bleibt Ihnen unbenommen, Kindergeld erneut zu beantragen. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen kann Ihnen dann Kindergeld rückwirkend von der Einreise an gewährt werden, wenn der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt wird, in dem die Feststellung des Asylrechts bindend bzw. rechtskräftig geworden ist."

Nachdem der Kläger aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts am 22. November 1996 rechtskräftig als Asylbewerber anerkannt worden war, beantragte er am 27. März 1997, ihm rückwirkend für seinen Sohn Kindergeld zu gewähren. Der Beklagte gab dem zuletzt lediglich insoweit statt, als er Kindergeld ab Rechtskraft der Asylentscheidung, also ab November 1996, gewährte und den Antrag im übrigen abwies.

Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, ihm stehe aufgrund der Zusicherung im Bescheid vom 3. Juli 1992 rückwirkend ab 1992 Kindergeld zu.

Das Finanzgericht (FG) wies den diesbezüglichen Antrag auf Prozeßkostenhilfe (PKH) zurück, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Kläger habe gemäß § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld erst, wenn er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei. Das sei erst mit rechtskräftiger Anerkennung als Asylberechtigter der Fall gewesen. An die Zusicherung vom 3. Juli 1992 sei das Arbeitsamt gemäß § 34 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches X (SGB X) nicht mehr gebunden gewesen, weil sich die Sach- und Rechtslage derart geändert habe, daß die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Auch nach altem Recht sei § 9 Abs. 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) a. F. bereits nach den Dienstanweisungen für die Kindergeldkassen nicht mehr anzuwenden gewesen, seit das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 15. Dezember 1992 10 RKg 11/92 (BSGE 72, 8) entschieden habe, daß die Anerkennung als Asylberechtigter keinen rückwirkenden Anspruch auf Kindergeld begründe. Ob sich bereits durch diese Entscheidung die Rechtslage i. S. des § 34 Abs. 3 SGB X geändert habe, könne dahinstehen, denn jedenfalls sei das durch Einfügung des § 62 Abs. 2 EStG im Jahressteuergesetz 1996 geschehen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger sein PKH-Begehren weiter. Er macht geltend, die Rechtslage habe sich nicht geändert, da die Tatbestandsvoraussetzungen von § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG und von § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG übereinstimmten. Eine Änderung der Rechtsprechung bewirke keine Änderung der Rechtslage. Dies gelte nicht nur für § 34 Abs. 3 SGB X, sondern auch für ähnliche Regelungen, wie in § 38 i. V. m. § 49 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl., 1998, § 52 Rz. 106).

Der Beklagte tritt der Beschwerde mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses entgegen. Zusätzlich ist er der Auffassung, daß im Bescheid vom 3. Juli 1992 keine Zusicherung gegeben worden sei, da es an einer Selbstverpflichtung mit Bindungswillen gefehlt habe. Mit der Formulierung "kann ... gewährt werden" sei lediglich eine Ermessensentscheidung in Aussicht gestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Soweit der Kläger Kindergeld für die Zeit vor 1996 geltend macht, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung in diesem Verfahren schon deswegen keine Aussicht auf Erfolg, weil derartige Ansprüche nicht vor den FG verfolgt werden können. Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG ist nämlich erst ab 1996 als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) zu gewähren. Nur für diese Ansprüche gelten die Familienkassen als Finanzbehörden (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes), während im übrigen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 15 BKGG).

Erfolgsaussichten sind aber auch für Januar bis Oktober 1996 zu verneinen, da der Kläger in diesem Zeitraum noch nicht "im Besitz" einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis i. S. von § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG war (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 1. Dezember 1997 VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696) und eine Bindung an die Zusage im Bescheid vom 3. Juli 1992 nicht mehr bestand. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, wie Zusicherungen der Familienkasse, die sie vor ihrer Geltung als Finanzbehörde gegeben hat, bei Durchführung des Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG) zu beurteilen sind. Denn eine Bindung war bereits vor 1996 gemäß § 34 Abs. 3 SGB X entfallen. Nach dieser Vorschrift ist die Behörde an eine Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart ändert, daß die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen.

Eine derartige Änderung der Rechtslage ist nach Ergehen des Bescheides vom 3. Juli 1992 dadurch eingetreten, daß § 1 Abs. 3 BKGG mit Wirkung vom 1. Januar 1994 aufgrund Art. 13 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2353) neu gefaßt worden ist. Während Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Kindergeld zuvor war, daß der betreffende Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden konnte, mußte ein Ausländer danach "im Besitz" einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sein, die diesbezügliche Erlaubnis also tatsächlich innehaben (BSG-Urteil vom 30. September 1996 10 RKg 24/95, Dienstblatt Rechtsprechung der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 4354, § 1 BKGG). Dementsprechend hätte der Beklagte seine Zusicherung danach aus rechtlichen Gründen nicht mehr geben dürfen.