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  BFH-Urteil vom 19.3.1998 (IV R 1/93) BStBl. 1999 II S. 352

Gibt der Vermieter den Vorteil aus der Inanspruchnahme einer steuerfreien Investitionszulage durch Minderung der laufenden Miete an den Mieter weiter und erzielt er deshalb steuerlich Verluste aus dem Mietverhältnis, ist unabhängig von der bilanziellen Behandlung der Investitionszulage in der Steuerbilanz eine Rückstellung wegen drohender Verluste zu bilden.

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 Satz 1; InvZulG 1982 § 5 Abs. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1993, 211)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine OHG, deren persönlich haftende Gesellschafter die D-GmbH und die U-GmbH sind. Die D-GmbH betätigte sich als Leasinggeber für Mobilien. Zur Abwicklung von Leasinggeschäften über Gegenstände, für die eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 beansprucht werden konnte, wurde eine Zusammenarbeit der Klägerin mit der D-GmbH vereinbart. Danach sollte die D-GmbH nach Abschluß von Mietverträgen die entsprechenden Gegenstände kaufen, sie sogleich zum Einstandspreis an die Klägerin weiterverkaufen und anschließend für die Laufzeit der mit den Abnehmern geschlossenen Leasingverträge zurückmieten. Der Mietpreis war von der Klägerin entsprechend dem Aufwandsverlauf unter Berücksichtigung von Abschreibungen, Zinsaufwand, angemessener Eigenkapitalverzinsung und eigenen Verwaltungskosten festzusetzen. Der Vorteil aus der Inanspruchnahme einer Investitionszulage durch die Klägerin sollte in der Weise an die D-GmbH weitergegeben werden, daß sich der Mietpreis im Zeitpunkt des Zuflusses der Investitionszulage um einen bestimmten Prozentsatz der Anschaffungskosten des Gegenstands verminderte. Die Minderung war zurückzuerstatten, wenn später festgestellt werden sollte, daß die Voraussetzungen des § 4b InvZulG 1982 für den Gegenstand nicht gegeben waren.

Für das Streitjahr 1982 stellte die Klägerin am 30. September 1983 den Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage, die mit Bescheid vom 21. November 1983 auch bewilligt wurde. In ihrer Handelsbilanz auf den 31. Dezember 1982 aktivierte die Klägerin neben den Mietgegenständen auch den Barwert des Anspruchs auf Gewährung der Investitionszulage 1982. Für steuerliche Zwecke setzte sie den entsprechenden Betrag außerhalb der Bilanz wieder ab. Zugleich passivierte die Klägerin eine Rückstellung in Höhe von 599.193 DM für drohende Verluste aus Mietpreisnachlässen, die der D-GmbH im Fall der Gewährung der Investitionszulage zustehen würden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt nach einer Außenprüfung die Bildung der Rückstellung für unzulässig und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 211) im wesentlichen aus, eine Rückstellung könne deshalb nicht gebildet werden, weil es an zu erwartenden Verlusten fehle. Bei der Gegenüberstellung von Ansprüchen und Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis mit der D-GmbH sei die Investitionszulage in den Saldierungsrahmen mit einzubeziehen, denn handelsrechtlich - und darauf komme es an - stelle die Investitionszulage einen Ertrag dar.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin mußte eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus den Mietverträgen bilden.

1. Nach den für das Streitjahr in § 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes 1965 (jetzt § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) zum Ausdruck kommenden handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind Kaufleute, die der Verpflichtung zur Führung von Büchern und Aufstellung von Abschlüssen unterliegen, handelsrechtlich verpflichtet, Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (Verlustrückstellung) zu passivieren. Dieser Grundsatz gilt auch für Dauerschuldverhältnisse (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m. w. N.).

Diese Rückstellungspflicht ist nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch bei Ermittlung des für den steuerlichen Vermögensvergleich maßgebenden Vermögens zu beachten. Hierbei ist, sofern keine Wahlrechte in Frage stehen, unabhängig von der Handelsbilanz von den steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften auszugehen. Hieraus kann sich ergeben, daß eine in der Handelsbilanz gebildete Rückstellung steuerrechtlich unbeachtet bleibt, aber auch, daß steuerrechtlich eine Rückstellung zu berücksichtigen ist, die in der Handelsbilanz nicht gebildet wurde. So ergibt sich nur steuerlich eine Verlustrückstellung, wenn ein in der Handelsbilanz voll abgeschriebenes Wirtschaftsgut zu einem unter seinem steuerlichen Restbuchwert liegenden Betrag veräußert wird. Die handelsrechtliche Bilanzierung ist in einem solchen Fall nicht maßgeblich, zumal auf sie bei einem steuerlichen Vermögensvergleich für Nicht-Kaufleute gemäß § 4 Abs. 1 EStG nicht zurückgegriffen werden könnte (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57).

2. Aus diesen Grundsätzen folgt für den Streitfall, daß die Klägerin für drohende Verluste aus den Mietverträgen mit der D-GmbH Rückstellungen bilden mußte. Es kann dahinstehen, ob sich aus diesen Geschäften handelsrechtlich Verluste ergeben, wie die Klägerin meint. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, drohen zumindest steuerlich Verluste, für die eine Rückstellung in der Steuerbilanz zu bilden ist.

a) Ein Verlust aus einem Absatzgeschäft (z. B. Vermietung von Gegenständen des Betriebsvermögens) droht, wenn am Bilanzstichtag nach den objektiven Wertverhältnissen konkrete Anzeichen dafür vorliegen, daß der Geldwert der eigenen Verpflichtung zur Bewirkung der Leistung den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt (BFH in BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m. w. N.). Der Wert einer Sachleistung richtet sich dabei nach den dem Leistungsverpflichteten entstehenden Kosten (Senatsurteil vom 11. Februar 1988 IV R 191/85, BFHE 153, 23, BStBl II 1988, 661).

b) Die Leistung der Klägerin als Vermieterin ist nach ihren Kosten zu bewerten, zu denen auch der Wertverzehr des vermieteten Anlagegegenstands gehört. Dieser drückt sich in den Absetzungen für Abnutzung (AfA) aus. Die AfA werden vorliegend jedenfalls steuerrechtlich nicht durch die Investitionszulage gemindert. Denn nach § 5 Abs. 2 InvZulG 1982 gehört die Investitionszulage i. S. des § 4b InvZulG 1982 weder zu den Einkünften im Sinne des EStG noch mindert sie die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts. Es ist deshalb ungeachtet der tatsächlichen oder gebotenen Behandlung der Investitionszulage in der Handelsbilanz (vgl. dazu etwa Tertel, Deutsches Steuerrecht 1990, 17 und 71; Ellrott/Schmidt-Wendt in Beck'scher Bilanzkommentar, 3. Aufl. 1995, § 255 Rz. 115 ff., m. w. N.) von den AfA der ungekürzten Anschaffungskosten des vermieteten Wirtschaftsguts auszugehen. Die Gegenleistung des Mieters besteht in dem laufenden Mietzins. Erreicht dieser nicht die steuerlich anzusetzenden Kosten des Vermieters für die Nutzungsüberlassung, so ergibt sich steuerlich ein laufender Verlust aus dem jeweiligen Mietverhältnis. Liegen diese Voraussetzungen am Bilanzstichtag vor, ist in der Steuerbilanz eine Rückstellung zu bilden (a. A. Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, §§ 4 - 5, Rz. 176 "Mietvertrag"; ders., Betriebs-Berater - BB - 1985, 788; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 5 EStG Anm. 1177; Mayer-Wegelin in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, § 249 Rn. 37; gl. A. Paulus, BB 1984, 1462; Rohse, BB 1985, 1463; für Passivierung einer Verbindlichkeit, Schirduan, Finanzierungs-Leasing in der Bilanz des Leasinggebers, Wiesbaden 1994 S. 271 f.).

c) Im Streitfall drohte der Klägerin bereits nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag ein solcher Verlust, denn die Investitionszulage stand ihr materiell zu und ihre Beantragung, Bewilligung und Auszahlung war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weshalb die Investitionszulageforderung auch zu Recht von der Klägerin aktiviert worden ist. Aus den am Stichtag abgeschlossenen Mietverträgen ergab sich andererseits die Verpflichtung der Klägerin zur Herabsetzung des Mietzinses nach Erhalt der Investitionszulage.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang der Höhe nach zum Bilanzstichtag ein Verlust aus den Mietverhältnissen zu erwarten war. Dies wird jetzt nachzuholen sein.