| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 9.6.1999 (II B 101/98) BStBl. 1999 II S. 529

Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG 1974 ist im Regelfall auf den Erwerb von Todes wegen seitens des/der Erben beschränkt.

ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1, 3, § 31 Abs. 1, 2, § 32 Abs. 1 Satz 1; AO 1977 § 47, § 149 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 1, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; BGB § 1922 Abs. 1, § 1934a, § 1967 Abs. 2, § 2174, § 2205, § 2213 Abs. 1 Satz 3, § 2216, § 2217, § 2219 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1998, 1621)

Sachverhalt

I.

Die am 23. November 1937 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist nach dem Testament ihres am 7. Juni 1991 verstorbenen Lebensgefährten (Erblasser) mit einem Vermächtnis bedacht. Gegenstand dieses Vermächtnisses ist ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnrecht an einem Einfamilienhaus. Der Jahreswert des Wohnrechts beträgt 25.216 DM. Zur Alleinerbin wurde die Tochter des Erblassers, zur Ersatzerbin die Antragstellerin eingesetzt. Der Erblasser hat Testamentsvollstreckung angeordnet. Das Testament wurde am 5. Juli 1991 durch das zuständige Amtsgericht eröffnet.

Der vom Nachlaßgericht ernannte Testamentsvollstrecker wurde vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wiederholt zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung aufgefordert. Dieser begründete die Verzögerungen bei der Erstellung der erst am 16. September 1997 beim FA eingegangenen Erklärung damit, daß die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung der Ehefrau des Erblassers noch habe ermittelt werden müssen.

Das FA forderte die Antragstellerin durch Schreiben vom 18. September 1997 zur Abgabe einer vereinfachten Erbschaftsteuererklärung auf, die - vom Testamentsvollstrecker erstellt und unterschrieben - am 6. Oktober 1997 beim FA einging.

Das FA setzte durch Bescheid vom 14. November 1997 gegen die Antragstellerin wegen des Erwerbs von Todes wegen nach dem Erblasser Erbschaftsteuer in Höhe von 110.850 DM fest. Der Einspruch der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Das FA erhöhte durch Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1998 - nach entsprechender vorheriger Ankündigung - die Steuer auf 116.028 DM. Den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (Wohnrecht) ermittelte es dabei unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 3.000 DM mit 322.300 DM.

Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Die Antragstellerin macht geltend, die Steuer habe nicht mehr festgesetzt werden dürfen, weil der Anspruch verjährt sei.

Unter Hinweis darauf, daß das FA im Verwaltungsverfahren Anträge auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt habe, beantragte die Antragstellerin am 21. August 1998 beim FG, die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides in der Fassung der Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Das FG hat dem Aussetzungsbegehren nicht entsprochen und hierzu ausgeführt, daß im Streitfall Festsetzungsverjährung nicht eingetreten sei, weil die Festsetzungsfrist abweichend von § 170 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen Verletzung der Anzeigepflicht durch die Antragstellerin sowie im Hinblick darauf, daß der Testamentsvollstrecker die Steuererklärung erst im Jahre 1997 abgegeben habe, später, nämlich mit Ablauf des Jahres 1994 begonnen habe (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977). Die Antragstellerin sei nach § 30 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) zur Anzeige ihres Erwerbs verpflichtet gewesen. Diese sei nicht nach § 30 Abs. 3 ErbStG entfallen, obwohl das Testament amtlich eröffnet worden sei. Denn das Testament enthalte keine eindeutigen Angaben über "das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser". Diesem sei nämlich nicht zu entnehmen, ob die Antragstellerin Vermächtnisnehmerin oder auch Ersatzerbin geworden sei. Im übrigen sei der Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 ErbStG zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung auch bezüglich des Erwerbs der Antragstellerin als Vermächtnisnehmerin verpflichtet gewesen. Die verspätete Abgabe der Erklärung durch den Testamentsvollstrecker habe ebenfalls nach § 170 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zur Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist geführt.

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1621 veröffentlicht.

Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren weiter.

Sie beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 14. November 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1997 bis einen Monat nach Zustellung der finanzgerichtlichen Entscheidung auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung bis einen Monat nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils.

Der Rechtsauffassung des FG, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides vom 14. November 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1998 sei nicht ernstlich zweifelhaft i. S. von § 69 Abs. 3 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), folgt der Senat nicht.

Auf der Grundlage des bisher bekannten Sachverhaltes war - entgegen der Auffassung des FG - der mit dem angefochtenen Steuerbescheid geltend gemachte Steueranspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 AO 1977) und seine Festsetzung deshalb unzulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Im Streitfall begann die vierjährige (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 mit Ablauf des Jahres 1991 und endete mit Ablauf des Jahres 1995. Der mit dem Einspruch angefochtene Steuerbescheid wurde vom FA aber erst 1997 erlassen.

Gründe i. S. von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, die im Streitfall ausnahmsweise zu einem späteren Beginn der Festsetzungsfrist hätten führen können, liegen nicht vor. Insbesondere hat die Antragstellerin weder eine ihr obliegende Anzeigepflicht verletzt, noch ist eine Anlaufhemmung wegen der späten Abgabe der Steuererklärung durch den Testamentsvollstrecker eingetreten.

a) Gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG 1974 ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall vom Erwerber dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen FA anzuzeigen. Diese Verpflichtung entfällt jedoch nach Absatz 3 dieser Vorschrift u. a., wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt.

Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen, unter denen die Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 3 ErbStG 1974 entfällt, im Streitfall vor. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 30 ff. ErbStG 1974 soll die Anzeige eines Erwerbers das FA lediglich über das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs unterrichten und in die Lage versetzen zu prüfen, ob ein erbschaft- bzw. schenkungsteuerbarer Vorgang vorliegt und ob deshalb in ein Besteuerungsverfahren einzutreten ist. Hierzu reicht regelmäßig die namentliche Bezeichnung des Erblassers bzw. Schenkers und des Erwerbers sowie die Mitteilung des Rechtsgrundes für den Erwerb aus. Soweit § 30 Abs. 3 ErbStG 1974 den Wegfall der Anzeigepflicht u. a. davon abhängig macht, daß sich aus der amtlich eröffneten Verfügung von Todes wegen "das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser (Schenker)" ergibt, sind damit die (Rechts-)Verhältnisse zwischen dem Erwerber und dem Erblasser bzw. Schenker gemeint, die den Erbschaft- bzw. Schenkungsteuertatbestand ausgelöst haben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Oktober 1996 II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73).

Im Streitfall hätte das FA - was das FG verkannt hat - aufgrund des Inhalts des Testaments des Erblassers ohne weiteres die erbschaftsteuerrechtliche Relevanz des Erwerbs der Antragstellerin erkennen können. Das Testament enthält die namentliche Bezeichnung des Erblassers und der Antragstellerin und gibt unzweideutige Auskunft darüber, daß die Antragstellerin als Vermächtnisnehmerin in bestimmter Weise begünstigt wurde. Es enthält somit auch die Mitteilung des Rechtsgrundes für den Erwerb der Antragstellerin. Die Antragstellerin war somit nicht verpflichtet, ihren Erwerb aufgrund des Vermächtnisses gesondert anzuzeigen.

Eine Anzeigepflicht der Antragstellerin bezüglich der Einsetzung als Ersatzerbin bestand schon deshalb nicht, weil der Ersatzerbfall nicht eingetreten ist. Nach dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 1 ErbStG 1974, dem FA die Prüfung zu ermöglichen, ob ein erbschaft- bzw. schenkungsteuerbarer Vorgang vorliegt, kann sich die Anzeigepflicht nur auf positive Verhältnisse beziehen. Entgegen der Auffassung des FG war deshalb die Antragstellerin nicht verpflichtet, dem FA gegenüber anzuzeigen, daß der Ersatzerbfall nicht eingetreten ist.

b) Eine Anlaufhemmung hinsichtlich der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist auch nicht deshalb eingetreten, weil die Steuererklärung verspätet vorgelegt wurde.

aa) Die Antragstellerin selbst war nicht verpflichtet, eine Steuererklärung vorzulegen. Nach § 149 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 bestimmen die Einzelsteuergesetze, wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Das ErbStG enthält keine Vorschrift, nach der der einzelne Erwerber unaufgefordert eine Steuererklärung vorlegen muß. Vielmehr entsteht die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung erst mit der Aufforderung des FA, welches nach § 31 Abs. 1 ErbStG 1974 von jedem an einem Erbfall Beteiligten die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat verlangen kann. Die Antragstellerin ist im Streitfall innerhalb der Festsetzungsfrist vom FA nicht zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert worden. Die Nichtabgabe der Steuererklärung durch die Antragstellerin bewirkte daher keine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977. Die erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im Jahre 1997 an die Antragstellerin ergangene Aufforderung des FA, die Steuererklärung abzugeben, konnte nicht mehr (nachträglich) eine Hemmung des Beginns der Festsetzungsfrist bewirken.

bb) Auch der Testamentsvollstrecker war im Streitfall nicht verpflichtet, eine Steuererklärung hinsichtlich des (Vermächtnis-)Erwerbs der Antragstellerin beim FA einzureichen. Offenbleiben kann hier, ob sich - wovon das FG ausgegangen ist - aus § 31 Abs. 5 ErbStG 1974 überhaupt eine Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt, ohne daß das FA die Vorlage einer Steuererklärung von den in § 31 Abs. 1 ErbStG 1974 bezeichneten Personen verlangt hat. Denn selbst wenn eine solche Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG 1974 bestünde, wäre diese - im Streitfall - auf den Erwerb von Todes wegen seitens des/der Erben beschränkt.

Diese Auslegung des § 31 Abs. 5 ErbStG 1974 ergibt sich aus der bürgerlich-rechtlichen Stellung des Testamentsvollstreckers. Dieser ist nur der Verwalter des Nachlasses (§ 2205 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), nämlich des durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) auf den Erben übergegangenen Vermögens des Erblassers. Da das ErbStG 1974 in den §§ 31 Abs. 5 und 32 Abs. 1 Satz 1 lediglich auf den durch das bürgerliche Recht (§ 2197 f. BGB) bestimmten Begriff des Testamentsvollstreckers zurückgreift, geht sein Aufgabenkreis erbschaftsteuerrechtlich nicht über den Rahmen hinaus, der durch das bürgerliche Recht gesetzt ist. In diesen Rahmen fällt es zwar, wenn der Testamentsvollstrecker für die Erben die Erbschaftsteuererklärung abgibt. Hinsichtlich der Personen, denen infolge des Erbfalls schuldrechtliche Ansprüche erbrechtlicher Natur gegenüber dem oder den Erben zustehen - z. B. Vermächtnisnehmer (vgl. § 2174 BGB), Pflichtteilsberechtigte (s. auch § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB), Erbersatzanspruchsberechtigte (§ 1934a BGB) - bestehen derartige Beziehungen aber regelmäßig nicht. Etwas anderes kann nur gelten, wenn - was hier jedoch nicht der Fall ist - der Erblasser auch hinsichtlich eines Vermächtnisses Testamentsvollstreckung angeordnet hat (vgl. Brandner in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 2223 Anm. 1). Solche Beziehungen werden auch nicht dadurch hergestellt, daß der Testamentsvollstrecker derartige Nachlaßverbindlichkeiten (vgl. § 1967 Abs. 2 BGB) in der von ihm abgegebenen Steuererklärung aufführt oder aus durch sein Amt gewonnener Kenntnis über Erwerbe außerhalb des Nachlasses in ihr Mitteilung macht. In bezug auf die durch Erbfall begründeten schuldrechtlichen Verpflichtungen des oder der Erben obliegt ihm lediglich deren Erfüllung bzw. hat er die Vollstreckung in den von ihm verwalteten Nachlaß zu dulden; Rechte und Pflichten der Gläubiger übt der Testamentsvollstrecker nicht aus (vgl. das zu § 32 Abs. 1 ErbStG 1974 ergangene BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 58/86, BFHE 162, 385, BStBl II 1991, 52). Auch aus § 2219 Abs. 1 BGB läßt sich etwas anderes nicht herleiten, denn nach dieser Vorschrift haftet der Testamentsvollstrecker dem Vermächtnisnehmer lediglich für schuldhafte Verletzung seiner Pflichten aus §§ 2216, 2217 BGB, durch die dem Vermächtnisnehmer ein Schaden entsteht.