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  BFH-Urteil vom 20.4.1999 (VIII R 13/97) BStBl. 1999 II S. 542

1. Eine Gemeinde kann im Gewerbesteuer-Zerlegungsverfahren auch dann in ihren Rechten betroffen sein, wenn sich ihr Zerlegungsanteil infolge eines geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheids erhöht. Ihre Klagebefugnis ist jedoch auf den Erhöhungsbetrag beschränkt.

2. Die Bestandskraft des Zerlegungs-Erstbescheids erstreckt sich nicht auf den in diesem Bescheid angewendeten Zerlegungsmaßstab; sie umfaßt den in diesem Bescheid festgestellten Zerlegungsanteil nur nach seinem Betrag. Hinsichtlich des Erhöhungsbetrags können auch bei einer Änderung des Gewerbesteuer-Meßbetrags nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 alle materiell-rechtlichen Fehler des Bescheids zugunsten wie zuungunsten der Gemeinden berichtigt werden (Fortführung des Senatsurteils vom 24. März 1992 VIII R 33/90, BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869).

3. Eine Einigung der Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung des Gewerbesteuer-Meßbetrags nach § 33 Abs. 2 GewStG gilt im Zweifel nur für den jeweiligen Erhebungszeitraum.

AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 184 Abs. 1 Satz 3, §§ 185 ff.; FGO § 40 Abs. 2; GewStG § 33 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und die Beigeladene streiten um ihre Anteile an den für eine KG festgesetzten Gewerbesteuer-Meßbeträgen 1981 bis 1984. Die Betriebsanlagen der steuerpflichtigen KG liegen - mit Ausnahme der Zufahrten zum Werksgelände - fast ausschließlich auf dem Gemeindegebiet der Beigeladenen; sie sind unstreitig im Verhältnis 99,5 : 0,5 aufzuteilen. Die KG beschäftigte in den Streitjahren ca. 1.400 Arbeitnehmer. Davon wohnen - von den auswärtigen Arbeitnehmern abgesehen - rd. 75 v. H. im Gemeindegebiet der Beigeladenen und rd. 25 v. H. im Gemeindegebiet der Klägerin.

Die Gemeinden (vergleichbare Infrastruktur, gleicher Hebesatz von 300 v. H.) hatten sich 1977 mit Zustimmung der KG auf eine Aufteilung des Gewerbesteuer-Meßbetrags im Verhältnis von 99,5 : 0,5 geeinigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zerlegte auch die einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbeträge für die Streitjahre nach diesem Verhältnis. Die Zerlegungsbescheide wurden bestandskräftig.

Eine bei der KG durchgeführte Außenprüfung führte zu einer Erhöhung der Gewerbesteuer-Meßbeträge. Das FA änderte daraufhin die Zerlegungsbescheide entsprechend. Den bisherigen Zerlegungsmaßstab behielt es bei. Als Rechtsgrundlage für den Änderungsbescheid gab es § 189 der Abgabenordnung (AO 1977) an.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen diese Bescheide machte die Klägerin erstmals geltend, daß der bisherige Verteilungsschlüssel zu einem unbilligen Ergebnis führe. Die durch die Betriebsstätte der KG erwachsenden Gemeindelasten seien in bezug auf sie - die Klägerin - nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Gewerbesteuer-Meßbeträge müßten unter Berücksichtigung der Faktoren "Arbeitnehmer" (50 v. H.), "Schülerzahl" (30 v. H.) und "Einheitswert" (20 v. H.) aufgeteilt werden. Demgegenüber beantragte die Beigeladene, ihr den Meßbetrag in voller Höhe zuzurechnen.

Das FA zog die KG und die Beigeladene zum Verfahren hinzu und verwarf den Einspruch als unzulässig. Einer sachlichen Entscheidung stehe die Unanfechtbarkeit der ursprünglichen Zerlegungsbescheide entgegen (§ 351 Abs. 1 AO 1977). Alle zerlegungsrelevanten Merkmale seien schon bei Erlaß dieser Bescheide bekannt gewesen und unverändert geblieben. Als Rechtsgrundlage für die Änderungsbescheide gab es nunmehr § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 an.

Die Klage blieb erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1996, 286).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 351 Abs. 1, 177, 173 Abs. 1, 119 AO 1977).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter Abänderung der Zerlegungsbescheide 1981 bis 1983 vom 17. Oktober 1989 und des Zerlegungsbescheids 1984 vom 16. September 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 1992 die auf die Klägerin entfallenden Zerlegungsanteile mit 5.007,94 DM (1981), 963,39 DM (1982), 1.276,65 DM (1983) und 13.169,22 DM (1984) festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Verfahrensrecht

1. Das Urteil des FG war nicht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen wegen fehlender Beiladung der KG aufzuheben. Diese ist zwar Beteiligte im Zerlegungsverfahren (§ 186 Satz 1 Nr. 1 AO 1977); der Ausgang des Verfahrens kann sich auf ihre Rechtsposition jedoch nicht auswirken. Die Gewerbesteuerschuld ist von dem anzuwendenden Zerlegungsmaßstab unabhängig, weil die Hebesätze der Gemeinden gleich hoch sind (zur fehlenden Beschwer in diesem Fall vgl. u. a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1988 III R 286/84, BFH/NV 1990, 56, m. w. N.).

2. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.

a) Die Klägerin ist am Zerlegungsverfahren beteiligt (§ 186 Nr. 2 AO 1977). Sie hat auch schlüssig vorgetragen, daß sie durch den Zerlegungs-Änderungsbescheid in ihren Rechten betroffen ist (§ 40 Abs. 2 FGO). Ihr Zerlegungsanteil hat sich durch den geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheid zwar erhöht; die Erhöhung blieb aber hinter ihrem Antrag zurück. Das FA mußte aufgrund dieses Antrags prüfen, ob der Klägerin nach den materiell-rechtlichen Zerlegungsvorschriften (§§ 28 f. des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) statt des zugeteilten ein höherer Zerlegungsanteil zustand (BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 33/90, BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 1. der Gründe).

b) Die Klagebefugnis der Klägerin ist im Streitfall allerdings sachlich begrenzt (§ 42 FGO, § 351 Abs. 1 AO 1977). Nach § 351 Abs. 1 AO 1977 können die Zerlegungs-Änderungsbescheide nur insoweit angefochten werden, "als die Änderung reicht"; die Klägerin kann sich deshalb nicht mehr darauf berufen, daß die Gewerbesteuer-Meßbeträge in Höhe der in den Erstbescheiden festgestellten Zerlegungsanteile nach einem unzutreffenden Zerlegungsmaßstab aufgeteilt worden seien.

Der Ansicht der Klägerin, § 351 Abs. 1 AO 1977 sei im Zerlegungsverfahren nicht anwendbar, folgt der Senat nicht. Auf die Zerlegung von Gewerbesteuer-Meßbeträgen sind gemäß § 185 AO 1977 in der hier nach Art. 97 § 1 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung maßgeblichen Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) die für die Steuermeßbeträge geltenden "Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung" entsprechend anzuwenden, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. Danach sind auf die Zerlegung grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften über Verwaltungsakte (§§ 118 f. AO 1977) und über die Steuerfestsetzung (§§ 155 bis 168 AO 1977), aber auch diejenigen über die Aufhebung und Änderung von Steuerfestsetzungen anzuwenden (BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 2. a der Gründe; Urteil vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509). Zu den entsprechend anzuwendenden Vorschriften gehören auch die Bestimmungen über die Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 351 AO 1977, § 42 FGO). In den das Zerlegungsverfahren regelnden Vorschriften der §§ 186 bis 190 AO 1977 ist nichts anderes bestimmt; insbesondere ist die in § 387 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) enthaltende abweichende Regelung in die AO 1977 nicht übernommen worden (BFH-Urteil in BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 2. b bb und cc der Gründe). Eine am Zerlegungsverfahren beteiligte Gemeinde muß deshalb nicht damit rechnen, daß ihr ein niedrigerer Zerlegungsanteil zugewiesen wird als derjenige, der ihr vor der Änderung der Gewerbesteuer-Meßbescheide zustand.

3. Das FA mußte nach Änderung des Gewerbesteuer-Meßbescheids prüfen, ob der Klägerin nach den materiell-rechtlichen Zerlegungsvorschriften (§§ 28 f. GewStG) ein gegenüber dem zugeteilten Anteil höherer Zerlegungsanteil zusteht.

a) Mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem im ursprünglichen Gewerbesteuer-Meßbescheid und dem im Änderungsbescheid festgesetzten Gewerbesteuer-Meßbetrag liegt der im Zerlegungs-Änderungsbescheid neu zu verteilende Betrag verbindlich fest. Der geänderte einheitliche Gewerbesteuer-Meßbescheid ist im Verhältnis zum Zerlegungsbescheid Grundlagenbescheid. Soweit deshalb der Gewerbesteuer-Meßbescheid geändert wird, ist auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zu ändern.

Im Streitfall kommt nur § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 als Rechtsgrundlage für die Änderung des Zerlegungsbescheids in Betracht. Es ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, daß das FA den Änderungsbescheid zunächst auf § 189 AO 1977 gestützt hat (zur Zulässigkeit des Austausches der Rechtsgrundlage bei Zerlegungsbescheiden BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191, unter 2. d aa der Gründe).

b) Im Rahmen des aus dem Gewerbesteuer-Meßbescheid zu übernehmenden Erhöhungsbetrages kann eine zerlegungsberechtigte Gemeinde gegen die Zerlegung alle Einwendungen erheben, die sich aus ihrem Zerlegungsanspruch ergeben. Insbesondere umfaßt die Bestandskraft des ursprünglichen Zerlegungsbescheids nicht den in diesem Bescheid angewandten Zerlegungsmaßstab.

aa) Ein Änderungsbescheid ist in den Grenzen des § 351 Abs. 1 AO 1977 unter allen rechtlichen Gesichtspunkten unabhängig davon zu überprüfen, ob diese auch den Erstbescheid betreffen und im Änderungsbescheid fortwirken; die Anfechtungsbeschränkung bezieht sich nur auf den Tenor des Verwaltungsakts (BFH-Urteil vom 20. Januar 1987 IX R 49/82, BFH/NV 1987, 433, m. w. N.; Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 350 Anm. 2; Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 350 Rz. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 351 AO 1977 Tz. 9). Das gilt auch im Verhältnis des Zerlegungs-Erstbescheids zum Zerlegungs-Änderungsbescheid.

Der Ansicht der Vorentscheidung, daß bei Änderung des Gewerbesteuer-Meßbetrags im nachfolgenden Zerlegungsbescheid nur noch eine Zerlegung nach dem bisherigen Maßstab zulässig sei (so auch Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 27. März 1990 II 315/84 (III), EFG 1990, 590; Seitrich, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 401, 403; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 28 Rz. 10; ebenso - allerdings für die Sonderregelung des § 189 Satz 2 AO 1977 - FG Köln, Urteil vom 11. Dezember 1985 X 270/82 G, EFG 1986, 195, und FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 1992 17 K 57/83, EFG 1992, 550), folgt der Senat nicht. Die Bindungswirkung umfaßt den im Erstbescheid festgestellten Zerlegungsanteil nur nach seinem Betrag (§ 188 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Sie erstreckt sich nicht auf die Begründung des Bescheids. Der Zerlegungsmaßstab ist Teil der Begründung (Zerlegungsgrundlage i. S. von § 188 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, vgl. u. a. Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. Februar 1994 VI 131-134/88, EFG 1994, 1012; Tipke/Kruse, a. a. O., § 188 AO 1977 Tz. 2).

bb) Eine Einschränkung der Überprüfbarkeit des Zerlegungs- Änderungsbescheids ergibt sich auch nicht daraus, daß die in einem Folgebescheid zulässige Änderung auf die Anpassung an den Grundlagenbescheid beschränkt ist (§ 182 Abs. 1 AO 1977; zur Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids vgl. u. a. BFH-Urteil vom 10. August 1989 III R 5/87, BFHE 158, 109, BStBl II 1990, 38). Das ist zwar auch bei der Anpassung eines Zerlegungsbescheids an einen Gewerbesteuer-Meßbescheid zu beachten (BFH-Urteil in BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 2. b aa der Gründe, m. w. N.). Die Bindungswirkung umfaßt jedoch nur die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrags und dessen Zurechnung zum jeweiligen Steuerpflichtigen; weitergehende Einschränkungen ergeben sich aus ihr nicht. Insbesondere können innerhalb der Reichweite einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 - wie allgemein bei Folgebescheiden (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, unter 3. b der Gründe; Tipke/Kruse, a. a. O., § 175 AO 1977 Tz. 6) - auch bei einem Zerlegungs-Änderungsbescheid materiell-rechtliche Fehler zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen berichtigt werden (§ 177 AO 1977; Blümich/Hofmeister, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 28 GewStG Rz. 26; Klein, a. a. O., § 189 Anm. 1; Tipke/Kruse, a. a. O., § 188 AO 1977 Tz. 3; Seitrich, DStZ 1985, 401, 403; a. A. u. a. Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 1990, 590; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 189 AO 1977 Rz. 14, 15; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 189 Anm. 5; offengelassen im BFH-Urteil in BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 2. b aa der Gründe).

Soweit zur Begründung der gegenteiligen Ansicht auf § 189 Satz 2 AO 1977 verwiesen wird, nimmt der Senat auf sein Urteil in BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869 (unter 2. b cc der Gründe) Bezug; er hat dort näher ausgeführt, weshalb diese Vorschrift nur den Sonderfall der Änderung der Zerlegung bei nachträglicher Berücksichtigung von bisher übergangenen Steuerberechtigten erfaßt. Soweit vorgebracht wird, § 177 AO 1977 sei nur im Verhältnis des FA zum Steuerpflichtigen, nicht aber im Verhältnis der steuerberechtigten Gemeinden untereinander anwendbar, hat der Senat in dieser Entscheidung für die sinngemäße Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 darauf hingewiesen, daß diese Regelung an die Besonderheiten des Zerlegungsverfahrens anzupassen, ihre Anwendung aber nicht ausgeschlossen sei (dort unter 2. c der Gründe). Das gilt auch für die sinngemäße Anwendung des § 177 AO 1977 und bedeutet, daß auch hier von einer konkreten Nachprüfung der - insgesamt und teilweise gegenläufig - eintretenden steuerlichen Folgen der Zerlegung beim Steuerpflichtigen und bei den zerlegungsberechtigten Gemeinden abzusehen ist. Die sinngemäße Anwendung gebietet, daß innerhalb der Reichweite der Änderung alle Rechtsfehler berichtigt werden können. So kann z. B. der Steuerpflichtige, der bei unterschiedlichen Hebesätzen der Gemeinden durch den Zerlegungsbescheid beschwert ist, erreichen, daß der Gemeinde mit dem niedrigeren Hebesatz ein höherer Zerlegungsanteil zugewiesen wird. Dementsprechend kann diesen höheren Zerlegungsanteil auch die betroffene Gemeinde fordern. Dieses Recht steht aber auch der Gemeinde mit dem höheren Hebesatz zu; da die einzelne Gemeinde von den Regelungen in einem Zerlegungsbescheid unmittelbar betroffen wird, kann bei Zerlegungen nicht allein auf den Steuerpflichtigen abgestellt werden (BFH-Urteil in BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, unter 2. c ee der Gründe). Damit können die Gemeinden gegen einen Zerlegungs-Änderungsbescheid alle Einwendungen erheben, die sich aus den materiell-rechtlichen Zerlegungsvorschriften ergeben.

Dieser Beurteilung kann nicht entgegengehalten werden, daß § 387 Abs. 2 AO nicht in die AO 1977 übernommen wurde. Die dort getroffene Regelung sah vor, daß bei Änderung des Gewerbesteuer-Meßbetrags stets eine neue Zerlegung vorzunehmen ist. Dies führt zu einer Gesamtaufrollung des Zerlegungsfalles (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1967 I B 270/63, BFHE 90, 268, BStBl II 1968, 40, m. w. N.). Demgegenüber führt die Änderung des Gewerbesteuer-Meßbescheids gemäß § 185 AO 1977 nur noch zu einer Folgeänderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, wenn andere Änderungsvorschriften ausscheiden. Weitergehende Änderungen gegenüber der früheren Rechtslage ergeben sich nicht.

B. Materielles Recht

Der Senat kann auf der Grundlage des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht abschließend beurteilen, welcher Zerlegungsmaßstab im Streitfall anzuwenden ist. Dieser Maßstab kann sich aus der im Urteil erwähnten "Verständigung der Gemeinden" ergeben. Das Urteil enthält jedoch keine Feststellungen zu Art und Dauer dieser Verständigung. Das FG wird dabei von § 33 Abs. 2 GewStG ausgehen müssen, wonach eine Einigung der Gemeinden über die Zerlegung zulässig ist. Bei dieser Einigung kann es sich handeln um

- einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (so z. B. FG Köln, Urteil vom 29. September 1982 XII 1/77 G, EFG 1983, 362; Blümich/Hofmeister, a. a. O., § 33 GewStG Rdnr. 9; Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuer, Kommentar, § 33 Anm. 3; Bittner, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 33 Anm. 3), der als Vergleichsvertrag i. S. von § 55 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) formbedürftig wäre (§ 57 VwVfG),

- um eine Vereinbarung sui generis zwischen den hebeberechtigten Gemeinden und dem Steuerpflichtigen (so wohl BFH-Urteile vom 25. September 1968 I B 118/65, BFHE 93, 476, BStBl II 1968, 827; vom 26. Februar 1992 I R 58/91, BFH/NV 1992, 766; Glanegger/Güroff, a. a. O., § 33 Rdnr. 4; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 33 Anm. 6; Blümich/Boyens/Steinbring/Klein/Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 33 Anm. 5 Abs. 2) oder

- eine "tatsächliche Verständigung" (zu dieser vgl. die Nachweise im Urteil des BFH in BFH/NV 1992, 766).

In allen diesen Fällen ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Vereinbarung im Zweifel nur für den jeweiligen Erhebungszeitraum und unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse dieses Zeitraums gelten soll (§§ 14 Abs. 2, 28 Abs. 1, 29 Abs. 2 GewStG; vgl. auch Glanegger/Güroff, a. a. O., § 33 Anm. 4; Lenski/Steinberg, a. a. O., § 33 Anm. 6; abweichend u. a. FG Köln, EFG 1983, 362: Vereinbarung bis zur Kündigung wirksam; ebenso Blümich/Hofmeister, a. a. O., § 33 GewStG Rdnr. 9; Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, a. a. O., § 33 Anm. 3). Das FG wird den Sachverhalt insoweit noch aufzuklären haben.

Erstreckt sich die Vereinbarung nicht auf die Streitjahre, ist die Zerlegung nach §§ 28 f. GewStG vorzunehmen. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob sich die Betriebsstätte der KG auf mehrere Gemeinden erstreckt (§ 30 GewStG). Das ist dann der Fall, "wenn in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein einheitliches Ganzes besteht" (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 766, und Blümich/Hofmeister, a. a. O., § 30 GewStG Rdnr. 3, 4). Zu diesem einheitlichen Ganzen gehört in jedem Fall die unmittelbare verkehrsmäßige Erschließung des Betriebs. Die Zufahrten zum Betriebsgelände sind ein funktionsnotwendiger Teil der Betriebsstätte. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, daß der Teil der Gesamtanlage, der sich auf das Gebiet einer anderen Gemeinde erstreckt, auch für sich betrachtet alle Merkmale einer Betriebsstätte erfüllt. Der Senat verweist im übrigen auf das zwischen den Beteiligten in der Zerlegungssache 1985 ergangene Urteil des FG Nürnberg vom 8. Februar 1995 V 312/92.