| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 21.1.1999 (IV R 40/98) BStBl. 1999 II S. 563

Entscheidet das FG über die Höhe der Gewinne und die Gewinnverteilung, obwohl der Gewinnfeststellungsbescheid nur hinsichtlich des Bestehens einer Mitunternehmerschaft rechtzeitig mit der Klage angefochten ist, so liegt ein Verfahrensmangel vor. Ist nur über diesen Verfahrensmangel zu entscheiden, so bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG, weil der BFH das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen selbst zu prüfen und deshalb die Klage als unzulässig abzuweisen hat.

FGO § 118 Abs. 3 Satz 1, § 126 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 673)

Sachverhalt

Der 1985 verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 1. (Klägerin zu 1.) betrieb auf einem ihm und der Klägerin zu 1. zu je 1/2 Anteil gehörenden Grundstück ein Karosseriebauunternehmen. Das Grundstück wurde nur teilweise für betriebliche Zwecke genutzt; im übrigen war es vermietet bzw. wurde es zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

Rechtsnachfolger des Ehemanns der Klägerin zu 1. waren zu gleichen Teilen diese und ihr 1994 verstorbener Sohn EB, der in dem Betrieb nach dem Tode seines Vaters auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags die Funktion eines Betriebsleiters ausübte. Rechtsnachfolger von EB sind seine Ehefrau, die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2. (Klägerin zu 2.), und sein Sohn, der Kläger und Revisionsbeklagte zu 3. (Kläger zu 3.).

Die Klägerin zu 1. und EB erklärten für die Streitjahre (1986 bis 1990) hinsichtlich des nicht betrieblich genutzten Teils des Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin zu 1. wies die Gewinne aus dem Karosseriebauunternehmen in der Annahme, daß sie nach Anmeldung des Betriebs auf ihren Namen alleinige Betriebsinhaberin geworden sei, in ihren Einkommensteuererklärungen als gewerbliche Einkünfte aus einem Einzelunternehmen aus. Die aufgrund der Beschäftigung von EB auf der Grundlage des Arbeitsvertrags angefallenen Zahlungen einschließlich der Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung behandelte sie dabei als betrieblichen Aufwand. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem zunächst.

Im Anschluß an eine 1990 für die Jahre 1986 bis 1988 durchgeführte Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, daß sich die Erbengemeinschaft im Prüfungszeitraum nicht auseinandergesetzt habe, weshalb zwischen der Klägerin zu 1. und EB eine gewerbliche Mitunternehmerschaft bestanden habe. Es erließ deshalb einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zusammengefaßten geänderten Feststellungsbescheid für 1985 bis 1988, in dem es neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch solche aus Gewerbebetrieb erfaßte. Dabei rechnete es - gestützt auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - die von EB bezogenen Vergütungen einschließlich der Zuführungen zur Pensionsrückstellung den gewerblichen Gewinnen hinzu, ohne sie zum Gegenstand einer Feststellung als Sondervergütungen zu machen. Die so ermittelten Gewinne verteilte es zu gleichen Teilen auf die Klägerin zu 1. und EB. Für die Streitjahre 1989 und 1990 stellte es abweichend von den Feststellungserklärungen in erstmaligen Bescheiden neben den erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gewerbliche Einkünfte einer aus der Klägerin zu 1. und EB bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts fest, die es ebenfalls zu gleichen Teilen auf die Feststellungsbeteiligten verteilte.

Die dagegen eingelegten Einsprüche, mit denen sich die Klägerin zu 1. und EB gegen die Annahme einer zwischen ihnen bestehenden Mitunternehmerschaft wandten, hatten nur hinsichtlich des Jahres 1985 Erfolg. Das FA hob die geänderte Feststellung für dieses Jahr bezüglich der gewerblichen Einkünfte auf, hielt im übrigen aber an seiner Rechtsauffassung - auch hinsichtlich der Qualifizierung der Gehaltszahlungen an EB - fest.

Die Klägerin zu 1. und EB erhoben daraufhin Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung der Feststellungsbescheide für die Streitjahre die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf null DM festzustellen. Zur Begründung hielten sie an ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest.

In einem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erklärten die Kläger auf dessen Frage zum Gegenstand des Klagebegehrens, daß andere Punkte als das Bestehen der Mitunternehmerschaft zwischen der Klägerin zu 1. und EB nicht streitig seien. Der Berichterstatter wies die Beteiligten durch Schreiben vom 2. Oktober 1996 darauf hin, daß seiner Ansicht nach in den Streitjahren zwar eine Mitunternehmerschaft bestanden habe, die Gewinnfeststellung und die Gewinnverteilung in den angefochtenen Bescheiden jedoch fehlerhaft seien. Die von EB bezogenen Vergütungen seien zu Unrecht als Teil des der Klägerin zu 1. und EB jeweils hälftig zuzurechnenden Gesellschaftsgewinns behandelt worden. Als Sondervergütungen i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hätten sie erst im Anschluß an die Ermittlung des Gesellschaftsgewinns berücksichtigt werden dürfen. Der Gesellschaftsgewinn sei daher entsprechend zu kürzen. Der verbleibende Betrag sei zu gleichen Teilen auf die Klägerin zu 1. und EB (bzw. seine Rechtsnachfolger) zu verteilen. Den so ermittelten Gewinnanteilen von EB seien die von ihm bezogenen Sondervergütungen hinzuzurechnen, allerdings nur bis zur Höhe der Beträge, die das FA ihm in den angefochtenen Bescheiden zugerechnet habe. Einer Hinzurechnung der Sondervergütungen über diese Beträge hinaus stehe das Verböserungsverbot entgegen. Für die Streitjahre 1989 und 1990 seien zudem bislang unterbliebene Gewerbesteuerrückstellungen zu berücksichtigen. Die Kläger erklärten sich mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1996 mit diesem Vorschlag einverstanden. Das FA hielt an der in den angefochtenen Bescheiden vorgenommenen Gewinnfeststellung und -verteilung fest.

Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 673 veröffentlichten Urteil wies das Finanzgericht (FG) die Klage insoweit ab, als sie sich gegen die Feststellung einer Mitunternehmerschaft zwischen der Klägerin zu 1. und EB richtete. Es stellte jedoch die Gewinne für die Streitjahre entsprechend dem Vorschlag des Berichterstatters im Schreiben vom 2. Oktober 1996 neu fest und verteilte sie abweichend von den angefochtenen Bescheiden gemäß diesem Vorschlag in unterschiedlicher Höhe auf die Kläger.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA ausschließlich Verfahrensmängel.

Es beantragt, das Urteil des FG Münster vom 3. Dezember 1996 11 K 5280/93 F aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die Klage ist, soweit sie noch anhängig ist, als unzulässig abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat über die Klage betreffend die Gewinnfeststellung und -verteilung, die erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden und deshalb unzulässig ist, verfahrensfehlerhaft durch Sachurteil entschieden.

1. Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann - insbesondere wenn es sich wie im Streitfall um eine gesonderte und einheitliche Feststellung handelt - mehrere einzelne Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen umfassen, die, soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind, als eigenständiger Gegenstand eines Klagebegehrens i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO in Betracht kommen. Selbständige Teile der Feststellung in diesem Sinne sind z. B. Aussagen zur Art der Einkünfte, zum Bestehen einer Mitunternehmerschaft, zur Höhe des nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels allen Gesellschaftern anteilig zuzurechnenden laufenden Gewinns (Bilanzgewinn), die Höhe eines etwaigen Veräußerungsgewinns, aber auch die Verteilung des Bilanzgewinns oder eines Veräußerungsgewinns auf die Gesellschafter (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, und BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327, unter C. II. 3., jeweils m. w. N.). In welchem Umfang der Feststellungsbescheid angefochten und damit Streitgegenstand ist, ist dem Klageantrag, ggf. im Wege der Auslegung, zu entnehmen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 29. Juli 1992 IV B 7/91, BFH/NV 1993, 43, und BFH-Beschluß vom 10. September 1997 VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282).

Die Kläger haben in der Klageschrift beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung der Feststellungsbescheide die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1986 bis 1990 auf null DM festzustellen. Dem Wortlaut des Antrags nach haben sie damit zwar die Höhe der festgestellten Gewinne angefochten. Aus ihrem Vorbringen folgt jedoch, daß sie sich nur gegen die Annahme einer Mitunternehmerschaft als einer selbständigen Feststellung im Rahmen der angefochtenen Bescheide gewandt haben. Nur darauf bezogen sich bis zum Hinweis des Berichterstatters im Schreiben vom 2. Oktober 1996 die Ausführungen in ihren Schriftsätzen. Darlegungen dazu, daß die festgestellten Gewinne der Höhe nach sachlich oder rechnerisch fehlerhaft ermittelt worden seien, enthalten die Schriftsätze nicht. Die Kläger haben dementsprechend noch im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter ausdrücklich erklärt, daß andere Punkte als das Bestehen einer Mitunternehmerschaft zwischen der Klägerin zu 1. und EB nicht streitig seien. Der Antrag in der Klageschrift ist daher so zu verstehen, daß nur eine Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Feststellung gewerblicher Einkünfte begehrt wurde. Die Kläger haben ihr Begehren erst durch den Schriftsatz vom 24. Oktober 1996 auf die Höhe der festgestellten Gewinne und die Gewinnverteilung erweitert. Zu diesem Zeitpunkt war die Klagefrist bereits abgelaufen. Das FG hätte die Klage folglich auch insoweit, und zwar durch Prozeßurteil, abweisen müssen.

2. Die Entscheidung durch Sachurteil statt durch Prozeßurteil stellt - zumal wenn der Klage stattgegeben wird - einen Verfahrensmangel dar (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Rz. 72; vgl. auch BFH-Urteil vom 30. November 1993 IX R 92/91, BFHE 173, 204, BStBl II 1994, 403). Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls ist deswegen aber keine Zurückverweisung der Sache an das FG erforderlich. Der Senat kann vielmehr in der Sache selbst entscheiden.

Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, daß im Fall einer ausschließlich auf Verfahrensmängel gestützten Revision, bei der nicht auch die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO gegeben sind (§ 118 Abs. 3 Satz 1 FGO), bei Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels ein Durchentscheiden nicht in Betracht kommt, vielmehr nur eine Aufhebung und Zurückverweisung möglich ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242; vom 27. Juli 1993 VIII R 67/91, BFHE 173, 480, BStBl II 1994, 469; vom 16. November 1993 VIII R 7/93, BFH/NV 1994, 891, und Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 IV R 24/94, BFH/NV 1995, 421; ebenso Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 118 FGO Rz. 68). Die Voraussetzungen des § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO liegen hier vor, weil das FA die Revision ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gestützt hat.

Den angeführten Entscheidungen ist allerdings gemeinsam, daß der Verfahrensmangel seiner Art nach keine Entscheidung des BFH in der Sache zuließ, insbesondere ausreichende tatsächliche Feststellungen fehlten, um in der Sache selbst entscheiden zu können (fehlerhafte Entscheidung des FG durch Prozeß- statt durch Sachurteil, Unwirksamkeit der Vorentscheidung wegen unklaren, nicht auslegungsfähigen Tenors, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten). Der BFH kann dagegen gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache selbst erkennen, wenn sie spruchreif ist, d. h. wenn die vom FG festgestellten Tatsachen eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache ermöglichen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 126 Rz. 9). Demgemäß darf ausnahmsweise selbst dann in der Sache entschieden werden, wenn ein absoluter Revisionsgrund i. S. von § 119 FGO vorliegt, die Aufhebung und Zurückverweisung aber aus sachlichen Gründen nur zur Wiederholung des angefochtenen Urteils führen würde (BFH-Urteile vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492, und vom 10. März 1987 IX R 51/86, BFH/NV 1988, 35).

Eine vergleichbare Situation liegt im Streitfall vor. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen sind vom BFH von Amts wegen und ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG zu prüfen (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474). Der dem FG unterlaufene Verfahrensmangel haftet der Klage nur insoweit an, als sie sich auf die Höhe der festgestellten Gewinne und die Gewinnverteilung bezieht. Diesen Verfahrensmangel kann der Senat durch die Abweisung dieses Teils der Klage als unzulässig korrigieren, ohne daß dies Auswirkungen auf die Entscheidung des FG zum Bestehen der Mitunternehmerschaft hat. Dieser Teil der Entscheidung ist dadurch, daß das FA das Urteil nur hinsichtlich des stattgebenden Teils angefochten hat, rechtskräftig geworden. Es ist auch nicht ersichtlich, daß das Durchentscheiden des Senats Rechte der Kläger, z. B. ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, beeinträchtigen würde. Das FG könnte nicht anders entscheiden als der Senat selbst; die Aufhebung und Zurückverweisung könnte nicht zu Ermittlungsmaßnahmen oder Feststellungen des FG führen, die zu treffen dem BFH mit Rücksicht auf die Bindungen des Revisionsrechts untersagt ist.

3. Da die Klageerweiterung bezüglich der Höhe der festgestellten Gewinne unzulässig ist, weil die Klagefrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, kommt eine Abänderung der angefochtenen Bescheide für 1989 und 1990 auch insoweit nicht in Betracht, als das FA die Gewinne dieser Jahre ohne Minderung um Gewerbesteuerrückstellungen festgestellt hat. Die Kläger können die entsprechenden Beträge deshalb erst im Jahr der Zahlung als nachträgliche Betriebsausgaben geltend machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hatte mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ungeachtet der Teilrechtskraft der Vorentscheidung zum Bestehen der Mitunternehmerschaft über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden (vgl. auch BFH- Beschluß vom 13. Juli 1995 VII R 37/95, BFH/NV 1996, 166).