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  BFH-Urteil vom 29.4.1999 (IV R 49/97) BStBl. 1999 II S. 652

1. § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG ist auf Gewinneinkünfte nicht entsprechend anzuwenden.

2. Die außerbetrieblich veranlaßte verbilligte Vermietung einer zum Betriebsvermögen gehörenden Wohnung stellt eine Nutzungsentnahme dar.

EStG §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4, 21 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1997, 1368)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, dessen Gewinn er durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Zum Betriebsvermögen gehört ein ehemaliges Verwalterhaus mit einer Wohn- und Nutzfläche von 259 qm, wovon 24 qm als Büroräume genutzt werden. Die übrige Fläche ist seit Oktober 1991 an die Mutter des Klägers vermietet. Der vereinbarte Mietzins beläuft sich auf 3 DM/qm, ortsüblich waren in den Streitjahren 1990 und 1991 5,50 DM/qm.

Die Wohnung hatte der Kläger vor dem Bezug durch seine Mutter im Wirtschaftsjahr 1990/91 für 250.000 DM renovieren lassen. Auf Schönheitsreparaturen entfielen davon 22.000 DM. Die Kosten behandelte der Kläger als laufende Betriebsausgaben.

Nach einer Außenprüfung schloß sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der Auffassung des Prüfers an, die Instandsetzungskosten seien hinsichtlich der Schönheitsreparaturen (22.000 DM) vollständig privat veranlaßt und nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Im übrigen liege insoweit, als die Wohnung verbilligt vermietet worden sei (45,5 v. H.), eine Nutzungsentnahme vor, die mit den anteiligen Renovierungskosten (103.740 DM) zu bewerten sei.

Nachdem er gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide für 1990 und 1991 erfolglos Einspruch erhoben hatte, machte der Kläger mit der Klage geltend, die anteiligen Instandhaltungsaufwendungen von 103.740 DM seien gewinnmindernd zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1368 veröffentlichten Entscheidung führte es im wesentlichen aus, da der an die Mutter vermietete Teil des Verwalterhauses zum gewillkürten Betriebsvermögen gehöre, seien die dafür entstandenen Aufwendungen in voller Höhe Betriebsausgaben. Der Rechtsgedanke des § 21 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Kürzung der Werbungskosten nur stattfinde, wenn die Marktmiete um mehr als 50 v. H. unterschritten werde, sei auch im Bereich des Betriebsvermögens anzuwenden. Diese Grenze sei hier nicht überschritten. Eine Nutzungsentnahme infolge der verbilligten Überlassung liege nicht vor. Auch die Voraussetzungen für eine Liebhaberei oder eine Anwendung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) seien nicht erfüllt.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Das FG habe zu Unrecht eine anteilige Nutzungsentnahme verneint.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, soweit sie das Streitjahr 1990 betrifft. In bezug auf die Einkommensteuer 1991 ist sie begründet und führt zur teilweisen Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend für 1990 keine Nutzungsentnahme berücksichtigt. Sie hätte jedoch bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1991 angesetzt werden müssen.

1. Die Wohnung im ehemaligen Verwalterhaus gehörte zum Betriebsvermögen des vom Kläger unterhaltenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.

a) Als Wohnung des Gutsverwalters war das Verwalterhaus ursprünglich insgesamt notwendiges Betriebsvermögen gewesen. Infolge der Nutzungsänderung der nun zur Vermietung an nicht Betriebsangehörige dienenden Räume in dem ehemaligen Verwalterhaus änderte sich an der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nur insoweit etwas, als die betreffenden Gebäudeteile vom Zeitpunkt der Nutzungsänderung (Oktober 1991) an zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörten. Denn durch eine Fremdvermietung verlieren Gebäude nicht die Eignung und Bestimmung, dem Betrieb zu dienen (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40, und vom 8. März 1990 IV R 60/89, BFHE 160, 443, BStBl II 1994, 559).

b) Eine Entnahme der Wohnung hat nicht stattgefunden. Weder liegt eine ausdrückliche Entnahmeerklärung des Klägers vor, noch ist in der Überlassung der Wohnung an die Mutter eine Entnahme zu sehen. Letzteres wäre dann in Betracht zu ziehen, wenn das Mietverhältnis mit der Mutter nicht anzuerkennen wäre. Das FG hat dem Mietvertrag indessen die Anerkennung nicht versagt. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden.

2. Die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Renovierung der Wohnung sind, soweit sie im Verfahren noch geltend gemacht werden, Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG des Wirtschaftsjahres 1990/91. Zwar sind nicht alle Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Betriebsvermögensgegenstand eo ipso auch Betriebsausgaben. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Aufwendungen mit einer betrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts in Zusammenhang stehen. Davon ist vorliegend aber in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung auszugehen. Die geplante Nutzung der Wohnung zur Vermietung an Dritte diente nicht außerbetrieblichen Zwecken, sondern der Erzielung von Betriebseinnahmen.

Der erkennende Senat hat keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob die Renovierungsaufwendungen möglicherweise als nachträgliche Herstellungskosten zu aktivieren sind, nachdem FG und die Beteiligten von Anfang an übereinstimmend die Auffassung vertreten haben, daß die Voraussetzungen für Erhaltungsaufwand und damit für den sofortigen Abzug als Betriebsausgabe vorliegen.

3. Die verbilligte Vermietung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens stellt eine Nutzungsentnahme dar, wenn und soweit die Verbilligung außerbetrieblich veranlaßt ist.

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Entnahmen auch Nutzungen und Leistungen, die der Steuerpflichtige für betriebsfremde Zwecke entnimmt. Gewährt der Steuerpflichtige einem Dritten aus außerbetrieblichen Gründen die unentgeltliche Nutzung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, ist darin eine Entnahme der Nutzung zu sehen. Gleiches gilt, wenn und soweit er die Nutzung gegen ein Entgelt einräumt, das aus außerbetrieblichen Gründen hinter dem marktüblichen Entgelt zurückbleibt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Januar 1998 X R 57/93, BFHE 185, 230). Mit dem Ansatz einer Entnahme wird der für das Wirtschaftsgut entstandene Aufwand, der grundsätzlich in vollem Umfang als Betriebsausgabe den Gewinn mindert, neutralisiert, soweit er die außerbetriebliche Nutzung betrifft (BFH-Urteile vom 12. Juli 1973 IV R 205/69, BFHE 110, 252, BStBl II 1973, 842; vom 23. März 1995 IV R 94/93, BFHE 177, 408, BStBl II 1995, 637; in BFHE 185, 230).

b) Von der Erfassung einer Nutzungsentnahme ist nicht unter entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG abzusehen.

aa) Diese Vorschrift regelt, daß bei einem weniger als 50 v. H. der ortsüblichen Marktmiete betragenden Mietzins die Nutzung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten ist. Das hat zur Folge, daß in einem solchen Fall Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur entsprechend dem Anteil der entgeltlichen Nutzung abzugsfähig sind (BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 IX R 88/94, BFHE 182, 546, BStBl II 1997, 605). Im Umkehrschluß bedeutet die Regelung zugleich, daß bei Mieten von mindestens 50 v. H. der Marktmiete keine Kürzung der Werbungskosten vorzunehmen ist. In typisierender Betrachtung behandelt das Gesetz solche Nutzungen als voll entgeltlich, womit der früher anderslautenden Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 4. Juni 1986 IX R 80/85, BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839; vgl. auch Urteile vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490, und vom 30. August 1994 IX R 63/92, BFH/NV 1995, 388) in dieser Hinsicht die Grundlage entzogen worden ist.

bb) Die Vorschrift betrifft ausdrücklich nur die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie ist nicht über die Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG auch auf Gewinneinkünfte anzuwenden, denn diese Klausel betrifft die Einkünfte nur dem Grunde, nicht aber der Höhe nach. Die betragsmäßige Ermittlung der Einkünfte folgt den Grundsätzen für die Einkunftsart, der die Vermietungseinkünfte zuzuordnen sind.

cc) § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG ist auch nicht im Bereich der Gewinneinkunftsarten entsprechend anzuwenden (a. A. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Anm. B 431 b f.; Puhl, Deutsches Steuerrecht 1986, 387, 392). Der Senat hat bereits Zweifel, ob diese Vorschrift als sachlich ungerechtfertigte Steuervergünstigung verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. Paus, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 88; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. C 47). Letztlich kann diese Frage dahinstehen. Jedenfalls steht einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift entgegen, daß sie eine systemwidrige Sonderregelung enthält (BFH in BFHE 185, 230). Derartige Normen sind einer analogen Anwendung generell nicht zugänglich.

4. Im Wirtschaftsjahr 1990/91 kommt der Ansatz einer Nutzungsentnahme im Zusammenhang mit der Vermietung an die Mutter des Klägers nicht in Betracht. Denn die Vermietung fand nach den Feststellungen des FG erstmals im Oktober 1991, also im Wirtschaftsjahr 1991/92, statt. Die im Veranlagungszeitraum 1990 erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind von der Vermietung nicht betroffen.

5. a) Die Nutzungsentnahme durch die verbilligte Vermietung der Wohnung seit Oktober 1991 führt zur Erhöhung des Gewinns aus dem Wirtschaftsjahr 1991/92 und in Höhe der Hälfte des für die Entnahme anzusetzenden Betrags zur Erhöhung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Veranlagungszeitraums 1991. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zur Bewertung der Nutzungsentnahme getroffen. Diese Feststellungen müssen jetzt nachgeholt werden. Die Sache geht deshalb in bezug auf das Streitjahr 1991 an das FG zurück.

Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung zu erwägen haben, ob die Nutzungsentnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit den anteiligen Selbstkosten seit Beginn der verbilligten Vermietung mit einem die zuvor entstandenen Modernisierungskosten zeitanteilig berücksichtigenden Betrag oder mit der Verbilligung gegenüber der Marktmiete bewertet werden muß (vgl. z. B. Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C. I. 1. b bb; BFH-Urteile vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8; vom 18. Februar 1992 VIII R 9/87, BFH/NV 1992, 590; in BFHE 185, 230).

b) In bezug auf das Streitjahr 1990 kann der Senat selbst entscheiden. Nachdem das FG die vom FA angesetzte Entnahme im Wirtschaftsjahr 1990/91 zutreffend rückgängig gemacht hat, ist die Revision insoweit als unbegründet zurückzuweisen.