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  BFH-Urteil vom 21.7.1999 (I R 141/97) BStBl. 1999 II S. 832

§ 36a EStG schließt die Anrechnung von Körperschaftsteuer - neben weiteren Voraussetzungen - aus, wenn "nach Beginn der Vollstreckung" anzunehmen ist, dass die vollständige Einziehung der rückständigen Körperschaftsteuer bei der ausschüttenden Körperschaft keinen Erfolg haben wird. Auf den Beginn der Vollstreckung kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Körperschaft im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden ist.

EStG 1983 § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a, § 36a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1997, 1243)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war - neben einer einzelunternehmerischen Betätigung - beherrschende Gesellschafterin einer GmbH. Diese stellte in 1987 ihre werbende Tätigkeit ein und wurde am 28. August 1990 - mit Zustimmung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) - wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögenswerten der Einzelfirma der Klägerin auf die GmbH hatte das FA die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) im Umfang von 177.592 DM als erfüllt angesehen. Dementsprechend waren die Ausschüttungsbelastung hergestellt und die Körperschaftsteuer 1985 durch Einspruchsentscheidung vom 24. November 1987 festgesetzt worden. Im anschließenden Klageverfahren hatte das FA die Vollziehung dieser Steuerfestsetzung ausgesetzt, zunächst in Höhe von 28.125 DM, später erweitert auf 61.875 DM. Das Klageverfahren endete durch Beschluss vom 22. Oktober 1992, nachdem man sich geeinigt hatte, die vGA auf 117.592 DM zu reduzieren. Eine Änderung der Steuerfestsetzung unterblieb.

Dem Antrag der GmbH, die Körperschaftsteuer-Abschlußzahlung zu stunden, hatte das FA nicht entsprochen (Bescheid vom 14. April 1988). Die GmbH leistete gleichwohl nicht. Wegen weiterer Steuerschulden der GmbH kam es in der Folge zu einem Streit zwischen den Beteiligten über die Verbuchung von Schecks der Klägerin. Das FA mahnte die danach noch bestehenden Steuerrückstände der GmbH (Körperschaftsteuer von 99.895 DM zuzüglich Säumniszuschläge von 23.068 DM) zwar an, versuchte jedoch nicht, bei dieser zu vollstrecken.

Die GmbH hatte am 15. März 1988 eine Steuerbescheinigung über anrechenbare Körperschaftsteuer gemäß § 44 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Höhe von 99.895 DM erteilt, woraufhin das FA gegen die Klägerin für das Streitjahr 1985 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erließ, darin die vGA von ursprünglich 177.592 DM sowie die darauf anrechenbare Körperschaftsteuer von 99.895 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasste (§ 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1983) und diese Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG 1983 auch anrechnete. Durch Änderungsbescheid vom 23. Dezember 1992 wurde die Anrechnung - unter Hinweis auf § 36a EStG 1983 - jedoch rückgängig gemacht; zugleich setzte das FA die vGA mit nunmehr 117.592 DM zuzüglich darauf entfallender Körperschaftsteuer von 66.146 DM als Kapitaleinkünfte an.

Die Klage der Klägerin gegen den im Anschluss daran ergangenen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 17. Dezember 1993 blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1243 abgedruckt.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung von § 36a EStG 1983.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und den angefochtenen Abrechnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Nachforderung in Höhe von 99.895 DM nicht anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Abrechnung.

1. Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass der Klägerin im Streitjahr infolge vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1983 zugeflossen (§ 11 EStG 1983) sind, zu denen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1983 auch die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1983 anzurechnende Körperschaftsteuer gehört. Zweifelhaft ist lediglich, ob die Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1983 auf die festgesetzte Einkommensteuer der Klägerin anzurechnen oder ob die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a i.V.m. § 36a EStG 1983 ausgeschlossen ist. Entgegen der Annahme des FG liegen die Voraussetzungen für den Anrechnungsausschluss nicht vor.

a) § 36a EStG 1983 schließt die Anrechnung von Körperschaftsteuer bei einem Anteilseigner mit beherrschendem Einfluss oder bei einem wesentlich beteiligten Anteilseigner (nur) aus, "soweit die anzurechnende Körperschaftsteuer nicht durch die ihr entsprechende gezahlte Körperschaftsteuer gedeckt ist und nach Beginn der Vollstreckung wegen dieser rückständigen Körperschaftsteuer anzunehmen ist, dass die vollständige Einziehung keinen Erfolg haben wird" (§ 36a Abs. 1 EStG 1983). Die Vorschrift schafft damit eine Ausnahme von der gesetzlich - nicht zuletzt auch aus Gründen der Praktikabilität - statuierten Regel, dass die Anrechnung der Körperschaftsteuer beim Anteilseigner unabhängig davon gewährt wird, ob die Körperschaftsteuer von der Körperschaft entrichtet worden ist (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG 1983). Eine solche Ausnahme erschien dem Gesetzgeber deswegen geboten, weil der beherrschende oder wesentlich beteiligte Anteilseigner infolge seines Einflusses auf die Körperschaft in der Lage sei, Ausschüttungen an sich selbst zu beschließen, "obwohl er weiß, dass die Körperschaftsteuer nicht entrichtet ist" (BTDrucks 7/1470, S. 301, Begründung des Regierungsentwurfs zu dem - § 36a EStG 1983 im wesentlichen entsprechenden - § 128 EStG). Eine Unterscheidung zwischen offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen macht das Gesetz dabei nicht (vgl. z.B. Strunk in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 36a EStG, Rz. 3 a.E.; Brenner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 36a Rdnr. A 37).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung sind im Streitfall indes schon deshalb nicht erfüllt, weil das FA der ausschüttenden Kapitalgesellschaft gegenüber keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen und eingeleitet hat (vgl. dazu § 254 AO 1977; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 249 AO Tz. 15 ff.; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 251 AO Rz. 16 ff.). Der Umstand, dass der GmbH während des durch diese betriebenen Klageverfahrens gegen die Körperschaftsteuerfestsetzung 1985 (teilweise) Aussetzung der Vollziehung gewährt worden ist, kann das Fehlen solcher Maßnahmen ebenso wenig ersetzen wie die gegen die Klägerin eingeleiteten Beitreibungsversuche und wie der Streit mit dieser über die Verbuchung von ihr eingereichter Schecks auf Steuerrückstände der GmbH.

b) Die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen war auch nicht entbehrlich. Zwar mögen sie sich als nur wenig oder nicht erfolgversprechend erwiesen haben, spätestens nachdem die Gesellschaft - am 28. August 1990 - im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden war. Angesichts dessen trifft es sicher auch zu, dass die Anrechnung der Körperschaftsteuer beim (beherrschenden) Anteilseigner dem Grundgedanken der Regelung des § 36a EStG 1983 widersprechen kann. Der Gesetzgeber hat den (ausnahmsweisen) Anrechnungsausschluss jedoch ausdrücklich an den - zusätzlichen - Beginn der Vollstreckung als gezielte Verwaltungsmaßnahme geknüpft und die bloße Annahme, dass die vollständige Einziehung der rückständigen keinen Erfolg haben wird, gerade nicht ausreichen lassen, wohl, um den Anteilseigner vor einer "übereilten Anwendung" des Anrechnungsausschlusses zu schützen (vgl. Jost in Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 36a EStG Rz. 87). Auf die vermutliche Erfolglosigkeit von Vollstreckungsversuchen allein wurde deshalb nicht abgestellt, auch nicht darauf, ob solche Versuche "völlig unnützen Verwaltungsaufwand" bedingen (so aber Jost, ebd., Rz. 87b), oder ob konkreter Anlass bestand, die betreffenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 261 AO 1977 verwaltungsintern niederzuschlagen (so Zimmermann in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 36a Rz. 34; s.a. Heinicke/Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 36a Rz. 4), oder aus welchen Gründen die Finanzbehörde davon abgesehen hat, Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Der klare Gesetzeswortlaut belässt grundsätzlich keine Auslegungsmöglichkeiten, er verbietet desgleichen Analogieschlüsse auf andere (auch ähnliche) Sachverhalte zu Lasten des Steuerpflichtigen (gleicher Ansicht FG Köln, Beschluss vom 25. November 1996 12 V 5640/96, GmbH-Rundschau 1997, 185; Conradi in Littmann/ Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 36a EStG Rz. 14; vgl. auch bereits Senatsurteil vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191, 194).

2. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist zu ändern, indem für 1985 Körperschaftsteuer angerechnet wird, allerdings nicht - wie von der Klägerin nach wie vor beantragt - in Höhe von 99.895 DM, sondern nur von 66.146 DM. Denn nur in diesem Umfang sind im zuletzt geänderten Einkommensteuerbescheid vom 23. Dezember 1992 die zugrundeliegende vGA sowie die darauf anrechenbare Körperschaftsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG 1983 als Kapitaleinkünfte erfasst worden. Nur in diesem Umfang kommt deswegen auch eine entsprechende Körperschaftsteueranrechnung in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 27. März 1996 I R 87/95, BFHE 180, 332, BStBl II 1996, 473, m.w.N.). Im übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.