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  BFH-Urteil vom 4.3.1998 (XI R 53/96) BStBl. 2000 II S. 13

Die Umsätze einer GmbH aus ambulanter Zahnbehandlung, die der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer als approbierter Zahnarzt ausführt, sind steuerfrei.

UStG 1991 § 4 Nr. 14.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1996, 778)

Sachverhalt

I.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Zahnarztpraxis. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist Zahnarzt Q. Er ist für die Klägerin als alleiniger Zahnarzt tätig.

Neben steuerpflichtigen Laborleistungen erbrachte die Klägerin im Streitjahr zahnärztliche Behandlungsleistungen, die sie in ihrer Umsatzsteuererklärung als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 erklärte. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) unter Hinweis auf die Rechtsform der Klägerin nicht.

2. Die Klage hatte Erfolg. Auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 778 abgedruckte Urteil des Finanzgerichts (FG) wird verwiesen.

3. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 4 Nr. 14 UStG 1991. Aus der vom FG angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juli 1994 XI R 90/92 (BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84) könne lediglich hergeleitet werden, dass es auf die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkünfte einer Personengesellschaft nicht ankomme, nicht dagegen könne daraus entnommen werden, dass auch (juristische) Personen, die die geforderte berufliche Qualifikation nicht erfüllen, steuerbefreit zu seien, wenn sie die heilberufliche Tätigkeit durch Angestellte ausübten. Aus der Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 27. September 1993 V B 31/92, BFH/NV 1994, 419, und vom 29. Mai 1991 V B 14/91, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1992, 147) ergebe sich das Gegenteil. Die Begünstigung heilberuflicher Betätigung setze nach Sinn und Zweck voraus, dass sie im Rahmen eines freien Berufs insgesamt und verantwortlich übernommen werde. Das sei nur bei Leistungen eines Arztes oder einer aus Ärzten bestehenden Personengesellschaft, nicht dagegen bei einer GmbH der Fall.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hat den geänderten Umsatzsteuerbescheid des FA vom 21. Mai 1996 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FG die streitigen Umsätze der Klägerin als gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991 steuerfrei behandelt.

1. Nach § 4 Nr. 14 UStG 1991 sind u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Die Steuerfreiheit der Umsätze aus einer heilberuflichen Tätigkeit setzt zum einen voraus, dass derjenige, der sie ausübt, die Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen für einen der genannten Berufe erfüllt, zum anderen, dass die Umsätze aus der berufstypischen Tätigkeit herrühren (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804; in BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84). Die Steuerbefreiung "aus der Tätigkeit" eines Angehörigen der genannten Berufsgruppen gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991 ist jedoch nicht auf die Person der jeweiligen Berufsträger selbst beschränkt. Es ist anerkannt, dass auch Personengesellschaften als Unternehmer Steuerfreiheit beanspruchen können, wenn alle Gesellschafter die nach § 4 Nr. 14 UStG 1991 erforderlichen Qualifikationen aufweisen (BFH- Urteile vom 26. August 1993 V R 45/89, BFHE 172, 223, BStBl II 1993, 887; in BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84; zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584). Dann übt die Gesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit selbst einen "freien Beruf" aus. Sowohl persönlich haftende Gesellschafter als auch Kommanditisten dürfen allerdings nicht nur kapitalistisch beteiligt sein oder Tätigkeiten ausüben, die keine freiberuflichen sind (BFH-Urteil vom 26. November 1970 IV 60/65, BFHE 101, 115, BStBl II 1971, 249).

Diese Grundsätze hält der Senat für umsatzsteuerrechtliche Beurteilung über den Bereich der Personengesellschaften hinaus auch für anwendbar, wenn Unternehmer eine GmbH ist, deren Gesellschafter und Geschäftsführer wie im Streitfall die nach § 4 Nr. 14 UStG erforderliche Qualifikation aufweisen. Denn im Bereich der Umsatzbesteuerung ist eine Differenzierung zwischen Unternehmern der genannten Rechtsformen nicht vorgegeben. Auch eine GmbH ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) als solche nicht gehindert, die hier in Frage stehende Tätigkeit (ambulante Zahnbehandlung - nicht jedoch den Betrieb einer Krankenanstalt) als eigene vertragliche Leistung zu erbringen (BGH-Urteil vom 25. November 1993 I ZR 281/91, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 1994, 381). Dem stünden weder gesetzliche Regelungen noch gewohnheitsrechtliche Fixierungen entgegen; zudem sei durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auch das Recht einer GmbH auf freie Berufswahl geschützt. Auch § 1 des Gesetzes über die Zahnheilkunde (ZHG) hindere diese Beurteilung jedenfalls solange nicht, als die GmbH sich direkter Weisungen oder anderer Einflussnahmen spezifisch fachlicher, behandlungsbezogener Art enthalte. Unerheblich sei, dass das Angebot ambulanter zahnärztlicher Behandlung durch ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH bisher nicht üblich sei (BGH-Urteil in ZIP 1994, 381).

2. Zahnheilkunde, wie sie von der Klägerin betrieben wird, ist eine der in § 4 Nr. 14 UStG 1991 genannten heilberuflichen Tätigkeiten i.S. des § 18 EStG. Sie wird für die Klägerin ausschließlich von ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer O wahrgenommen, der als approbierter Zahnarzt die Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen für die ausgeübte Tätigkeit aufweist. Demgegenüber ist für die Steuerbefreiung nicht hinderlich, dass die Klägerin als juristische Person keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen kann. Denn der Regelung in § 4 Nr. 14 UStG 1991 lässt sich keine Bindung an eine dementsprechende einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte entnehmen (BFH-Urteil in BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84; a. A. Oberfinanzdirektion Saarbrücken, Verfügung vom 18. Januar 1989 - S 7170 - 27 - St 241, UR 1989, 294; Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl. 1997, § 4 Nr. 14, Rn. 26). Die Verweisung auf § 18 EStG erfolgt lediglich zur Beurteilung der Art der Tätigkeit. Entspricht diese den Erfordernissen des § 18 EStG, steht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1991 nicht entgegen, dass die Einkünfte daraus aufgrund anderer Vorschriften im Bereich der Ertragsteuern nicht als solche aus freiberuflicher Tätigkeit zu qualifizieren sind.

3. Für die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG 1991 im Streitfall spricht, worauf das FG hinweist, auch der vom Gesetzgeber mit der Befreiung heilberuflicher Umsätze verfolgte Zweck, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten (BFH-Urteil in BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84). Diesem Zweck entspricht es, auch eine GmbH, die eine heilberufliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift ausübt, mit diesen Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien.

4. Die Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG 1991 durch den Senat steht auch mit der Regelung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) im Einklang. Danach sind von der Steuer zu befreien die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden. Danach kommt es nicht darauf an, in welcher Rechtsform die ärztlichen und arztähnlichen Berufe ausgeübt werden.

5. Gegenstand des vom FA bezeichneten BFH-Beschlusses in BFH/NV 1994, 419 war die Abgrenzung steuerfreier Umsätze aus ärztlichen Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 Sätze 1 und 3 UStG 1980 von Umsätzen aus dem Betrieb eines Krankenhauses, die nur unter den Voraussetzungen des § 14 Nr. 16b UStG 1980 steuerfrei sind.

Vorliegend ist die Beurteilung ambulanter Zahnbehandlung streitig. Im BFH-Beschluss in UR 1992, 147 wurde entschieden, dass die Betreuungsleistungen eines privaten ambulanten Pflegedienstes (Krankenbetreuung und Seniorenbetreuung) nicht nach § 4 Nrn. 14, 16 Buchst. d, 18 UStG 1980 umsatzsteuerfrei sind, wenn die Inhaberin des Betriebes selbst keine fachliche Vorbildung besitzt.