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  BFH-Urteil vom 22.9.1999 (XI R 24/99) BStBl. 2000 II S. 32

Der Antrag auf Erhebung eines nicht erheblichen Zeugenbeweises enthält den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

FGO § 94a.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung wurde gegen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ein Verspätungszuschlag von 150 DM festgesetzt. Das Finanzgericht (FG) entschied gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung und wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Ausweislich der Klageschrift vom 15. September 1998 sei eine Zeugenvernehmung beantragt worden, was zwangsläufig den Antrag auf mündliche Verhandlung beinhalte. Für die Anwendung des § 94a FGO komme es allein auf den Willen der Kläger an und nicht darauf, was möglicherweise das FG im weiteren Verfahren entschieden hätte.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zu verwerfen.

Ein Beweisantrag, der verfahrensrechtlich irrelevant sei, sei nicht geeignet, die Sperrwirkung des § 94a Satz 2 FGO auszulösen. Das FG brauche einen Beweisantrag dann nicht zu beachten, wenn das angebotene Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich sei. Die Kläger hätten begehrt, Vertreter der Senatsverwaltung für Finanzen zum Haushaltsansatz von Verspätungszuschlägen und zur Praxis der Festsetzung von Verspätungszuschlägen als Zeugen zu vernehmen; das FG hätte diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung zurückweisen dürfen. Folglich sei der Beweisantrag der Kläger nicht als Antrag auf mündliche Verhandlung i.S. von § 94a Satz 2 FGO zu werten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Kläger waren im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten (§ 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4 FGO).

1. Gemäß § 94a Satz 2 FGO muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage 1.000 DM nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag auf mündliche Verhandlung kann ausdrücklich gestellt werden, er kann sich aber auch konkludent aus schriftlichen Äußerungen der Beteiligten ergeben (Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 94a FGO Rz. 12; Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 94a FGO Rz. 20, 21; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 94a Rz. 6). Sowohl in der Absichtserklärung eines Klägers, den Steuerbetrag noch in einer mündlichen Verhandlung bestimmen zu wollen, liegt ein Antrag auf mündliche Verhandlung, als auch in der Äußerung, es sei beabsichtigt, in der mündlichen Verhandlung näher bezeichnete Anträge zu stellen, oder in der Erklärung, zunächst auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu verzichten (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. März 1996 XI B 132/95, BFH/NV 1996, 696). Mündliche Verhandlung ist hingegen nicht beantragt, wenn sich der Klägervertreter auf die Frage, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet werde, überhaupt nicht äußert (BFH-Beschluss vom 11. Januar 1995 II B 64/94, BFH/NV 1995, 705).

Im Streitfall haben die Kläger die Vernehmung von Zeugen beantragt. Mit diesem Antrag haben sie hinreichend klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Entgegen der Auffassung des FA kommt es nicht darauf an, ob das FG dem Antrag auf Beweiserhebung hätte entsprechen müssen. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte (dazu von Groll in Gräber, a.a.O., § 76 Rz. 24), wird durch die Unerheblichkeit des beantragten Zeugenbeweises der mit diesem Antrag verbundene Antrag auf mündliche Verhandlung nicht berührt. Das FG durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Kläger nicht auf einer mündlichen Verhandlung bestanden; für den Fall, dass das FG Zweifel an dem Erklärungswert der klägerischen Äußerung gehabt haben sollte, hätte es wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung Rückfrage bei den Klägern halten müssen (BFH-Beschluss vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

2. Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, obwohl nach § 94a Satz 2 FGO ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt war, so ist ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 4 FGO gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juni 1995 X B 237/94, BFH/NV 1995, 1062).