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  BFH-Beschluss vom 2.11.1999 (I B 49/99) BStBl. 2000 II S. 57

Die in § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 und in § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO i.d.F. des JStG 1997 enthaltenen Beschränkungen der Möglichkeit, die Vollziehung eines Steuerbescheids auszusetzen oder aufzuheben, sind mit dem GG vereinbar.

AO 1977 § 361 Abs. 2 Satz 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, ob die in § 361 Abs. 2 Satz 4 der Abgabenordnung (AO 1977) und in § 69 Abs. 2 Satz 8 der Finanzgerichtsordnung (FGO) enthaltene Regelung mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für die Streitjahre (1993 und 1994) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie besaßen in den Streitjahren einen Wohnsitz in Deutschland und einen weiteren in Spanien, wo sie sich überwiegend aufhielten. Der Ehemann war Gesellschafter- Geschäftsführer einer deutschen GmbH; die Ehefrau erzielte als Arbeitnehmerin dieser GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erließ gegenüber den Antragstellern für die Streitjahre Steuerbescheide mit folgenden Festsetzungen:

 

1993

1994

     
Einkommensteuer

687.636,00 DM

1.032.931,00 DM

./. Lohnsteuer

80.261,00 DM

79.936,00 DM

./. Kapitalertragsteuer

178.500,00 DM

306.000,00 DM

./. Körperschaftsteuer

401.625,00 DM

524.572,00 DM

 

---------------------

---------------------

 

27.250,00 DM

122.423,00 DM

./. bereits getilgt  

1.138,50 DM

 

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Abschlusszahlung

27.250,00 DM

121.284,50 DM

Die Antragsteller legten gegen die genannten Bescheide Einsprüche ein, mit denen sie geltend machten, dass die Dividenden aus der Beteiligung an der GmbH nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Spanien) in Deutschland nur mit 15 v.H. Quellensteuer belegt werden dürften. Über diese Einsprüche ist noch nicht entschieden worden. Vielmehr ist zur Zeit ein Verständigungsverfahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien anhängig, in dem nach Aktenlage die spanische Seite die Ansicht vertreten hat, dass Spanien als Wohnsitzstaat der Antragsteller anzusehen sei.

Zugleich mit ihren Einsprüchen beantragten die Antragsteller, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen. Das FA gab diesem Antrag nur insoweit statt, als es für beide Streitjahre eine Aussetzung der Vollziehung in Höhe der jeweiligen Abschlusszahlungen gewährte. Daraufhin haben die Antragsteller beim Finanzgericht (FG) beantragt, die Vollziehung der Bescheide hinsichtlich der nicht ausgesetzten Beträge aufzuheben. Diesen Antrag hat das FG abgelehnt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Sie beantragen sinngemäß, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der dort festgesetzten Steuern in vollem Umfang aufzuheben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die von den Antragstellern begehrte Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide gemäß § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO zu Recht abgelehnt.

1. Wird ein Steuerverwaltungsakt mit dem Einspruch angefochten, so wird hierdurch seine Vollziehung grundsätzlich nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung der Abgabe nicht aufgehalten (§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Auf Antrag kann jedoch nach § 361 Abs. 5 AO 1977 i.V.m. § 69 Abs. 3 FGO das Gericht der Hauptsache unter bestimmten, im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen die Vollziehung des Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so tritt an die Stelle der Aussetzung die Aufhebung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 i.V.m. § 69 Abs. 3 FGO). Dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung dem Grunde nach vorliegen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Nach § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO i.d.F. durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1997 sind indessen bei Steuerbescheiden sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; das gilt nur dann nicht, wenn der einstweilige Rechtsschutz zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Neuregelung ist am 21. Dezember 1996 in Kraft getreten (Art. 32 Abs. 1 JStG 1997) und deshalb im Streitfall anwendbar (Art. 97 § 1 Abs. 6 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des JStG 1997). An ihr hat sich das FA bei seiner Entscheidung über die gestellten Anträge orientiert.

3. Diese Entscheidung wäre allerdings dann rechtsfehlerhaft, wenn die in § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO enthaltene Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes verfassungswidrig wäre oder im Wege einer verfassungskonformen Auslegung korrigiert werden müsste. Das ist indessen nicht der Fall.

a) Der Senat vermag zunächst nicht der Ansicht der Antragsteller zu folgen, dass die in § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO getroffene Regelung mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar sei. Die Antragsteller weisen zwar zu Recht darauf hin, dass Art. 19 Abs. 4 GG einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz garantiert und dass sich diese Garantie auch auf die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes erstreckt (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 19. Oktober 1977 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 178; vom 6. April 1988 1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Rz. 2, m.w.N.). Die Ausgestaltung dieses Rechtsschutzes obliegt jedoch dem Gesetzgeber (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 69 FGO Anm. 30). Dieser muss hierbei lediglich sicherstellen, dass nicht aufgrund einer zu engen Begrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten zum Nachteil des Bürgers irreparable Folgen entstehen können. In dem so gezogenen Rahmen hat er jedoch einen Gestaltungsspielraum, der durch die im Streitfall maßgeblichen Regelungen nicht überschritten worden ist:

aa) Diese Regelungen entsprechen in der Sache weitgehend der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der im Wege der Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nicht eine (einstweilige) Erstattung von Beträgen erreicht werden konnte, die nach den gesetzlichen Regelungen auf die festgesetzte Steuer anzurechnen sind. Dies hatte der BFH sowohl in bezug auf geleistete Vorauszahlungen (BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 1982 VIII B 138/81, BFHE 136, 186, BStBl II 1982, 657; vom 8. Juli 1982 IV B 6/82, BFHE 136, 190, BStBl II 1982, 660) als auch für den Bereich der Steuerabzugsbeträge (BFH-Beschluss vom 5. August 1980 VIII B 108/79, BFHE 131, 282, BStBl II 1981, 35; BFH in BFHE 136, 186, BStBl II 1982, 657, und in BFHE 136, 190, BStBl II 1982, 660) und für die anzurechnende Körperschaftsteuer (BFH-Beschluss vom 26. November 1986 VIII B 114/86, BFHE 148, 129, BStBl II 1987, 179) entschieden. Eine Auskehrung einbehaltener oder vorausgezahlter Beträge konnte hiernach nur im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) erwirkt werden (Birkenfeld, a.a.O., § 361 AO Anm. 156, m.w.N.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsprechung sind lediglich insoweit laut geworden, als sie zu einer Privilegierung desjenigen führen konnte, der festgesetzte Vorauszahlungen pflichtwidrig nicht entrichtet hatte (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 23. Juni 1993 X B 134/91, BFHE 172, 9, BStBl II 1994, 38, 42; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 198, m.w.N.). Die grundsätzliche Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes auf diejenigen Steuerbeträge, die erstmals in dem angefochtenen Bescheid festgesetzt worden waren, wurde jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht - soweit erkennbar - nicht beanstandet.

Mit seinem Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 3/93 (BFHE 178, 11, BStBl II 1995, 730) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass entgegen der bis dahin geltenden Rechtsprechung die Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids auch insoweit aufgehoben werden könne, als sich hieraus eine - vorläufige - Erstattung entrichteter Einkommensteuer-Vorauszahlungen ergibt. Diese Entscheidung ist in der Folge auf den Bereich der Steuerabzugsbeträge und der anzurechnenden Körperschaftsteuer übertragen worden (BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 1995 VIII B 79/95, BFHE 179, 207, BStBl II 1996, 316; vom 19. Dezember 1995 X B 229/94, BFH/NV 1996, 548; vom 4. März 1996 IX B 59/95, BFH/NV 1996, 674). Demgemäss war es nunmehr möglich, nicht nur - im Wege der Aussetzung der Vollziehung - die einstweilige Befreiung von einer bestehenden Zahlungspflicht, sondern auch - im Wege der Aufhebung der Vollziehung - die einstweilige Erstattung bereits gezahlter oder einbehaltener Beträge zu erreichen.

Durch § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 und § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO hat der Gesetzgeber im wesentlichen diejenigen Einschränkungen des einstweiligen Rechtsschutzes, die vor der Entscheidung des Großen Senats von der Rechtsprechung entwickelt worden waren, normativ festgeschrieben. Die jetzt bestehende Gesetzeslage weicht von den seinerzeit geltenden Regeln zwar insoweit ab, als die Aussetzung der Vollziehung eines Jahres-Steuerbescheids sich auch dann nicht auf festgesetzte Vorauszahlungen erstrecken kann, wenn diese noch nicht gezahlt worden sind; hierdurch ist den Bedenken gegen eine Besserstellung des säumigen gegenüber dem ordnungsgemäß handelnden Steuerzahler Rechnung getragen worden (Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz. 198.2 f.). Außerdem bestimmt der jeweilige zweite Halbsatz der neuen Vorschriften nunmehr ausdrücklich, dass die Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit zurücktreten muss, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Abgesehen davon haben jedoch die im JStG 1997 enthaltenen Neuregelungen lediglich die lange Zeit geltenden Rechtsprechungsgrundsätze restituiert. Schon unter diesem Aspekt hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, jene Regelungen als Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu bewerten.

bb) Zum anderen ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass gerade die Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes generell mit einer Abwägung derjenigen Folgen verbunden ist, die sich aus einer etwaigen unrichtigen Beurteilung im summarischen Verfahren ergeben. Beispielgebend hierfür ist die Rechtsprechung des BVerfG, das im Verfahren der einstweiligen Anordnung in der Regel nicht nach dem Gesichtspunkt der überwiegenden Erfolgsaussichten entscheidet, sondern vielmehr vor allem die Folgen eines Nichtergehens der einstweiligen Anordnung trotz später erkannter Verfassungswidrigkeit mit den Nachteilen einer ergangenen einstweiligen Anordnung trotz späterer Anerkennung der angegriffenen Maßnahmen als verfassungsgemäß vergleicht (Kirchhof, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft 18 - 1995 -, 17, 37, m. N.). Eine solche Vorgehensweise muss gleichermaßen dem Gesetzgeber zugestanden werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn die hier in Rede stehenden Regelungen inhaltlich darauf abzielen, dass bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung die aufgrund eines anderen Bescheids einbehaltenen oder gezahlten Steuerbeträge einstweilen dem Steuergläubiger verbleiben und erst nach endgültigem Obsiegen des Bürgers diesem erstattet werden müssen. Diese Handhabung entspricht der Idee des steuerrechtlichen Abzugsverfahrens, die darin liegt, dass aus Gründen des vereinfachten Verwaltungsvollzugs und zur Vermeidung von Steuerausfällen die Steuer zunächst einmal erhoben wird und etwaige Überzahlungen erst nach Abschluss der späteren Veranlagung ausgeglichen werden. Das BVerfG hat eine solche Vorgehensweise des Gesetzgebers für den Bereich des Lohnsteuerrechts ausdrücklich gebilligt (BVerfG-Beschluss vom 26. Januar 1977 1 BvL 7/76, BStBl II 1977, 297). Die hierfür maßgeblichen Erwägungen lassen sich nach Ansicht des Senats auf die im Streitfall zu beurteilende Problematik übertragen: Der Gesetzgeber durfte sich auch bei der Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes von dem Gedanken leiten lassen, dass einstweilen erstattete Beträge im Fall eines späteren endgültigen Misserfolgs des Rechtsbehelfs möglicherweise nicht mehr beitreibbar sind und dass damit die Effektivität des Einbehaltungs- und des Vorauszahlungsverfahrens beeinträchtigt werden könnte. Diese Gefahr durfte er höher bewerten als den Nachteil des Bürgers, der sich bei einem späteren Erfolg des Rechtsbehelfs aus der verzögerten Verfügbarkeit des Erstattungsbetrags ergibt. Letzteres gilt um so mehr, als der sich ergebende Zinsnachteil des Bürgers - zumindest im wesentlichen - durch die im Gesetz vorgesehenen Erstattungszinsen (§ 233a AO 1977) ausgeglichen wird. Unter diesen Umständen liegen die bestehenden Erstattungsbeschränkungen noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums, was ihre Bewertung als verfassungswidrig ausschließt.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass eine Vermeidung von Steuerausfällen im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes auch auf andere Weise - etwa durch die Anforderung einer Sicherheitsleistung - erfolgen könnte (vgl. hierzu Woerner, Betriebs-Berater 1996, 2649, 2650; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 183). Denn wie der Gesetzgeber der von ihm gesehenen Gefahr begegnet, ist eine allein ihm vorbehaltene rechtspolitische Entscheidung. Bei dieser Entscheidung durfte er zudem berücksichtigen, dass ein Fortbestand der vom Großen Senat entwickelten Grundsätze zu einer Vielzahl zusätzlicher Verfahren und demgemäss zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand hätte führen können, der durch die ggf. notwendige Prüfung der Erforderlichkeit einer Sicherheitsleistung - verbunden mit dem sich hieraus ergebenden Streitpotential - voraussichtlich noch gesteigert worden wäre. In diesem Zusammenhang gewinnt nicht zuletzt der Hinweis in der Gesetzesbegründung Gewicht, dass die Umsetzung der geänderten BFH-Rechtsprechung zu einem erheblichen Mehrbedarf an Personalstellen geführt hätte (BTDrucks 13/5359, S. 131). Unabhängig davon, ob die dort genannte Zahl von 500 Stellen rechnerisch zutrifft (kritisch hierzu Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz. 183; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz. 53 a), ist die Annahme eines zusätzlichen Verwaltungsaufwands jedenfalls nicht von vornherein verfehlt, weshalb der Gesetzgeber sie unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit in seine Gestaltungsüberlegungen einbeziehen durfte. Vor diesem Hintergrund lässt die Tatsache, dass das Risiko von Steuerausfällen auch auf anderem Wege hätte beseitigt oder vermindert werden können, die tatsächlich getroffene gesetzgeberische Entscheidung nicht als verfassungswidrig erscheinen.

cc) Im Schrifttum ist vereinzelt die Ansicht vertreten worden, dass die gesetzliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich bedenklich sei (Siegert, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 220, 223). Dem vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen:

Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine die Ungleichbehandlung rechtfertigende Unterschiede bestehen (BVerfG-Beschlüsse vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl II 1990, 653, 658; vom 8. April 1998 1 BvL 16/90, BVerfGE 98, 1, 12, m.w.N.). Dabei ist die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung einerseits an deren Schwere und andererseits an dem Gewicht der für sie maßgeblichen Gründe zu messen; Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfG-Beschlüsse vom 30. Mai 1990 1 BvL 2/83, 9, 10/84, 3/85, 11, 12, 13/89, 4/90, 1 BvR 764/86, BVerfGE 82, 126, 146; vom 15. Juli 1998 1 BvR 1554/89, 963, 964/94, BVerfGE 98, 365, 385 ff.). Die damit gezogene Grenze ist in dem hier interessierenden Zusammenhang, soweit überhaupt eine Ungleichbehandlung verschiedener Normadressaten festgestellt werden kann, nicht überschritten.

Das gilt zum einen insoweit, als der Umfang des einstweiligen Rechtsschutzes nach der gesetzlichen Regelung nicht davon abhängt, welche Art von Einkünften der rechtsschutzsuchende Bürger erzielt hat. Insbesondere bezieht sich die Begrenzung der Erstattungsfähigkeit sowohl auf Einkünfte, die im Abzugs- oder Einbehaltungswege besteuert werden, als auch auf die übrigen Einkunftsarten. Letztere werden von ihr nämlich dadurch erfasst, dass bei ihnen von Gesetzes wegen Vorauszahlungen festzusetzen sind, die durch § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 und § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen werden. Da dasselbe in bezug auf Steuerabzugs- und andere anrechenbare Beträge gilt, werden die verschiedenen Gruppen von Einkunftserzielern in diesem Punkt im Ergebnis gleichbehandelt. Hinsichtlich der Vorauszahlungen hat die gesetzliche Neuregelung dadurch, dass sie im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung an die festgesetzten - und nicht an die gezahlten - Beträge anknüpft, sogar zu einer verbesserten Umsetzung des Gleichbehandlungsgebots geführt. Unter diesem Gesichtspunkt kann eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung verschiedener Normadressaten mithin nicht festgestellt werden.

Zum anderen lässt sich eine solche auch nicht daraus ableiten, dass nach der gesetzlichen Regelung derjenige bevorzugt wird, dem gegenüber für den betreffenden Veranlagungszeitraum zu niedrige Vorauszahlungen festgesetzt worden sind (so aber Siegert, a.a.O.). Es ist zwar richtig, dass in dieser Konstellation ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Jahresbescheids zu einem weitergehenden Aufschub der Zahlungspflicht führen kann als dies bei zutreffender Festsetzung der Vorauszahlungen möglich wäre. Entsprechende Folgen können eintreten, wenn - aus welchen Gründen auch immer - Steuerabzugsbeträge in zu geringem Umfang einbehalten und abgeführt worden sind. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung verschiedener Fallgestaltungen könnte hieraus aber allenfalls dann abgeleitet werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass generell Vorauszahlungen zu niedrig festgesetzt und Steuerabzugsbeträge in (mindestens) zutreffender Höhe einbehalten werden oder umgekehrt. Nur wenn sich aus einer solchen tatsächlichen Ungleichbehandlung eine signifikant unterschiedliche Belastung einzelner Personengruppen ergeben würde, könnte diese zur Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden materiellen Norm führen (BVerfG-Beschluss vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654). Der Senat stimmt dem FG darin zu, dass eine dahingehende Feststellung nicht getroffen werden kann (ebenso Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz. 198.3). Dass in Einzelfällen die Abhängigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes von der Höhe der festgesetzten Vorauszahlungen zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen kann, vermag eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung nicht zu begründen.

dd) Schließlich ist durch diese Regelung in hinreichendem Maße gewährleistet, dass der Bürger im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausnahmsweise eine einstweilige Erstattung erlangen kann, wenn dies zur Vermeidung schwerwiegender Nachteile erforderlich ist. Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem jeweils zweiten Halbsatz des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 und des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO, wonach die grundsätzlich bestehenden Beschränkungen nicht greifen, wenn anderenfalls der Bürger wesentliche Nachteile befürchten müsste. Die damit getroffene Regelung entspricht ebenfalls in der Sache der früheren Rechtsprechung des BFH, die in Fällen dieser Art Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) gewährte; das gilt um so mehr, als sowohl nach der Gesetzesbegründung als auch nach herrschender Ansicht der Begriff "wesentliche Nachteile" im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen ist (vgl. hierzu Birkenfeld, a.a.O., § 361 AO Anm. 4 und 177; Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz. 198.6). Damit ist in hinreichender Weise gewährleistet, dass zugunsten des Bürgers von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden kann, wenn ein unabweisbares Interesse dies gebietet. Auch unter diesem Aspekt ist die gesetzliche Regelung mithin mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes vereinbar.

b) Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht der von den Antragstellern angestrebten verfassungskonformen Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO dergestalt, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes abgewogen werden und bei einem Überwiegen der Erfolgsaussichten - entgegen dem Gesetzeswortlaut - die Vollziehung über die Abschlusszahlung hinaus ausgesetzt oder aufgehoben wird. Ebenso muss nicht die Frage erörtert werden, ob bei Bestehen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die gesetzliche Regelung eine Aufhebung der Vollziehung deshalb abgelehnt werden müsste, weil ihr überwiegende öffentliche Belange entgegenstünden (vgl. hierzu BVerfG in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283; BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 19. August 1994 X B 318, 319/93, BFH/NV 1995, 143, m.w.N.). Vielmehr ist die vom Gesetzgeber angeordnete Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich unbedenklich mit der Folge, dass ein besonderes Interesse des Bürgers an einer weitergehenden Aufhebung der Vollziehung nur nach Maßgabe des zweiten Halbsatzes des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO zur Geltung kommen kann. Liegen die dort genannten Voraussetzungen nicht vor, so ergibt sich die im ersten Halbsatz genannte Rechtsfolge, ohne dass eine weitere Interessenabwägung erforderlich wäre.

4. Die Aktenlage bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die von den Antragstellern erstrebte einstweilige Erstattung erforderlich wäre, um den Antragstellern ansonsten drohende wesentliche Nachteile abzuwenden. Allein die Tatsache, dass die Antragsteller einstweilen nicht über die ggf. zu erstattenden Mittel verfügen können, ist kein wesentlicher Nachteil i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 (2. Halbsatz) FGO; das gilt auch dann, wenn dieser Umstand dazu führt, dass die Antragsteller fällig werdende andere Zahlungen im Wege der Kreditaufnahme finanzieren müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492; vom 25. Februar 1997 VII B 231/96, BFH/NV 1997, 428; Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz. 198.6). Der weitere Vortrag der Antragsteller, dass eine Nichterfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen in Spanien ihre dortige Aufenthaltsgenehmigung gefährde, ist weder hinreichend substantiiert noch gar glaubhaft gemacht worden.