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  BFH-Urteil vom 14.9.1999 (IX R 59/96) BStBl. 2000 II S. 67

Das FG kann die Absicht des Steuerpflichtigen, langfristig Überschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wegen einer beim Erwerb erteilten sog. Wiederverkaufsgarantie nur dann verneinen, wenn erkennbar ist, dass der Steuerpflichtige bereits beim Erwerb des Objekts ernsthaft in Betracht gezogen hat, sich mit Rücksicht auf diese Garantie von dem Objekt wieder zu trennen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462).

FGO § 96 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1997, 964)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beteiligte sich an einem von der ... KG (KG) initiierten Bauvorhaben in X. Er ließ, zusammen mit acht weiteren Zeichnern (Bauherrengemeinschaft) und betreut von der KG, in einem Reihenhaus die Wohnungseinheit Nr. 6 und einen Garagenplatz erstellen. Die Gesamtkosten sollten durch eine Hypothek in Höhe von 484.000 DM und Eigenkapital in Höhe von 80.560 DM finanziert werden. Zur Beteiligung an dem Bauvorhaben machte die KG am 16. November 1982 ein notariell beurkundetes Angebot; darin und in den dabei in Bezug genommenen Verträgen und Anlagen waren bereits sämtliche erforderlichen Einzelheiten bestimmt.

Zuvor hatte der Kläger am 13. November 1982 zwei "Reservierungsaufträge" unterzeichnet, von denen einer das Bauvorhaben X betraf. Der Kläger war geworben worden von der Fa. Y, für die der Handelsvertreter H die Verhandlungen über das Projekt geführt hatte. Mit Schreiben vom 18. November 1982 bestätigte die Y dem Kläger "in Beantwortung ihrer Anfrage ... wunschgemäß", dass ihm für den Fall eines Verkaufs der Wohnungseinheit nach Ablauf von fünf Jahren die Differenz zwischen "den heutigen Gesamtkosten" und dem zu erzielenden Veräußerungspreis innerhalb einer einjährigen Zahlungsfrist erstattet werde.

Am 19. November 1982 nahm der Kläger vor dem Notar das Angebot der KG an.

Die Bauherrengemeinschaft erklärte für die Streitjahre 1982 und 1983 Werbungskostenüberschüsse; davon entfielen auf den Kläger ./. 40.674 DM (1982) und ./. 63.850 DM (1983). Die Y fiel 1986 in Konkurs.

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung, die 1989 endete, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Bescheide, in denen die anteiligen Einkünfte des Klägers auf 0 DM festgesetzt wurden. Wegen der Wiederverkaufsgarantie handele es sich um steuerrechtlich unbeachtliche sog. Liebhaberei.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, die Wiederverkaufsgarantie diene lediglich der Absicherung des Risikos, dass der Wert des Objekts verfalle. Sie sei ihm auch erst nach Unterzeichnung des "Reservierungsauftrags" vom Vertreter H angeboten worden. Er, der Kläger, habe Interesse bekundet, ohne dem Angebot irgendeine Bedeutung für die bereits gefallene Entscheidung zum Beitritt zuzumessen. Am 19. November 1982 (notarielle Beurkundung) habe ihm das Garantieschreiben der Y vom 18. November 1982 noch nicht vorgelegen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 964).

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf vom 17. April 1996 5 K 84/90 F aufzuheben und die Feststellungsbescheide 1982 und 1983 vom 12. September 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 1990 derart zu ändern, dass auf den Kläger entfallende Anteile an den Werbungskostenüberschüssen in Höhe von 49.505,20 DM (1982) und von 100.115 DM (1983) zusätzlich festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat als Indiz für das Fehlen einer Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu Unrecht bereits die Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit genügen lassen, dass der Kläger bei der notariellen Beurkundung am 19. November 1982 die Wiederverkaufsgarantie kannte.

1. Ein Steuerpflichtiger erzielt u.a. nur dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 des Einkommensteuergesetzes, wenn er die Absicht hat, durch die Vermietung zumindest langfristig einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116). Dieser Entschluss muss endgültig gefasst sein (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 IX R 42/90, BFHE 171, 45, BStBl II 1993, 658, m.w.N.). Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn für ihn noch nicht feststeht, ob das Grundstück langfristig vermietet oder nach einigen Jahren wieder verkauft werden soll (vgl. BFH-Urteile in BFHE 171, 45, BStBl II 1993, 658, und vom 15. September 1992 IX R 15/91, BFH/NV 1994, 301). Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige sich die Veräußerung des erworbenen Grundstücks für den Fall vorbehält, dass die Änderung äußerer Umstände und Bedingungen ihn dazu zwingen (BFH-Urteil vom 22. April 1997 IX R 17/96, BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650). Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige sich diese Entscheidung unabhängig davon offen halten will, ist die beim Erwerb getroffene Vereinbarung eines Rückkaufsrechts, einer Rückkaufsgarantie oder - wie hier - einer "Wiederverkaufsgarantie", wenn sie für den Zeitraum gilt, in dem planmäßig nur Werbungskostenüberschüsse erwirtschaftet werden oder der vereinbarte Preis in etwa den Gesamtkosten entspricht oder sie sogar übersteigt (BFH-Urteile in BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650, und in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116). Die Absicht des Steuerpflichtigen, langfristig Überschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, kann aber wegen einer sog. Wiederverkaufsgarantie nur dann verneint werden, wenn erkennbar ist, dass der Steuerpflichtige bereits beim Erwerb des Objekts ernsthaft in Betracht gezogen hat, sich mit Rücksicht auf diese Garantie von dem Objekt wieder zu trennen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462).

Die Feststellung, welche Absichten der Steuerpflichtige hatte, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Dabei hat es alle Indizien, die für oder gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650). Das FG kann allerdings nur dann aufgrund von Indizien auf eine innere Tatsache wie die Einkünfteerzielungsabsicht schließen, wenn das Indiz mit Gewissheit feststeht (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 36; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz. 106). Das FG hat im Streitfall zu Unrecht von einer lediglich möglichen Tatsache verbindliche Schlussfolgerungen auf das tatsächliche Vorhandensein einer (inneren) Tatsache gezogen.

Das FG hat nicht festgestellt, dass die Wiederverkaufsgarantie beim Abschluss des notariellen Vertrages am 19. November 1982 - dies war nach Ansicht des FG der entscheidende Zeitpunkt - dem Kläger bekannt war. Es hält vielmehr die "Wahrnehmung" der Wiederverkaufsgarantie "im notwendigen Ausmaß" für wahrscheinlich. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist aber Voraussetzung für die Indizwirkung einer Verkaufsgarantie, dass der Steuerpflichtige sie beim Abschluss der Verträge kannte (BFH-Beschluss vom 14. September 1994 IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl II 1995, 778, und BFH-Urteil vom 24. Januar 1995 IX R 70/93, BFHE 176, 424, BStBl II 1995, 460). Das steht jedoch bei der bloßen Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht fest.

In der Regel muss die Wiederverkaufsgarantie bei Abschluss des Vertrages in schriftlicher Form vorliegen. Das FG geht zwar zu Recht davon aus, dass dies keine notwendige Voraussetzung ist. Es genügt, wenn das FA nachweist (zur objektiven Beweislast des FA in diesem Fall BFH-Urteil in BFHE 176, 424, BStBl II 1995, 460), dass die Garantie dem Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt vom Garantiegeber mit allen wesentlichen Einzelheiten verbindlich zugesichert worden ist. Aber auch das hat das FG nicht festgestellt.

"Die gesicherte Aussicht", die Wiederverkaufsgarantie zu erhalten, kann bereits deshalb nicht als eine Zusicherung dieser Art gewertet werden, weil nicht festgestellt ist, dass der Vertreter H, mit dem der Kläger darüber vor dem Notartermin verhandelt haben soll, befugt war, eine Wiederverkaufsgarantie verbindlich zuzusichern.

2. Die weiteren Feststellungen des FG reichen nach der Rechtsprechung des BFH nicht aus, den Schluss auf mangelnde Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu rechtfertigen.

Die Feststellung, dass der Kläger Interesse an der Wiederverkaufsgarantie bekundet hat, ist für sich allein noch kein Anzeichen dafür, dass die Möglichkeit, das Objekt nach fünf Jahren wieder zu veräußern, für seine Erwerbsentscheidung von maßgeblicher Bedeutung war (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Beschluss vom 14. September 1994 IX B 97/93, BFHE 175, 541, 544) und insbesondere, dass er von vornherein in Erwägung gezogen hat, davon Gebrauch zu machen. Grundsätzlich kann eine derartige Garantie, für die er nichts aufzuwenden brauchte, den Steuerpflichtigen selbst dann interessieren, wenn er einen Verkauf nicht in Erwägung zieht. Sie bietet ihm eine gewisse Sicherheit, falls unvorhergesehene äußere Umstände ihn zu einer Änderung seines Entschlusses zwingen sollten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650).

Eine Wiederverkaufsgarantie kann ferner nur dann als gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz gewertet werden, wenn sie einen Anreiz bietet, das Grundstück zu veräußern, bevor es positive Einnahmeüberschüsse erbringt, wenn sie dem Steuerpflichtigen mithin ermöglicht, sich unter Wahrnehmung der Steuervorteile ohne Vermögensverluste von der Immobilie zu trennen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 175, 541, 544; BFH-Urteil in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116, zu 3.). Einen Vermögensverlust hat der Steuerpflichtige aber nicht bereits, wenn der garantierte Wiederverkaufspreis nicht seine Anschaffungskosten deckt, sondern erst dann, wenn er vorhersehbar mit einem nennenswerten Teil seiner Gesamtaufwendungen (Anschaffungskosten und laufende Aufwendungen ./. Einnahmen bis zum Verkauf) belastet bleibt. Nur wenn die Wiederverkaufsgarantie einen solchen Vermögensverlust ausschließt, ist die Investitionsentscheidung für den Steuerpflichtigen "risikolos" (BFH-Urteil in BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462) und ermöglicht ihm darüber hinaus die Mitnahme von Steuervorteilen. Auch dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die Sache geht daher an das FG zurück.

Zum einen kann der BFH als Revisionsgericht nicht selbst Tatsachen ermitteln (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die Feststellung der Tatsachen, aus denen sich die Einkünfteerzielungsabsicht ergibt, obliegt dem FG. Bei der erneuten Prüfung hat dieses auch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige den Reservierungsauftrag möglicherweise bereits erteilt hat, bevor ihm die Wiederverkaufsgarantie angeboten wurde. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Reservierungsauftrags (vgl. § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches) schließt seine Wertung als Indiz für die langfristige Einkünfteerzielungsabsicht ebenso wenig aus wie eine möglicherweise zivilrechtlich unwirksame Wiederverkaufsgarantie die Wertung als Indiz gegen die Einkünfteerzielungsabsicht (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 175, 541, 544).

Das FA hat im Revisionsverfahren ferner vorgetragen, dem Kläger seien neben der Wiederverkaufsgarantie sog. Notfallgarantien erteilt worden. Auch darüber wird das FG im 2. Rechtsgang zu urteilen haben.

Sollte das FG die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers bejahen, sind noch Feststellungen zur beantragten Höhe der in den Streitjahren geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse zu treffen.