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  BFH-Beschluss vom 13.10.1999 (I S 4/99) BStBl. 2000 II S. 86

Hat das FG über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden, so ist ein erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in derselben Angelegenheit nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO statthaft. Das gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist.

FGO § 69 Abs. 3 und Abs. 6.

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin ist eine 1990 gegründete GmbH. Ihr einziger Gesellschafter ist der Student S, ihr alleiniger Geschäftsführer dessen Vater L. L ist zugleich alleiniger Kommanditist der in Liquidation befindlichen G-KG und Alleingesellschafter von deren Komplementär-GmbH.

Bei den Veranlagungen für das Streitjahr behandelte der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) verschiedene von der Antragstellerin als Betriebsausgaben verbuchte Aufwendungen (Übernahme von Prozesskosten zugunsten der G-KG sowie Erstattung von Aufwendungen des L durch die Antragstellerin) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Mit ihrer deswegen erhobenen Klage hatte die Antragstellerin nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) wegen mehrerer Doppelerfassungen den Betrag der vom FA angesetzten vGA um insgesamt 1.145,32 DM verminderte und die angefochtenen Bescheide entsprechend abänderte. Im übrigen wies das FG die Klage ab, ohne die Revision zuzulassen. Die Antragstellerin hat das Urteil mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angefochten, die unter dem Aktenzeichen I B 21/99 beim Senat anhängig ist.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens hatte die Antragstellerin außerdem beim FG eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beantragt. Auf diesen Antrag hin setzte das FG die Vollziehung der Bescheide insoweit ohne Sicherheitsleistung aus, als "für den Betrag von 1.145 DM eine vGA angesetzt" worden war; den weitergehenden Antrag lehnte es ab. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung ließ das FG nicht zu.

Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das finanzgerichtliche Urteil hat die Antragstellerin beim Senat einen "Antrag auf Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung" gestellt und hierzu vorgetragen, das FA habe inzwischen mit der Vollstreckung der streitigen Steuerforderungen begonnen. Zur Frage der vGA hat sie sich auf ihr Vorbringen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren berufen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 1995, der Bescheide über Zinsen zur Körperschaftsteuer 1995 und den Solidaritätszuschlag 1995 sowie des Feststellungsbescheids gemäß § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes auf den 31. Dezember 1995 bis zum rechtskräftigen Abschluss des diese Bescheide betreffenden Rechtsstreits ohne Sicherheitsleistung auszusetzen und die bereits erfolgte Vollziehung der Bescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen, hilfsweise die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung auszusprechen.

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist unzulässig. Denn nachdem das FG bereits über einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin entschieden hat, wäre ein erneuter Antrag nur unter denjenigen Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Änderung der ergangenen Entscheidung verlangt werden könnte. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor:

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann, wenn ein Steuerverwaltungsakt Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens ist, das Gericht der Hauptsache dessen Vollziehung unter bestimmten Umständen aussetzen. Außerdem kann es, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen worden ist, die erfolgte Vollziehung aufheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Gericht der Hauptsache ist, wenn der angefochtene Verwaltungsakt Gegenstand eines beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens ist, der BFH (Senatsbeschluss vom 23. Januar 1985 I S 4/84, BFH/NV 1987, 385; BFH-Beschluss vom 14. August 1997 X B 108/97, BFH/NV 1998, 68; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 335).

2. Die gerichtliche Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erwächst nicht in materielle Rechtskraft (Gosch, a.a.O., Rz. 325, m.w.N.). Vielmehr kann das Gericht der Hauptsache einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit ändern oder aufheben (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Diese Begrenzung der Antragsmöglichkeit dient der Entlastung der Gerichte, die so in die Lage versetzt werden sollen, nach Möglichkeit innerhalb eines einzigen Verfahrens abschließend über das Aussetzungsbegehren zu entscheiden (FG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 1992 17 V 7248/92 A (H, U), Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 395).

Aus dem genannten Zweck der in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO getroffenen Regelung folgt, dass hiervon nicht nur diejenigen Fälle erfasst werden, in denen formal die Aufhebung oder Änderung einer ergangenen Entscheidung begehrt wird. Vielmehr muss die Begrenzung der Antragsmöglichkeit gleichermaßen gelten, wenn zunächst über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist und nunmehr ein Beteiligter erneut einen solchen Antrag stellt. Denn in dieser Konstellation wird das Gericht ebenso wiederholt mit dem Begehren auf Aussetzung der Vollziehung befasst wie im Fall des Antrags auf Abänderung der ursprünglichen Entscheidung. Demgemäss ist die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ebenfalls an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden (ebenso bereits Senatsbeschluss vom 18. September 1996 I B 39/96, BFH/NV 1997, 247; BFH-Beschluss vom 25. März 1998 IX S 27/97, BFH/NV 1998, 1115; FG Düsseldorf in EFG 1993, 395).

3. Dies alles muss auch dann gelten, wenn - wie im Streitfall - die ursprüngliche Entscheidung vom FG erlassen wurde, inzwischen aber der BFH Gericht der Hauptsache geworden ist und deshalb der Folgeantrag bei ihm gestellt wird (ebenso BFH in BFH/NV 1998, 1115). Denn es wäre nicht gerechtfertigt, den Beteiligten allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels eine Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen, den das Gesetz ihnen gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht versagt. Eine solche Lösung würde zudem damit kollidieren, dass die Beschwerde gegen eine Entscheidung des FG in Sachen Aussetzung der Vollziehung nur bei ausdrücklicher Zulassung durch das FG gegeben ist (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO). Diese Regelung zielt nämlich darauf ab, dass ein einmal vom FG entschiedenes Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nicht ohne Zutun des FG an den BFH herangetragen werden kann; damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen FG-Entscheidung eine solche Möglichkeit letztlich doch eröffnen würde. Hierdurch würde die vom Gesetz vorgegebene grundsätzliche Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Instanz für eine Vielzahl von Fällen ausgehebelt (BFH in BFH/NV 1998, 1115). Im Ergebnis kann deshalb auch ein - zutreffenderweise - beim BFH gestellter erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur nach Maßgabe des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO statthaft sein.

4. Die hiernach gegebenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines solchen Antrags liegen im Streitfall nicht vor. Es ist weder von der Antragstellerin vorgetragen worden noch den Akten zu entnehmen, dass im Anschluss an die Entscheidung des FG Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder die maßgebliche Rechtslage in einem neuen Licht erschienen ließen. Ebenso hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht, vor dem FG bestimmte Umstände ohne Verschulden nicht vorgebracht zu haben. Sie beruft sich vielmehr letztlich auf dieselben Tatsachen und Erwägungen wie in dem bereits abgeschlossenen Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung. Damit handelt es sich um die schlichte Wiederholung eines bereits beschiedenen Antrags, die wegen § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht statthaft ist. Der Antrag muss deshalb abgelehnt werden, ohne dass in diesem Verfahren auf die sachliche Berechtigung des Begehrens der Antragstellerin eingegangen werden könnte.