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  BFH-Urteil vom 23.9.1999 (IV R 1/99) BStBl. 2000 II S. 121

Ermittelt ein Land- und Forstwirt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so hat er laufende Pachtzahlungen in dem Wirtschaftsjahr zu erfassen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, wenn sie kurze Zeit vor Beginn oder nach Ende dieses Wirtschaftsjahres zufließen.

EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hatte seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Juli 1990 an seinen Sohn verpachtet. Die Pachtzahlungen waren vierteljährlich zu zahlen und nachträglich jeweils zum 1. Oktober, 1. Januar, 1. April und 1. Juli eines Kalenderjahres fällig. Sie wurden vom Pächter durch Dauerauftrag spätestens am 5. des Fälligkeitsmonats überwiesen. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In seiner Einnahmenüberschussrechnung für das Wirtschaftsjahr 1990/91 erfasste er nur die Pachteinnahmen für den Zeitraum von Juli 1990 bis März 1991 (insgesamt 54.000 DM).

Im Anschluss an eine Außenprüfung erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1990/91 um die Pachteinnahmen (18.000 DM) für den Zeitraum April bis Juni 1991. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, die streitige Pachtzahlung sei nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Wirtschaftsjahr 1991/92 zuzurechnen. § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG sei nicht anwendbar. Die Vorschrift solle Zufallsergebnisse bei wiederkehrenden Einnahmen vermeiden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung komme es für die wirtschaftliche Zuordnung auf die Fälligkeit an. Diese Auffassung werde von der Literatur geteilt. Die Finanzverwaltung stelle auch bei Kapitalzinsen auf die Fälligkeit ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteile vom 10. Oktober 1957 IV 98/56 U, BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23, und vom 9. Mai 1974 VI R 161/72, BFHE 112, 373, BStBl II 1974, 547) komme es darauf an, wann die Pachtzahlung fällig geworden sei. Die streitige Pachtzahlung sei zwar am 5. Juli 1991 gezahlt, aber erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1990/91 fällig geworden. Das Senatsurteil vom 24. Juli 1986 IV R 309/84 (BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16) stelle allein auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Einnahmen zu einem bestimmten Kalenderjahr ab, berücksichtige aber zu Unrecht nicht die Fälligkeit.

Mit der vom FG - wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die am 1. Juli 1991 fällig gewordene Pachtzahlung von 18.000 DM nicht dem Wirtschaftsjahr 1990/91 zuzurechnen ist.

1. a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erhöhen diese Zuflüsse als Betriebseinnahmen den Gewinn dieses Kalenderjahres.

Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG für gewisse Fälle eine periodengerechte Berücksichtigung von Einnahmen vor. Danach gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres zugeflossen sind, als in dem Kalenderjahr bezogen, zu dem sie wirtschaftlich gehören.

b) Nach der grundlegenden Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 kommt es für die wirtschaftliche Zuordnung der wiederkehrenden Einnahmen nicht darauf an, ob sie noch in dem Kalenderjahr fällig geworden sind, für das sie geleistet worden sind. Daran hat der Senat in seiner Entscheidung vom 6. Juli 1995 IV R 63/94 (BFHE 178, 326, BStBl II 1996, 266) festgehalten (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509). Wie dort ausgeführt, stellt der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht auf die Fälligkeit der Einnahmen ab, so dass eine erst im nächsten Kalenderjahr fällig werdende Zahlung noch in dem Zeitraum zu berücksichtigen ist, zu dem sie wirtschaftlich gehört (ebenso Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, 3. Aufl., Kap. 27 Rz. 72; Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., Anm. C 17).

Diese Ausnahme vom sog. Zu- und Abflussprinzip greift auch, wenn das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht (vgl. Leingärtner/Kanzler, a.a.O.; Pape in Felsmann, a.a.O.). Seinem Wortlaut nach regelt § 11 EStG zwar nur die Zuordnung der Einnahmen und Ausgaben zu einem bestimmten Kalenderjahr. Seinem Grundgedanken nach will er aber damit sicherstellen, dass sie in dem für die Besteuerung relevanten Zeitabschnitt erfasst werden, zu dem sie wirtschaftlich gehören (vgl. FG Münster, Urteil vom 25. Juni 1971 V 155/70 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1972, 20). Das ist hier das am 30. Juni 1991 ablaufende Wirtschaftsjahr. Wie sich aus § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG ergibt, gilt § 11 EStG für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, und somit auch für Land- und Forstwirte, für die § 4a EStG das Wirtschaftsjahr abweichend vom Kalenderjahr festlegt.

c) Entgegen der Ansicht der Kläger ist Sinn des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht, nur die Zuordnung für solche wiederkehrenden Einnahmen zu regeln, die noch in dem abgelaufenen Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) fällig geworden sind. Vielmehr will § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG Zufallsergebnisse vermeiden, die bei strikter Anwendung des Zu- und Abflussprinzips dazu führen könnten, dass eine Einnahme mal erfasst und mal nicht erfasst werden würde, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner sie am Ende des abgelaufenen Kalenderjahres oder zu Beginn des neuen Kalenderjahres zu erbringen hat. Das gilt z.B. auch für die Zuordnung von Sparzinsen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1975 VIII R 47/70, BFHE 116, 147, BStBl II 1975, 696). Zu solch ungleichen Erfassungen käme es indes nicht nur, wenn die Durchführung der Zahlungsvorgänge sich ohne die Einwirkung des Steuerpflichtigen gegenüber normalen Abläufen zeitlich verschiebt, sondern auch, wenn dies bewusst gesteuert wird. Daran kann der Steuerpflichtige beim Abfluss von Ausgaben, für die diese Sonderregelung ebenfalls gilt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 EStG), ein besonderes Interesse haben. Der Gesetzgeber hat aber in Abkehr von § 11 EStG 1925 - wie aus der amtlichen Begründung zu § 11 EStG 1934 ersichtlich (RStBl 1935, 40 f.) - für die Erfassung von Einnahmen und Ausgaben in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG 1934 bewusst nicht mehr wie § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG 1925 auf die Fälligkeit, sondern nur noch auf den Zu- oder Abfluss der Einnahmen oder Ausgaben abgestellt. Dementsprechend kann es auch für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben, die kurz vor oder nach dem Kalenderjahr zu- oder abfließen, nicht auf die Fälligkeit ankommen. Entscheidend ist hier allein die wirtschaftliche Zugehörigkeit zu dem abgelaufenen Zeitraum.

2. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat die am 5. Juli 1991 nachträglich für die Monate April, Mai und Juni geleistete Pachtzinszahlung zu Recht dem am 30. Juni 1991 abgelaufenen Wirtschaftsjahr zugeordnet. Diese Pachtzahlung gehört unstreitig wirtschaftlich zu dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr.