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  BFH-Urteil vom 28.10.1999 (VIII R 41/98) BStBl. 2000 II S. 339

Ein Festpreis, den eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter für die schlüsselfertige Erstellung von Gebäuden auf gesellschaftseigenen Grundstücken zahlt, ist keine Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1998, 1003)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Personenhandelsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie erzielt gewerbliche Einkünfte aus der Errichtung von Gebäuden. Sie ist an der zum Verfahren beigeladenen X-KG (im folgenden: KG) als Kommanditistin beteiligt.

In ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Streitjahre 1981 und 1982 erklärte die KG u.a. Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben der Klägerin im Zusammenhang damit, dass die Klägerin - unter Inanspruchnahme von Fremdleistungen - für die KG Wohn- und Geschäftshausbauten errichtet hatte. Nach dem sog. Generalübernehmervertrag (Bauvertrag) schuldete die Klägerin der KG die schlüsselfertige Erstellung von Bauwerken zu einem Festpreis auf Grundstücken, die im Eigentum der KG standen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Anschluss an eine Außenprüfung die insoweit erklärten Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben der Klägerin nicht. Er vertrat unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84 (BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553) und den sog. Mitunternehmer-Erlass vom 20. Dezember 1977 (BStBl I 1978, 8, 16, Tz. 86 und 88) die Ansicht, dass die Leistungen der Klägerin nicht unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen. Denn diese Vorschrift sei auf Veräußerungen zwischen einer Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter nicht anzuwenden. Bei der Errichtung der Gebäude handele es sich um Werklieferungen, die einer Veräußerung gleichzustellen und deshalb nicht als Tätigkeitsvergütung zu qualifizieren seien.

Die - auch noch wegen eines weiteren und mit der Revision nicht mehr verfolgten Streitpunktes erhobene - Klage hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, dass der Bauvertrag zivilrechtlich zwar unstreitig ein Werkvertrag i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei. Von seinem wirtschaftlichen Gehalt her sei er aber einem Kaufvertrag weitgehend angenähert, so dass der Werklohn nicht als eine Vergütung für eine "Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen werden könne. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1003 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine rechtsfehlerhafte Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1981 von ./. 1.238.795,20 DM und für 1982 von ./. 1.625.523,16 DM festzustellen und ihr weitere Sonderbetriebseinnahmen von 8.793.395 DM für 1981 und 5.092.085 DM für 1982 sowie weitere Sonderbetriebsausgaben von 6.812.719 DM für 1981 und von 4.178.604 DM für 1982 zuzurechnen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass ein Festpreis, den der Gesellschafter einer Personengesellschaft von dieser für die schlüsselfertige Erstellung von Gebäuden erhält, nicht unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG fällt.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb u.a. auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH bedeutet der Begriff "im Dienst" nicht, dass es sich notwendigerweise um ein "Dienstverhältnis" handeln muss (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1964 IV 155/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 159, 160). Vielmehr werden auch Leistungen im Rahmen eines Werkvertrags oder eines Geschäftsbesorgungsvertrags i.S. der §§ 631, 675 BGB erfasst (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1979 I R 56/77, BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763; in BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553, 555, unter 3. b der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Nicht unter den Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG ("Tätigkeit") fallen aber die Lieferung von Waren im Rahmen eines Kaufvertrags zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1969 IV 338/64, BFHE 97, 19, BStBl II 1970, 43) oder sonstige zu fremdüblichen Bedingungen geschlossene Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 622, unter C.III.6.a, cc, m.w.N.).

b) In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH das Entgelt, das eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter für die Errichtung von Gebäuden gezahlt hat, nicht dem § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugeordnet. Zwar hat diese Vorschrift auch dann, wenn der Gesellschafter - wie im Streitfall die Klägerin - seine Leistungen im Rahmen seines eigenen Gewerbebetriebs erbringt, Vorrang vor einer Zuweisung der Vergütung zu den Betriebseinnahmen des eigenen Gewerbebetriebs des Gesellschafters (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1994 VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93, 95, unter II. 2. a der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Die Qualifizierung der Einnahmen des Gesellschafters als Tätigkeitsvergütung setzt auch nicht voraus, dass der Gesellschafter die Arbeiten höchstpersönlich ausgeführt hat. Vielmehr ist eine Tätigkeitsvergütung auch dann anzunehmen, wenn sich der Gesellschafter zur Erfüllung seiner Verpflichtung einer eigenen Organisation mit Hilfskräften bedient (vgl. BFH-Urteil in BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763). Aber der BFH hat in dem Urteil vom 10. Mai 1973 IV R 74/67 (BFHE 109, 344, BStBl II 1973, 630) die Vergütung, die der Gesellschafter für die Errichtung eines Bauwerks erhalten hat, schon deshalb nicht dem gewerblichen Gewinn hinzugerechnet, weil § 15 Nr. 2 EStG (heute: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) nur sofort abziehbare Betriebsausgaben und keine aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten erfasse; an dieser Rechtsprechung hat er in dem Urteil in BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763 lediglich hinsichtlich der Begründung nicht mehr festgehalten. Er hatte in dem Urteil in BFHE 109, 344, BStBl II 1973, 630 auch auf das Urteil in BFHE 97, 19, BStBl II 1970, 43 hingewiesen, wonach Warenlieferungen nicht unter den Tatbestand des § 15 Nr. 2 EStG (heute: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) fallen und diese Vorschrift nur Nutzungsvergütungen erfasst. Diese Ansicht hat er in seinem Urteil in BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553, 555 (unter 3.b der Entscheidungsgründe) bestätigt und als die von dem Gesellschafter geschuldete und mit einer Prämie vergütete Leistung lediglich die Baubetreuung angesehen; die Prämie sei nicht als Entgelt aufgrund eines Werk- oder Werklieferungsvertrags zu beurteilen.

2. Der Senat teilt auch die Auffassung der Vorinstanz, dass nicht allein die zivilrechtliche Qualifikation des Bauvertrags als Werkvertrag ausschlaggebend dafür sein kann, ob ein von der Gesellschaft an den Gesellschafter gezahltes Entgelt als Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG zu qualifizieren ist. Vielmehr ist unter Berücksichtigung des Zwecks und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift das Tatbestandsmerkmal "Tätigkeit" bereits dann nicht mehr erfüllt, wenn der Gesellschafter zur Herbeiführung des der Gesellschaft geschuldeten Erfolgs nicht nur Arbeit zu leisten, sondern auch Waren zu liefern hat, deren Wert nicht mehr von nur untergeordneter Bedeutung ist.

a) Als eine der Vorgängervorschriften des heutigen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bestimmte § 29 Nr. 3 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 (RGBl I, 189), dass zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch etwaige "besondere Vergütungen (gehören), die der Gesellschafter für Mühewaltungen im Interesse der Gesellschaft für deren Rechnung bezogen hat". Der Begriff "Mühewaltung" bezieht sich auf einen Arbeitsaufwand und umfasst nicht die Lieferung von Waren. Wenn Strutz (Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, § 29 Anm. 29 a) die weite Fassung der Vorschrift u.a. damit erklärt, dass weitläufigen Erörterungen über die Natur der Bezüge möglichst die Spitze abgebrochen werden sollte, so deutet auch der von ihm verwendete Begriff "Bezüge" darauf hin, dass lediglich solche Vergütungen hinzugerechnet werden sollten, mit denen die Gesellschaft die Nutzung der Arbeitskraft des Gesellschafters abgegolten hat.

Daran hat sich auch durch die Neufassung der Vorschrift in § 15 Nr. 3 EStG vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 1005) nichts geändert. Danach waren Einkünfte aus Gewerbebetrieb u.a. auch "die Vergütungen, die der persönlich haftende Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft" bezogen hat. In der Gesetzesbegründung wird erläutert, dass die Vorschrift der bisherigen Regelung ohne wesentliche sachliche Änderungen entspreche und lediglich die Hingabe von Darlehen und die Überlassung von Wirtschaftsgütern neu hinzugekommen seien (vgl. RStBl 1935, 42).

b) Der Zweck der Vorschrift wird u.a. darin gesehen, die Mitunternehmer einer Personengesellschaft dem Einzelunternehmer anzunähern, weil dieser keine Verträge mit sich schließen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 698, unter C.II.3.). Da der Einzelunternehmer keinen Unternehmerlohn abziehen kann, soll durch die Hinzurechnung der Tätigkeitsvergütung erreicht werden, dass auch bei der Gesellschaft eine Entlohnung der Arbeit der Mitunternehmer im Tätigkeitsbereich der Gesellschaft den gewerblichen Gewinn im Ergebnis nicht mindert. Der Gesellschafter soll seinen Anteil am Unternehmerlohn der Gesellschaft nicht durch schuldrechtliche Gestaltungen der Besteuerung als Gewinn entziehen können. Dieses Ziel spricht ebenso wie die Entstehungsgeschichte dafür, eine einheitliche Vergütung dann nicht mehr unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG zu subsumieren, wenn mit ihr eine Gesamtleistung abgegolten wird, bei der der Wert der Warenlieferung im Verhältnis zum Wert der Arbeit nicht mehr von untergeordneter Bedeutung ist.

3. Danach hat das FG im Streitfall zu Recht entschieden, dass der vereinbarte Festpreis für die Errichtung der Gebäude nicht als Tätigkeitsvergütung angesehen werden kann. Denn bei der Errichtung eines Gebäudes ist der Wert des verwendeten Materials im Verhältnis zu dem Wert der erbrachten Arbeit nicht von nur untergeordneter Bedeutung.