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  BFH-Urteil vom 1.3.2000 (II R 53/98) BStBl. 2000 II S. 357

Die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH begründet keine Befugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten. Daran ändert sich durch das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der GmbH mit dem Alleingesellschafter nichts. Es fehlt an einem Wechsel in der Grundstückszuordnung.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1998, 1661)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut. Sie ist alleiniger Gesellschafter der A-Gebäudeverwaltungs GmbH (im Folgenden: Verwaltungsgesellschaft), die sich mit dem Erwerb, der Verwaltung und Veräußerung von Grundstücken befasst. Mit dieser Verwaltungsgesellschaft hatte sie im Jahr 1978 eine zunächst lediglich als "Gewinn- und Verlustübernahmevertrag" überschriebene, später von ihr als Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bezeichnete Vereinbarung getroffen, gemäß deren § 2 die Verwaltungsgesellschaft ungeachtet ihrer juristischen Selbständigkeit verpflichtet ist, nach dem Willen der Klägerin zu handeln, ihren Geschäftsbetrieb gemäß den Anweisungen der Klägerin zu führen und ihren Gewinn an diese abzuführen. Die Klägerin ihrerseits verpflichtete sich, einen etwaigen Verlust der Verwaltungsgesellschaft auszugleichen. § 302 des Aktiengesetzes (AktG) sollte entsprechend gelten.

Die Verwaltungsgesellschaft hatte in einem von der Klägerin betriebenen Verfahren zur Zwangsversteigerung in ... belegener Grundstücke das Meistgebot in Höhe von 16,5 Mio. DM abgegeben. Die Entscheidung über den Zuschlag war auf Antrag der Klägerin ausgesetzt und sodann zweimal verschoben worden. In der Zwischenzeit trat die Verwaltungsgesellschaft ihre Rechte aus dem Meistgebot durch Vertrag vom 18. Dezember 1992 zum Preis von 17,2 Mio. DM an einen Dritten, eine KG, ab. An dem Vertrag war auch die Klägerin beteiligt. Sie verpflichtete sich gegenüber den anderen Vertragspartnern, nach Erhalt des ihr als betreibende Gläubigerin aus dem Meistgebot zustehenden Betrages gegenüber dem Vollstreckungsgericht die erforderliche Befriedigungserklärung abzugeben (§ 144 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG -).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm an, mit der Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 durch die Verwaltungsgesellschaft sei in der Person der Klägerin gleichzeitig der Tatbestand des § 1 Abs. 2 des Gesetzes erfüllt worden. Von der erlangten Verwertungsmöglichkeit habe sie durch ihre Mitwirkung beim Zustandekommen des Vertrages über die Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot an die KG auch Gebrauch gemacht. Bemessungsgrundlage seien 7/10 des durch das Vollstreckungsgericht festgelegten Grundstücksverkehrswerts abzüglich des auf die Einrichtung entfallenden Anteils, nämlich ein Betrag von 15.144.885 DM. Demgemäss setzte es die Steuer mit Bescheid vom 27. Mai 1993 auf 302.897 DM fest.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage führte zu einer Herabsetzung der Steuer auf 41.206 DM. Das Finanzgericht (FG) folgte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1661 veröffentlichten Urteil dem FA darin, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 erfüllt sei, ging aber von den Einheitswerten der Grundstücke als Bemessungsgrundlage aus. Zwar reichten weder die Stellung als Alleingesellschafterin der Verwaltungsgesellschaft noch der Beherrschungsvertrag für sich allein aus, der Klägerin über die Verwaltungsgesellschaft die nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 erforderliche Verwertungsmöglichkeit bezüglich der zwangsversteigerten Grundstücke zu verschaffen; in Verbindung mit der Regelung über die Gewinnabführung bewirkten aber die Vereinbarungen aus dem Jahr 1978, dass die Klägerin die Grundstücke auf eigene Rechnung verwerten könne.

Mit der dagegen eingelegten Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. Sie trägt vor, die Zurechnung des Jahresgewinns der Verwaltungsgesellschaft bedeute keine Teilnahme am Mehrerlös aus der Veräußerung einzelner Grundstücke. Davon abgesehen scheide bereits nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 dessen Anwendung im Streitfall aus. Die Regelung stelle im Verhältnis zu Abs. 1 der Vorschrift einen Ersatztatbestand dar. Folglich müsse der Ersatztatbestand den auf Eigentumserwerb gerichteten Vorgängen im Wesentlichen gleichkommen. Daran fehle es im Streitfall.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Mai 1993 und die Einspruchsentscheidung vom 22. November 1993 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung sowie der angefochtene Steuerbescheid sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Unternehmensvertrag aus dem Jahr 1978 führt nicht dazu, dass durch die Abgabe des Meistgebots seitens der Verwaltungsgesellschaft und die Weiterveräußerung der daraus folgenden Rechte zugleich in der Person der Klägerin bezüglich der zwangsversteigerten Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 erfüllt worden ist. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben.

1. Gemeinsames Merkmal der Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG 1983 ist der Rechtsträgerwechsel bezüglich eines Grundstücks i.S. des § 2 Abs. 1 und 2 des Gesetzes. Der Erwerbsvorgang muss darauf gerichtet sein oder darin bestehen, dass das Grundstück von einem Rechtsträger auf einen anderen übergeht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. April 1981 II R 87/78, BFHE 133, 97, BStBl II 1981, 488, sowie vom 29. Oktober 1997 II R 36/95, BFHE 183, 269, BStBl II 1998, 27). Ein derartiger Wechsel in der Zuordnung der Grundstücke ist auch für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes erforderlich, wobei allerdings dieser Wechsel in der Grundstückszuordnung unterhalb der Ebene eines Eigentümerwechsels stattfindet. Die Vorschrift soll solche Erwerbsvorgänge erfassen, die vom Wechsel im Eigentum abgesehen den in § 1 Abs. 1 GrEStG 1983 beschriebenen Erwerbsvorgängen so nahe kommen, dass sie es wie diese dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen (so BFH-Urteile vom 3. Mai 1973 II R 37/68, BFHE 109, 476, BStBl II 1973, 709, sowie vom 27. Juli 1994 II R 67/91, BFH/NV 1995, 269).

Der Umstand, dass jemand Alleingesellschafter einer GmbH ist, begründet für sich allein keine Befugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten. Der Alleingesellschafter einer GmbH kann zwar in Gestalt eines Gesellschafterversammlungsbeschlusses oder ggf. in seiner zusätzlichen Eigenschaft als Geschäftsführer auf das Schicksal der Grundstücke der GmbH Einfluss nehmen und über den Gewinn der Gesellschaft einen etwaigen Mehrerlös aus der Veräußerung der Grundstücke an sich ziehen; er ist dabei aber auf seine Mitwirkungsrechte in den Organen der GmbH angewiesen, deren Handeln der GmbH zuzurechnen ist (Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1997, § 35 Anm. 7). Dies und die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH schließen es aus, bei einem Grundstückserwerb durch die GmbH in der Person des Alleingesellschafters wegen dessen Gesellschafterstellung einen weiteren Wechsel in der Grundstückszuordnung, und damit zusätzlich einen Grunderwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, anzunehmen (vgl. dazu Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl. 1996, § 1 Anm. 71 S. 111). Ähnlich, nämlich unter Hinweis auf die für Zwecke der Grunderwerbsbesteuerung bestehende (Teil-)Steuerrechtsfähigkeit, hat die Rechtsprechung auch beim Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes abgelehnt, obwohl der Anteil am Vermögen der ein Grundstück erwerbenden Gesamthandsgemeinschaft immer eine Beteiligung am Wert und den Wertveränderungen des erworbenen Grundstücks vermittelt (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1991 II R 82/87, BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731 unter II. 2.).

2. Das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ändert daran, dass es an einem Wechsel in der Grundstückszuordnung auf den Alleingesellschafter fehlt, nichts. Die Rechte aus einem Beherrschungsvertrag erweitern die Einflussmöglichkeiten des Alleingesellschafters auf die Grundstücke der GmbH nicht in einer für § 1 Abs. 2 des Gesetzes erheblichen Weise. Zwar geht durch einen wirksamen Beherrschungsvertrag mit dem Alleingesellschafter die Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung mit der Folge verloren, dass der Alleingesellschafter seinen Willen nicht mehr in Form eines Gesellschafterversammlungsbeschlusses artikulieren muss (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl. 1996, GmbH-KonzernR Anm. 4); die Weisungskompetenz der Gesellschafterversammlung wird auf den beherrschenden Alleingesellschafter übertragen. Dieser kann jedoch nicht unmittelbar eingreifen; es stehen ihm weder Vertretungs- noch Geschäftsführungsrechte zu. Er kann lediglich dem Vorstand bzw. dem Geschäftsführer der beherrschten Gesellschaft Weisungen erteilen und ist hierauf beschränkt (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, § 308 Rz. 8 ff.). Dieser leitet die Gesellschaft nach wie vor; seine Handlungen sind der beherrschten Gesellschaft zuzurechnen. Der beherrschende Alleingesellschafter erlangt damit keine Rechtsmacht, die zu einer Zuordnung des erworbenen Grundstücks auf ihn i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 führt. Auch der Gewinnabführungsvertrag ändert daran nichts. Er bewirkt lediglich, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen nicht mehr betreibt, um eigenen Gewinn zu erzielen, sondern in fremdem Interesse. Der dem Streitfall zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit vom Auftragserwerb durch einen Treuhänder, der sich im Augenblick seines Grundstückserwerbs einem Herausgabeanspruch gegenübersieht, der ohne das Treuhandverhältnis nicht bestünde.

3. Ist somit der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ohnehin nicht geeignet, der Klägerin eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 bezüglich der Grundstücke der Verwaltungsgesellschaft zu verschaffen, kann im Streitfall auf sich beruhen, ob er - was bislang nicht festgestellt ist - wirksam zustande gekommen oder zumindest bis einschließlich des Jahres der Abgabe des Meistgebots und der Veräußerung der daraus folgenden Rechte tatsächlich durchgeführt worden ist, und was ggf. als Bemessungsgrundlage anzusetzen wäre.