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  BFH-Urteil vom 24.2.2000 (III R 104/96) BStBl. 2000 II S. 441

Einer GmbH, deren Anteile mehrheitlich von einer anderen GmbH gehalten werden, steht die erhöhte Investitionszulage von 20 v.H. auch dann nicht zu, wenn an der anderen GmbH natürliche Personen beteiligt sind, die am 9. November 1989 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR hatten.

InvZulG 1993 § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c; GG Art. 3 Abs. 1.

Vorinstanz: Sächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz in Sachsen. Im Streitjahr 1993 bestanden folgende Beteiligungsverhältnisse:

Bis zum 8. März 1993 waren beteiligt die Gesellschafter A mit Wohnsitz in Bayern zu 20 v.H., B mit Wohnsitz in Bayern zu 20 v.H., C mit Wohnsitz in Bayern zu 20 v.H. und D mit Wohnsitz in Sachsen zu 40 v.H.

Nach einer Umstrukturierung zum 8. März 1993 waren folgende Gesellschafter beteiligt: E mit Wohnsitz in Sachsen zu 10 v.H., D mit Wohnsitz in Sachsen zu 15 v.H. sowie die F-GmbH mit Sitz in Sachsen zu 75 v.H. An der F-GmbH waren drei natürliche Personen beteiligt, die am 9. November 1989 ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR hatten.

Am 10. Dezember 1993 erwarb die F-GmbH den Anteil des Gesellschafters E von 10 v.H. hinzu und war somit zu 85 v.H. an der Klägerin beteiligt. 15 v.H. des Stammkapitals der Klägerin hielt weiterhin D. Die Beteiligungsstruktur der F-GmbH blieb unverändert.

Unter dem 4. Februar 1994 beantragte die Klägerin für das Streitjahr 1993 die Gewährung einer erhöhten Investitionszulage gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993 für Wirtschaftsgüter, die nach dem 8. März 1993 angeschafft worden waren. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht, sondern gewährte lediglich eine Zulage in Höhe von 8 v.H. und zwar mit der Begründung, an der Klägerin seien nicht mehrheitlich unmittelbar natürliche Personen beteiligt, die am 9. November 1989 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR gehabt hätten.

Der hiergegen gerichtete Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Voraussetzung für die Gewährung der erhöhten Zulage gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993, dass an dem Kapital zu mehr als der Hälfte unmittelbar Steuerpflichtige beteiligt sein müssten, die am 9. November 1989 einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR hatten, sei nicht erfüllt. Denn am Kapital der Klägerin seien vor dem 8. März 1993 mehrheitlich Personen aus den alten Bundesländern und ab dem 8. März 1993 mehrheitlich die F-GmbH beteiligt gewesen. Ob die hinter der F-GmbH stehenden natürlichen Personen am 9. November 1989 in der ehemaligen DDR ansässig gewesen seien, sei unerheblich. Denn das Gesetz verlange eine unmittelbare Beteiligung solcher Steuerpflichtiger.

Eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 im Wege einer teleologischen Extension dahingehend, dass auch bei mittelbarer Beteiligung eine erhöhte Investitionszulage zu gewähren sei, komme nicht in Betracht. Ob eine Gleichstellung von mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen angebracht gewesen wäre, sei eine rechtspolitische Frage, über die das Gericht nicht zu befinden habe.

Der Ausschluss mittelbarer Mehrheitsbeteiligungen von Personen aus der ehemaligen DDR gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 sei nicht gleichheitswidrig. Denn dem Gesetzgeber stehe insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu, in den die Gerichte nicht eingreifen dürften. Bei der Schaffung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 habe sich der Gesetzgeber offenbar von der Überlegung leiten lassen, die Gewährung erhöhter Investitionszulage auch bei mittelbarer Beteiligung würde zu einer Erschwerung der Prüfung der persönlichen Voraussetzungen der Zulagenberechtigung führen. Hierbei handele es sich um Praktikabilitätserwägungen im Rahmen eines Massenverfahrens bei einer begünstigenden Regelung, die den Anforderungen des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) genüge.

Mit der Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 sei insoweit verfassungswidrig, als die Gewährung der erhöhten Investitionszulage auf eine unmittelbare Beteiligung von in der ehemaligen DDR ansässigen Personen beschränkt sei. Die erhöhte Investitionszulage habe bezweckt, für Bürger der ehemaligen DDR einen Investitionsanreiz zu schaffen. Dieser Gesetzeszweck werde auch bei einer nur mittelbaren Beteiligung des zu fördernden Personenkreises erreicht. Die rechtliche Ausgestaltung der Beteiligung dürfe für die Höhe der Investitionszulage nicht entscheidend sein. Dem Gesetzgebungsverfahren sei kein Anhaltspunkt dahingehend zu entnehmen, dass die Förderung bei nur mittelbarer Beteiligung ausgeschlossen sein sollte. Es bestehe kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung mittelbarer und unmittelbarer Mehrheitsbeteiligungen von Personen mit Wohnsitz in der ehemaligen DDR.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage unter Berücksichtigung des erhöhten Zulagensatzes von 20 v.H. festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

1. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c i.V.m. Buchst. a InvZulG 1993 erhöht sich die Investitionszulage für Steuerpflichtige i.S. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf 20 v.H. der Bemessungsgrundlage, wenn - neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen - am Kapital des betreffenden Unternehmens zu mehr als der Hälfte unmittelbar Steuerpflichtige beteiligt sind, die am 9. November 1989 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen DDR hatten (ehemalige DDR-Ansässigkeit).

a) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Nach der Umstrukturierung der Klägerin zum 8. März 1993 war an ihr neben zwei natürlichen Personen in Höhe von zusammen 25 v.H. (später 15 v.H.) die F-GmbH zu 75 v.H. (später zu 85 v.H.) unmittelbar beteiligt. Die an der F-GmbH beteiligten natürlichen Personen, die am 9. November 1989 ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR hatten, waren somit an der Klägerin nicht unmittelbar, sondern über ihre Beteiligung an der F-GmbH lediglich mittelbar beteiligt.

b) Wie die Klägerin selbst einräumt, scheidet bei den gegebenen Beteiligungsverhältnissen eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 im Streitfall aus. Für eine Ausdehnung der Begünstigung - entgegen dem Wortlaut - auch auf Unternehmen, an denen ehemalige

DDR-Ansässige nur mittelbar beteiligt sind, wäre eine planwidrige Gesetzeslücke Voraussetzung (s. hierzu z.B. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578). Eine solche Lückenhaftigkeit des Gesetzes ist aber auch für den Senat nicht erkennbar. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass sich aus der BTDrucks. 12/7427 keine ausdrückliche Begründung dafür ergibt, weshalb der Gesetzgeber nur solche körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen habe begünstigen wollen, an denen ehemalige DDR-Ansässige unmittelbar beteiligt sind. Andererseits enthalten diese Gesetzesmaterialien, die im Übrigen die spätere Beschränkung der hier zu beurteilenden Begünstigung auf vor dem 1. Januar 1995 begonnene Investitionen - durch Art. 3 des sog. Grenzpendlergesetzes (GrenzPG) vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1395, BStBl I 1994, 440) - betreffen, aber auch keine Hinweise auf die von der Klägerin vertretene Auffassung, es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor. Solche Hinweise sind auch nicht in den die Schaffung der Begünstigungsnorm betreffenden Gesetzesmaterialien (BTDrucks. 12/3893, 154, 166, 167) enthalten.

Die Beschränkung in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 auf die mehrheitliche unmittelbare Beteiligung der in Nr. 1 Buchst. a derselben Vorschrift genannten Personen entspricht im Übrigen anerkannten investitionszulagenrechtlichen Grundsätzen. Nur durch eine (mehrheitliche) unmittelbare Beteiligung können z.B. die betreffenden Personen im Allgemeinen auch entsprechenden Einfluss auf den Einsatz und die Verwendung der begünstigten Wirtschaftsgüter, vor allem im Hinblick auf die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1993, nehmen. Dieser Gesichtspunkt war z.B. - neben der betriebsvermögensmäßigen Verflechtung - auch für die investitionszulagenrechtliche Behandlung von Betriebsaufspaltungsfällen durch den erkennenden Senat von Bedeutung (s. hierzu schon das Urteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, lange vor Inkrafttreten der hier zu beurteilenden Vorschrift ergangen).

Außerdem entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass Investitionszulagenanträge schnell zu bearbeiten sind und daher im Allgemeinen keine umfangreichen Ermittlungen dulden (s. z.B. auch aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 InvZulG 1993 das Urteil vom 17. März 1989 III R 97/85, BFH/NV 1990, 731). Dieser Gesichtspunkt einer möglichst kurzen Bearbeitungsdauer der Zulagenanträge beschäftigte nachweislich auch den Gesetzgeber des InvZulG 1993, jedenfalls im Zusammenhang mit der o.g. späteren zeitlichen Einschränkung des § 5 Abs. 2 (s. hierzu BTDrucks. 12/7427, 31). Gerade diesen Grundsätzen würde es aber - worauf auch das FG hingewiesen hat - in hohem Maße zuwider laufen, ließe man auch mittelbare Beteiligungen ehemaliger DDR-Ansässiger ausreichen. So könnte es unter Umständen schon zu Auseinandersetzungen um rechtliche Vorfragen kommen; ob z.B. - für die Feststellung der Mehrheitsverhältnisse - unmittelbare und mittelbare Beteiligungen rein rechnerisch zusammenzuzählen sind oder ob mittelbare Beteiligungen dabei nur dann zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige an der die Beteiligung vermittelnden Gesellschaft (hier der F-GmbH) mit mehr als 50 v.H. beteiligt ist (vgl. hierzu z.B. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 17 Rz. 68). Außerdem dürfte es bei prozentual geringen, vor allem über mehrere Gesellschaften vermittelten (mittelbaren) Beteiligungen zu arbeits- und zeitaufwendigen Nachfragen und Wohnsitzüberprüfungen kommen. Die von der Klägerin angesprochene Beweislastverteilung verhindert diesen Aufwand nicht.

c) Bereits aus den vorgenannten Gründen ergibt sich, dass auch ein Verstoß der Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt. Insbesondere das Moment der Einflussnahme auf die Verwendung der begünstigten Wirtschaftsgüter sowie der Gesichtspunkt der zügigen Bearbeitung der Zulagenanträge sind besondere sachliche Gründe, die dem Gesetzgeber bei der Investitionszulagengewährung eine unterschiedliche Behandlung Steuerpflichtiger i.S. des KStG erlauben, je nachdem, ob an ihnen zu mehr als der Hälfte frühere DDR-Ansässige unmittelbar oder lediglich mittelbar beteiligt sind. Denn nach dem erkennbaren Normzweck soll die Förderung zeitnah den Personen zugute kommen, die durch ihre Einflussnahme den förderungswürdigen Einsatz der begünstigten Wirtschaftsgüter konkret bewirken können.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c InvZulG 1993 eine einfache und eindeutige Regelung getroffen hat, auf die sich die Investoren einstellen konnten. Ausnahmen auch nur in begrenztem Umfange, etwa i.S. der Klägerin zuzulassen, bestand keine Verpflichtung. Bei Subventionsnormen hat der Gesetzgeber einen weiteren Ermessensspielraum; Härten in Einzelfällen sind in Kauf zu nehmen (vgl. hierzu z.B. das Senatsurteil vom 9. Dezember 1988 III R 72/86, BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244, zu § 4b InvZulG 1982).

Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 46) und vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93 (Deutsches Steuerrecht 1999, 1984, Betriebs-Berater 2000, 183) stehen dem Ausschluss der Klägerin von der erhöhten Investitionszulage nicht entgegen. Anders als dort beruht die Schlechterstellung hier nicht auf lediglich formalen Kriterien; sie ist vielmehr - wie oben dargelegt - durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt.

d) Das vom Senat gefundene Ergebnis entspricht im Übrigen nicht nur der Auffassung der Finanzverwaltung, insbesondere im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Oktober 1993 (BStBl I 1993, 904, Tz. 16), und jener von Selder (in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 InvZulG 1996 Rz. 9, 12). Es wird auch im übrigen Schrifttum allgemein gebilligt (s. z.B. Jasper/Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung in den neuen Bundesländern, Fach 4 Investitionszulagen, § 5 InvZulG Rz. 9; M. Söffing in Lademann, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 5 InvZulG Anm. 14; Stuhrmann, Änderungen des Investitionszulagengesetzes durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3, 8451, 8455; Zitzmann, Zulagen für Investitionen in den neuen Bundesländern, 5. Aufl., Tz. 6). Desgleichen hat auch das Thüringer FG in dem Urteil vom 14. Februar 1996 I 277/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 671) eine nur mittelbare Beteiligung des begünstigten Personenkreises als nicht ausreichend angesehen.

Die von der Klägerin angesprochene Frage der Anspruchsberechtigung einer GmbH & Co. KG, bei der natürliche Personen i.S. von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a InvZulG 1993 zu mehr als 50 v.H. am Stammkapital der Komplementär-GmbH beteiligt sind und diese die Mehrheit der Anteile an der KG hält, stellte sich im Streitfall nicht. Ihre Beantwortung muss deshalb ggf. einer späteren Entscheidung vorbehalten bleiben.