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  BFH-Urteil vom 24.5.2000 (VI R 17/96) BStBl. 2000 II S. 584

Wird vom Arbeitgeber eine vorgesehene Versetzung rückgängig gemacht, sind die dem Arbeitnehmer durch die Aufgabe seiner Umzugsabsicht entstandenen vergeblichen Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg (EFG 1996, 647)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) im Streitjahr 1986 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte als leitender Angestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war seit dem 1. Oktober 1982 von seinem Arbeitgeber nach W abgeordnet, wo er einen zweiten Haushalt führte. Es sollte sich hierbei nur um eine kurzfristige Abordnung handeln. Im Jahr 1985 teilte der Arbeitgeber dem Kläger aber mit, dass W auf Dauer seine Arbeitsstelle sein werde und eine Rückversetzung nach E nicht mehr in Frage komme. Darauf entschloss sich der Kläger, sein Eigenheim in E zu verkaufen und zusammen mit der Klägerin in der Nähe von W ein Eigenheim zu beziehen. In der Folgezeit erwarben die Kläger bei W ein Baugrundstück. Gleichzeitig beauftragte der Kläger einen Makler damit, sein Haus in E zu veräußern.

Nachdem die Kläger bereits den Antrag auf Baugenehmigung zur Errichtung eines Hauses auf ihrem Grundstück gestellt hatten, teilte der Arbeitgeber des Klägers mit, dass eine Rückversetzung nach E zum 1. April 1987 erfolge. Deshalb machten die Kläger die bereits getroffenen Dispositionen rückgängig; allerdings verblieben verlorene Aufwendungen bezüglich des Baugrundstücks in Höhe von 11.463 DM und Maklerkosten für das Haus in E in Höhe von 4.503 DM. Der Arbeitgeber gewährte dem Kläger deshalb eine Sondervergütung in Höhe von 34.454 DM. Deren Höhe war so berechnet, dass sich nach Abzug von Lohn- und Kirchensteuer ein Nettobetrag in Höhe der gesamten verlorenen Aufwendungen von 15.966 DM ergab.

Das FA erfasste die 34.454 DM als Arbeitslohn und berücksichtigte die verlorenen Aufwendungen hinsichtlich des Baugrundstücks als Verlust aus Vermietung und Verpachtung mit Ausnahme eines für die Vertragsaufhebung angefallenen Betrages in Höhe von 552 DM und der Maklerkosten in Höhe von 4.503 DM.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 647 veröffentlichten Gründen ab.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie rügen die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das für den Begriff der Werbungskosten maßgebliche Veranlassungsprinzip qualifiziere Aufwendungen nach ihrem auslösenden Moment. Es sei deshalb auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzustellen. Umzugskosten seien Werbungskosten z.B. dann, wenn der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels sei und die Zeit für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheblich vermindert werde; private Motive für die Auswahl der Wohnung seien dann unschädlich. Die berufliche Veranlassung eines Umzugs könne somit die private Mitveranlassung überlagern. Umgekehrt trete die berufliche Veranlassung immer dann zurück, wenn die Aufwendungen Anschaffungs- oder Herstellungskosten darstellten, was auch für Veräußerungskosten gelten müsse. Da dies vorliegend nicht der Fall sei, seien die streitigen Kosten als Werbungskosten anzuerkennen. Im Streitfall seien die Weisungen des Arbeitgebers kausal für den Kauf des Baugrundstücks bzw. den Verkaufsentschluss des Familienheims gewesen. Die berufliche Versetzung habe die Kläger zu Entscheidungen in ihrer Privatsphäre gezwungen. Die berufliche Verursachung überwiege daher. Die Tatsache, dass es vorliegend um vergebliche Aufwendungen gehe, stehe einem Abzug als Werbungskosten nicht entgegen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils weitere Aufwendungen in Höhe von 5.055 DM zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Da nach den zutreffenden Ausführungen des FG eine nicht unerhebliche private Mitveranlassung gegeben sei, seien die streitigen Aufwendungen nach dem Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG insgesamt nicht abzugsfähig. Werbungskosten lägen im Übrigen nicht etwa deshalb vor, weil es sich um vergebliche Aufwendungen gehandelt habe. Vielmehr seien im Streitfall Werbungskosten schon deshalb nicht anzuerkennen, weil die streitigen Aufwendungen nicht auf die Aufnahme einer steuerpflichtigen Tätigkeit gerichtet gewesen seien. Denn sie hätten als Aufwendungen für den Rücktritt vom Kauf einer Einkunftsquelle bzw. dem geplanten Verkauf einer solchen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beendigung bzw. beabsichtigten Beendigung der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gestanden (§ 21 Abs. 2 i.V.m. § 21a EStG 1986).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur antragsgemäßen Herabsetzung der Einkommensteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die vom Arbeitgeber geleistete Erstattung ist zwar als Schadensübernahme steuerbarer Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 EStG, wovon auch das FG unausgesprochen ausgeht. Denn die Übernahme von Verlusten durch den Arbeitgeber, die in der privaten Vermögenssphäre des Arbeitnehmers anfallen, stellt grundsätzlich Arbeitslohn dar (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 1981 I 108/79, EFG 1981, 629; Küttner/Thomas, Personalbuch 2000, Arbeitslohn Rz. 45). Nur echte Schadensersatzleistungen des Arbeitgebers - also Leistungen aufgrund eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs, der dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber zusteht - sind nicht einkommensteuerbar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144). Für einen solchen Schadensersatzanspruch ist aber nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

2. Die streitigen Aufwendungen sind jedoch Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind solche Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. BFH-Urteil vom 22. November 1991 VI R 77/89, BFHE 166, 534, 536, BStBl II 1992, 494). Unter der Voraussetzung eines ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Aufwendungen und der beruflichen Sphäre können auch vergebliche Aufwendungen Werbungskosten sein (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 478, BStBl II 1990, 830, zu C. III. 2. a, m.w.N.). Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 2 - 3/88, BFHE 161, 290, 303, BStBl II 1990, 817, zu C. II. 2. b bb; BFH-Urteil vom 17. April 1997 VIII R 47/95, BFHE 184, 275, BStBl II 1998, 102).

b) Regelmäßig sind danach Aufwendungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines Eigenheims, die wegen einer Versetzung durch den Arbeitgeber anfallen, der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen und somit keine Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des erkennenden Senats vom 24. Mai 2000 VI R 147/99).

Anders verhält es sich aber, wenn es zum Erwerb eines neuen bzw. der Veräußerung des bisherigen Eigenheims nicht mehr kommt, weil der Arbeitgeber die geplante Versetzung wieder aufgibt. Eine solche Fallgestaltung ist mit dem im BFH-Urteil vom 12. Januar 1990 VI R 29/86 (BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423, zu 2.) entschiedenen Sachverhalt eines beruflich veranlassten Rückrufs aus dem Urlaub insofern vergleichbar, als die Rückreise vom Urlaubsort zur Privatsphäre gehört, während eine beruflich veranlasste Urlaubsunterbrechung abschließend dem Bereich der Einkunftserzielung zugeordnet werden kann.

c) So verhält es sich auch im Streitfall. Weil es nicht zum Verkauf des Hauses in E und auch nicht zum endgültigen Erwerb eines Grundstücks bei W gekommen ist, ist es gerechtfertigt, die durch die erwartete berufliche Veränderung ausgelösten Aufwendungen ausschließlich als durch den Beruf veranlasst anzusehen.

Dabei kann dahinstehen, ob bei vollzogenem Grundstückserwerb wegen der Erfüllung des Tatbestandes des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. anders zu entscheiden wäre. Denn im Streitfall war allein aufgrund des notariellen Kaufvertrages das wirtschaftliche Eigentum am Grundstück noch nicht übergegangen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1987 IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428, 430, m.w.N.).

3. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die streitigen Aufwendungen sind antragsgemäß als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen.