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  BFH-Urteil vom 18.7.2000 (VII R 101/98) BStBl. 2001 II S. 5

1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet es der Finanzbehörde, Forderungen zu pfänden, ohne dass ein hinreichender Anhalt dafür besteht, dass die Pfändung zu ihrer Befriedigung führen kann; dabei ist das Interesse des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen, dass anderen seine Steuerschulden nicht bekannt werden.

2. In der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung ist anstelle der Bezeichnung des Schuldgrundes zumindest die Summe des beizutreibenden Geldbetrages anzugeben. Das Steuergeheimnis steht dem nicht entgegen.

3. Das Steuergeheimnis verlangt nicht, vor Erlass einer Pfändungsverfügung beim Drittschuldner wegen des Bestandes einer Forderung des Vollstreckungsschuldners anzufragen.

AO 1977 § 30 Abs. 1 und 4, §§ 260, 282, 309, 314.

Vorinstanz: FG des Saarlandes (EFG 1999, 146)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist seit geraumer Zeit wegen Steuerschulden (Einkommensteuer und Steuern aus dem von ihr unterhaltenen Gewerbebetrieb, einem Heim zur Kurzzeitaltenpflege) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) ausgesetzt. Im Dezember 1997 hat das FA gegen die Volksbank B (Volksbank) eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen und in dieser u.a. angegeben, dass die Klägerin ihm rd. ... DM Abgaben schulde. Ferner hat es im November desselben Jahres mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen unter Offenbarung der nämlichen Tatsache gegen mehrere Pflegekassen und die Sozialämter der Städte B und H sowie die Gemeinde G erlassen. Mit den meisten der eben genannten Drittschuldner will die Klägerin jedoch nicht oder nicht mehr in Geschäftsbeziehungen gestanden haben.

Die Klägerin hat u.a. mit dem Antrag Klage erhoben, festzustellen, dass das FA nicht befugt gewesen sei, den vorgenannten Drittschuldnern die Höhe ihrer Steuerschulden offen zu legen. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage insoweit mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 146 veröffentlichten Urteil stattgegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das FG hat zu Unrecht § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) als durch die Bekanntgabe der Pfändungs- und Überweisungsverfügungen des FA gegenüber den Drittschuldnern verletzt angesehen. Die Durchbrechung des Steuergeheimnisses durch die Angabe des von der Klägerin geschuldeten Abgabebetrages in diesen Verfügungen ist entgegen der Ansicht des FG zulässig gewesen.

Nach der vorgenannten Vorschrift darf allerdings, wie das FG eingehend und richtig ausgeführt hat, das Steuergeheimnis, das Amtsträger wie die Mitarbeiter des FA nach § 30 Abs. 1 AO 1977 zu wahren haben, nur dann nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 durchbrochen und dürfen seinem Schutz unterfallende Kenntnisse wie die über die Abgabenschulden der Klägerin einem Dritten offenbart werden, wenn dies der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen - hier: einem Vollstreckungsverfahren zur Beitreibung von Steuerschulden - bei verständiger Würdigung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten dient. Das FG verkennt jedoch die rechtlichen Anforderungen an eine rechtmäßige Pfändungsverfügung, wenn es meint, in dieser brauche nicht die Höhe der Schulden angegeben zu werden, derentwegen vollstreckt wird, diese Angabe könne vielmehr nach Abgabe der Drittschuldnererklärung (§ 316 AO 1977) nachgeholt werden, was das FA insbesondere "prüfen solle", wenn nicht feststehe, dass Forderungen gegen den Drittschuldner bestehen. Unzutreffend ist ferner die Auffassung, es sei anderenfalls geboten, vor Erlass einer Pfändungsverfügung eine Auskunft des (mutmaßlichen) Drittschuldners über die Forderung des Vollstreckungsschuldners einzuholen und in einer Pfändungsverfügung nur den dieser Forderung gegen den Drittschuldner entsprechenden Betrag als zu vollstreckende Forderung zu benennen.

1. Was den Inhalt einer Pfändungsverfügung angeht, so ergibt sich aus § 309 Abs. 1 AO 1977, dass bei Pfändung einer Geldforderung die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner in der Verfügung zu verbieten hat, an den Vollstreckungsschuldner (hier: die Klägerin) zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner zu gebieten hat, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten. Dabei erstreckt sich die Pfändung grundsätzlich auf die gesamte Forderung, nicht etwa nur den Teilbetrag welcher der Forderung der Vollstreckungsbehörde gegen den Pfändungsschuldner entspricht; eine Teilpfändung der Forderung des Pfändungsschuldners ist nur ausnahmsweise geboten und muss ggf. in der Pfändungsverfügung ausdrücklich ausgesprochen werden (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 22. Januar 1975 VIII ZR 119/73, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1975, 738). Im Regelfall (Vollpfändung der Forderung des Pfändungsschuldners) ist die Höhe der Forderung der Vollstreckungsbehörde folglich für den Drittschuldner grundsätzlich belanglos, weil sie für den Gegenstand der Pfändung nicht von Bedeutung ist und der Drittschuldner Mängel der Vollstreckungsforderung nicht gegen die Pfändung einwenden kann.

Gleichwohl gehört die Angabe, wegen welcher Forderung gepfändet wird, zum notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung. Die Rechtswirkung der Pfändungsverfügung besteht in dem Entstehen eines Pfändungspfandrechts der Vollstreckungsbehörde an der Forderung des Pfändungsschuldners gegen den Drittschuldner (§ 282 Abs. 1 AO 1977), also in der Belastung derselben mit dem Recht des Pfändungsgläubigers, aus der Sache Befriedigung für eine Forderung zu suchen (§ 282 Abs. 2 AO 1977 i.V.m. den §§ 1273, 1204 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Es besteht mithin eine für das Pfandrecht wesentliche Beziehung zwischen der gepfändeten Forderung und einer (bestimmten) Forderung des Pfändungsgläubigers (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1983 VII R 93/76, BFHE 137, 557, BStBl II 1983, 435). Die gepfändete Forderung sichert nur dessen Anspruch auf Befriedigung für diese bestimmte Forderung, nicht für irgendwelche sonstigen Ansprüche, die er noch gegen den Pfändungsschuldner haben oder nach der Pfändung noch hinzuerwerben mag. Wird in der Pfändungsverfügung die Forderung des Vollstreckungsgläubigers nicht bezeichnet, so fehlt es mithin an der Angabe eines wesentlichen Merkmals einer solchen Verfügung; wird nur ein Teil der Forderungen des Vollstreckungsgläubigers gegen den Vollstreckungsschuldner angegeben, so erlangt jener auch nur insoweit ein Pfändungspfandrecht und läuft folglich Gefahr, wegen seiner übrigen Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung keine Befriedigung mehr erlangen zu können.

Deshalb muss der Bezug auf eine Forderung (oder Forderungsgesamtheit), welche durch das Pfandrecht gesichert wird, in der Pfändungsverfügung hinreichend zum Ausdruck kommen (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 12. Aufl. 1999, Rdnr. 495). Das gilt grundsätzlich auch für die Pfändungsverfügung nach der AO 1977, die Verwaltungsakt i.S. des § 118 AO 1977 ist (Senatsbeschluss vom 4. Februar 1992 VII B 119/91, BFH/NV 1992, 789) und inhaltlich bestimmt sein muss (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Es gilt auch für die Fassung der Pfändungsverfügung, die dem Drittschuldner bekannt gemacht wird und ihm nach § 309 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bekannt gegeben werden muss, um überhaupt ein Pfändungspfandrecht zu begründen. Die in § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 vorgeschriebene Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner ist nicht nur Mitteilung von dem anderweit erfolgten Erlass eines Verwaltungsakts, so dass in Betracht kommen könnte, dessen wesentlicher Inhalt müsse in jener, für den Drittschuldner bestimmten Verfügung nicht vollständig wiedergegeben werden. Die Pfändungsverfügung wird vielmehr gerade mit der Zustellung an den Drittschuldner wirksam (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO 1977), woraus sich erklärt, dass diese Zustellung dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen ist (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 3 AO 1977). Nach den Regelungen der AO 1977 gibt es zudem unbeschadet des § 309 Abs. 2 Satz 2 grundsätzlich nur die eine Pfändungsverfügung (einschränkend Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 309 AO 1977 Rdnr. 70), die Pfändungsschuldner und Drittschuldner bekannt zugeben ist. Das wird auch an § 309 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 deutlich, der die an den Pfändungsschuldner und die an den Drittschuldner zu richtenden Ge- bzw. Verbote in einer Verfügung auszusprechen vorschreibt. Es ergeht also nicht etwa eine Pfändungsverfügung gegenüber dem Drittschuldner und eine gesonderte weitere Verfügung gegenüber dem Pfändungsschuldner, so dass der Inhalt der einen unabhängig von den Anforderungen an den Inhalt der anderen bestimmt werden könnte.

Die dem Drittschuldner zuzustellende (Ausfertigung der) Pfändungsverfügung muss dem Drittschuldner mit dem für ihre Rechtswirkungen wesentlichen Inhalt bekannt gemacht werden und wird nur so wirksam, wie sie ihm bekannt gemacht worden ist. Zum wesentlichen Inhalt einer Pfändungsverfügung gehört aber die Angabe, wegen welcher Forderung(en) der Vollstreckungsbehörde sie ausgebracht wird, weil erst dies, wie ausgeführt, den Inhalt des Pfandrechts bestimmt, das durch die Verfügung entstehen soll (vgl. schon Senatsbeschluss vom 19. November 1963 VII 18/61 U, BFHE 78, 59, BStBl III 1964, 22). Die Angabe ist Bestandteil des Regelungsinhalts der Pfändungsverfügung, nicht nur der Begründung dieser Verfügung (Senatsurteil in BFHE 137, 557, BStBl II 1983, 435).

Dass in der Pfändungsverfügung der Zusammenhang zwischen den beizutreibenden Beträgen und der Pfändungsmaßnahme herzustellen ist, hat seine Berechtigung nicht nur darin, dass es dem Pfändungsschuldner ermöglicht werden soll, sogleich bei der Pfändung festzustellen, wegen welcher Zahlungsverpflichtung die Pfändung vorgenommen wird, um unberechtigte Pfändungen abwehren zu können (Senatsurteil in BFHE 137, 557, BStBl II 1983, 435). Die Kennzeichnung der beizutreibenden Forderung ist vielmehr auch für den Drittschuldner von Bedeutung. Erst aus der Höhe der noch bestehenden und zu vollstreckenden Forderung ergibt sich der Umfang des Pfändungspfandrechts hinsichtlich der zu pfändenden Forderung (Senatsbeschluss in BFHE 78, 59, BStBl III 1964, 22) und damit der Inhalt des Eingriffs in die Rechte des Drittschuldners; erst auf Grund der Kenntnis der Höhe der Vollstreckungsforderung kann der Drittschuldner ermessen, ob z.B. Zahlungen an den Vollstreckungsgläubiger zum Erlöschen des Pfandrechts an der gegen ihn gerichteten Forderung geführt haben, so dass er sich wegen seiner Schuld ausschließlich mit diesem auseinandersetzen muss (vgl. auch Huken, Zur Angabe des Schuldgrundes in einem Vollstreckungsauftrag und in einer Pfändungsverfügung, Kommunal- Kassen Zeitschrift - KKZ - 1986, 121, 124 zu arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten des Drittschuldners).

Auch der BGH hat in seinem Urteil vom 25. Januar 1980 V ZR 161/76 (NJW 1980, 1754) hervorgehoben, dass die Bezeichnung der Forderung, derentwegen vollstreckt wird, gerade für eine behördliche Pfändungsverfügung unverzichtbar ist. Wenn sogar für das Vollstreckungsverfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO) eine Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung in dem Pfändungsbeschluss zu verlangen sei - unbeschadet dessen, dass ein vorher zugestellter Vollstreckungstitel für die Vollstreckung notwendig sei und deren Grundlage bilde -, müsse die Vollstreckungsforderung umso mehr in der Pfändungsverfügung einer Behörde, die die Vollstreckungsforderung zugleich selbst feststelle und vollstrecke, genau bezeichnet werden. Dies gebiete der Schutz des Adressaten der Pfändungsverfügung, ein Mangel in diesem Bereich mache die Verfügung unwirksam (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Oktober 1956 II 92/55 U, BFHE 64, 210, BStBl III 1957, 80).

Von der Notwendigkeit, dass die Vollstreckungsforderung in der Pfändungsverfügung kenntlich gemacht wird, gehen offensichtlich auch die Vorschriften der AO 1977 aus. Nach § 260 AO 1977 ist in der Pfändungsverfügung der Schuldgrund anzugeben, d.h. die beizutreibende Forderung genau zu bezeichnen. Diese Vorschrift hat nicht nur für die dem Pfändungsschuldner bekannt zugebende Ausfertigung der Pfändungsverfügung Bedeutung; sie betrifft vielmehr den Inhalt der Pfändungsverfügung schlechthin. Allerdings modifiziert § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 die vorgenannte allgemeine Regelung über den Inhalt einer Pfändungsverfügung hinsichtlich der im Falle einer Vollstreckung in Forderungen an den Drittschuldner zuzustellenden Ausfertigung der Verfügung dahin, dass in dieser der beizutreibende Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnet werden "soll" (kritisch zu dieser Regelung Huken in KKZ 1986, 121). Die - insoweit durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 (BGBl I 1985, 2436) neu gefasste - AO 1977 will damit vermeiden, dass Dritte unnötig weit Einblick in die Verhältnisse des Pfändungsschuldners, etwa in schutzbedürftige Daten über die Höhe seiner Umsätze, Lohnzahlungen und dgl. erhalten (vgl. zur Entstehung der Vorschrift insofern Huken in KKZ 1986, 121, 122). Sie bedürfen dieser Einblicke nicht, weil ihren Belangen in der Regel durch die Benennung des Betrages Genüge getan ist, für den der gegen sie gerichtete Anspruch des Vollstreckungsschuldners als Pfand in Beschlag genommen ist. § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 lässt es aber, wenn sein systematischer Zusammenhang mit § 260 AO 1977 beachtet wird, nicht etwa zu, auf die Angabe auch des beizutreibenden Betrages in einer Summe zu verzichten, sondern setzt gerade voraus, dass ohne diese Sonderregelung an sich auch dem Drittschuldner die vollstreckte Forderung zu benennen wäre. Er schließt im Übrigen das nicht aus, dass gleichwohl im Einzelfall auch nähere Angaben zum Schuldgrund gemacht werden und unter Umständen - etwa bei Pfändung nur wegen einer Teilforderung des FA - gemacht werden müssen.

Die Rechtsauffassung, dass anstelle der Angabe des Schuldgrundes i.S. des § 260 AO 1977 dem Drittschuldner in jedem Fall zumindest die Summe des beizutreibenden Geldbetrages genannt werden muss bzw. - außerhalb des Anwendungsbereiches des § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 und des Steuergeheimnisses - die genaue Bezeichnung der Vollstreckungsforderung zum notwendigen Inhalt (auch) der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung gehört, entspricht der fast einhelligen Auffassung im Schrifttum (Borggreve, Die Wahrung des Steuergeheimnisses bei der Durchführung von Forderungspfändungen durch die Finanzbehörden, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1981, 55, 57; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 309 AO 1977 Rdnr. 68; Müller-Eiselt, daselbst, § 260 AO 1977 Rdnr. 6; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl. 1998, § 309 Anm. 7 b; Wolf in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, § 309 Rdnr. 12; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl. 1995, § 309 Anm. 3 b; Dumke in Schwarz, Abgabenordnung, § 309 Rdnr. 18 ff.; Bittner in Kühn/Lohmeyer, Handbuch des Abgabenrechts, Abgabenordnung, § 309 Rdnr. 36; Kussmann, Vollstreckung, 5. Aufl. 1993, S. 165; Sauer/Arendt/Hampel, Vollstreckung im Steuerrecht, 3. Aufl. 1997, S. 116; Stöber, a.a.O., Rdnr. 495 a; offenbar auch Ramackers in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 309 AO 1977 Rdnr. 19). Sie wird offensichtlich auch von den Autoren geteilt, die eine Angabe des Schuldgrundes ungeachtet des § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 für schon auf Grund verfassungsrechtlichen Datenschutzes unzulässig halten (vgl. Ramelsberger, Zum Datenschutz in der Forderungspfändung, KKZ 1988, 225; siehe auch Huken in KKZ 1987, 10). § 30 Abs. 1 AO 1977 vermöchte auch in der Tat nichts daran zu ändern, dass die Konkretisierung, wegen welcher Vollstreckungsforderung die Pfändung erfolgt und welche Vollstreckungsforderung folglich durch ein Pfandrecht gesichert wird, aus den erläuterten Gründen des Vollstreckungsrechts zum notwendigen Inhalt einer Pfändungsverfügung bzw. eines Pfändungsbeschlusses gehört (siehe dazu Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 6. Aufl. 1999, Rdnr. 605; Gottwald, Zwangsvollstreckung, 3. Aufl. 1999, § 829 Rdnr. 35; Mohrbutter, Handbuch des gesamten Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 2. Aufl., § 16 II 1; Smid in Münchner Kommentar, Zivilprozessordnung, § 829 Rdnr. 21; Musielak/Becker, Zivilprozessordnung, 1999, § 829 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Brehm, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 1995, § 829 II Rdnr. 34; Zöller/Gröber, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 1999, § 829 Rdnr. 7). Für den Inhalt eines solchen Beschlusses kann aber insoweit, weil er sich aus dem Wesen der Vollstreckung einer Geldforderung ergibt, grundsätzlich nichts anderes gelten als für eine behördliche Pfändungsverfügung.

Auch Tipke/Kruse (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., 86. Lieferung Oktober 1998, § 309 AO 1977 Rdnr. 37 f.), auf welche sich das FG für seine Rechtsauffassung beruft, wollen offenbar nicht das nach Wortlaut und Systematik der Vollstreckungsvorschriften kaum bestreitbare Gebot, dem Drittschuldner zumindest den vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten Geldbetrag mitzuteilen, in Abrede stellen, wenn sie auch meinen, eine Pfändungsverfügung sei auch dann wirksam, wenn sie den geschuldeten Geldbetrag oder den Schuldgrund nicht bezeichne, weil diese Angaben außerhalb der Pfändungsverfügung nachgeholt werden könnten und der Verstoß gegen § 260 AO 1977 dadurch geheilt werde. Es braucht hier nicht erörtert zu werden, ob das Fehlen der Angabe des Schuldgrundes, ggf. in der in § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zugelassenen modifizierten und vereinfachten Form, die Pfändungsverfügung nichtig oder nur rechtswidrig macht (vgl. Bittner in Kühn/Lohmeyer, a.a.O., § 309 Rdnr. 35; Kussmann, a.a.O., S. 165) und ob der Mangel ggf. mit Wirkung zumindest ex nunc heilbar ist (Sauer/Arendt/Hampel, a.a.O., S. 116; vgl. jedoch Senatsurteil in BFHE 137, 557, BStBl II 1983, 435). Der Klageantrag ist im vorliegenden Fall darauf gerichtet, eine Verletzung des Steuergeheimnisses festzustellen. Dieses darf auch dann durchbrochen werden, wenn die strittige Angabe zur Höhe der Steuerschulden des Vollstreckungsschuldners kein für die Wirksamkeit der Pfändungsverfügung unerlässlicher Bestandteil sein sollte, sondern mit ex nunc heilender Wirkung nachgeholt werden kann. Denn das FA würde sich, wenn es seine Forderung nicht beziffert oder eine geringere als die tatsächlich bestehende Forderung angibt, im Falle gleichzeitiger Pfändungen anderer Gläubiger mit einem nachrangigen Pfändungspfandrecht begnügen müssen und es kann überdies auch im Interesse des Steuergeheimnisses nicht für verpflichtet gehalten werden, gemessen an den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes rechtswidrige Pfändungsverfügungen zu erlassen, mögen deren Mängel auch heilbar sein.

Gehört nach alledem die Angabe (zumindest) der Summe des beizutreibenden Geldbetrages zum Inhalt der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung - und erst recht zu der dem Drittschuldner bekannt zugebenden Einziehungsverfügung (§ 314 Abs. 1 AO 1977), die den Umfang der Einziehungsbefugnis klarstellen muss, welche dem Pfändungsgläubiger nur in Höhe der Vollstreckungsforderung zusteht (Stöber, a.a.O., Rdnr. 590) -, so kann eben diese Angabe nicht das Steuergeheimnis des Pfändungsschuldners verletzen; denn ganz abgesehen von der Spezialität der Vollstreckungsvorschriften gegenüber den in § 30 AO 1977 getroffenen Regelungen ist eine solche Angabe zur Durchführung des Vollstreckungsverfahrens unerlässlich, dient ihm also i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977.

2. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist ferner die Ansicht des FG, das FA habe vor Erlass der strittigen Pfändungsverfügungen bei den vermeintlichen Drittschuldnern Erkundigungen darüber einholen müssen, ob und ggf. in welcher Höhe sie der Klägerin etwas schulden.

Die Voraussetzungen für die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen ergeben sich aus der AO 1977. Eine vorherige Anfrage über den Bestand einer Forderung des Vollstreckungsschuldners beim Drittschuldner ist dort nicht vorgeschrieben.

Das Steuergeheimnis gibt keinen Anlass, ein diesbezügliches ungeschriebenes Gebot im Wege der Rechtsfortbildung aufzustellen. Die methodische Frage, die dabei zunächst zu klären wäre, ob nämlich auf Grund des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den das FG in diesem Zusammenhang anführt, i.V.m. § 30 Abs. 1 AO 1977 die in der AO 1977 aufgestellten Vollstreckungsvoraussetzungen um eine weitere ergänzt werden könnten, mag unerörtert bleiben. Aus der - an sich richtigen - Überlegung des FG, ein Pfändungseingriff sei nur rechtmäßig, wenn er verhältnismäßig ist, und dies setze "ein Mindestmaß an Ermittlungen" voraus, ob der Vollstreckungsschuldner tatsächlich pfändbare Forderungen gegen den vermeintlichen Drittschuldner hat, lässt sich jedenfalls entgegen der Ansicht des FG nicht folgern, das FA habe die Drittschuldner vor der Pfändung dazu befragen müssen, ob sie der Klägerin etwas schulden oder ob sie, wie es das FG verlangt, zu ihr überhaupt "in Geschäftsbeziehungen stehen". Denn mit Recht verweist das FA darauf, dass durch solche Anfragen die Pfändung nicht unerheblich verzögert und zudem vorhersehbar würde, so dass der Vollstreckungserfolg ernstlich gefährdet werden könnte. Darin, dass das FA dieses Risiko meidet, liegt keine unnötige oder unangemessene Zurückstellung des an sich anerkennenswerten Interesses der Klägerin, dass die Höhe und überhaupt die Existenz ihrer Steuerschulden Dritten nicht bekannt werden, zumal da diese dem Steuergeheimnis nicht unterliegen. Das gilt umso mehr, als auch eine solche Voranfrage das Risiko einer Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit der Klägerin nicht ausschlösse, sondern allenfalls unter Umständen im Verhältnis zum sofortigen Erlass einer Pfändungsverfügung verringerte. Es gilt - vorbehaltlich des noch zu erörternden Verbots einer Pfändung ohne hinreichenden Anlass - auch bei, wie das FG meint, "vagen Ermittlungsgrundlagen" (d.h. der Möglichkeit, dass der Pfändungsschuldner gegen die vermeintlichen Drittschuldner keine Forderungen hat).

3. Schließlich trifft es auch nicht zu, dass das FA die schutzwürdigen Belange der Klägerin dadurch hätte schonen müssen, dass es gegenüber den als Drittschuldnern in Anspruch genommenen Pflegekassen und Sozialämtern nicht den vollen Betrag seiner Steuerforderungen benennt, sondern eine - der zu erwartenden Forderung gegen den Drittschuldner entsprechende - geringere Summe. Es fehlt bislang schon an nachvollziehbaren, den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG, welche dessen Schlussfolgerung tragen könnten, das FA habe bei den vorgenannten Drittschuldnern von vornherein nicht Befriedigung wegen annähernd der gesamten Steuerschulden der Klägerin erwarten können. Dass diese nur möglicherweise ausbleiben würde oder dafür sogar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gesprochen haben mag, musste das FA nicht davon abhalten, wegen seiner gesamten Forderung Pfandrechte zu begründen. Der Pfändungsgläubiger kann in der Regel nicht vorausberechnen, ob er durch eine bestimmte Pfändungsmaßnahme Befriedigung für seine Forderungen erlangen wird und in welchem Umfang einzelne Pfändungsversuche erfolgreich sein werden, so dass er auf die Verwertung anderer, möglicherweise gemessen an seiner gesamten Forderung unbedeutender Ansprüche des Vollstreckungsschuldners angewiesen ist. Er muss damit rechnen, dass er auf diese unter Umständen zur Deckung eines anderweit ausgefallenen Restes seiner Forderung zurückgreifen muss. Er ist deshalb im Allgemeinen berechtigt, auch bei Unsicherheit über das Bestehen und die Höhe der Drittschuld wegen seiner gesamten Forderung Pfändungsmaßnahmen zu ergreifen.

4. Das Urteil des FG beruht auf einer danach unzutreffenden Rechtsauslegung und ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Wie das FG bereits richtig erkannt hat, muss die Vollstreckungsbehörde bei Erlass von (grundsätzlich in ihr Ermessen gestellten) Vollstreckungsmaßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten (vgl. u.a. Entscheidungen des Senats vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Dieser Grundsatz verlangt von ihr insbesondere, keine von vornherein aussichtslosen, also ungeeigneten Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen; er verbietet ihr ferner, "ins Blaue hinein" Forderungen zu pfänden, ohne dass ein - gemessen an dem schutzbedürftigen Interesse des Vollstreckungsschuldners, dass anderen seine Steuerschulden nicht bekannt werden - hinreichender Anhalt dafür besteht, dass die Pfändung zu dem Erfolg der Befriedigung der Forderungen der Behörde führen kann.

Das FG hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht näher geprüft, ob das FA im Streitfall diesen Grundsatz ausreichend beachtet hat. Es ist insbesondere dem Vorbringen der Klägerin nicht nachgegangen, dem FA sei von ihrer Tochter keine Auskunft dahin erteilt worden, sie unterhalte Geschäftsbeziehungen zu der als Drittschuldnerin in Anspruch genommenen Bank, und dies sei auch nicht der Fall. Das FG hat ferner keine Tatsachen festgestellt, die es dem erkennenden Senat ermöglichen würden, selbst zu beurteilen, ob das FA davon hat ausgehen können, dass die Klägerin Forderungen gegen die übrigen als Drittschuldner in Anspruch Genommenen, die Pflegekassen und Kommunen, hat. Das FG muss deshalb Gelegenheit erhalten, diese tatsächliche und rechtliche Prüfung im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Hinsichtlich der dabei zu beachtenden Maßstäbe weist der Senat nach § 126 Abs. 5 FGO darauf hin, dass die Vollstreckungsbehörde bei rechtmäßiger Ermessensausübung im Allgemeinen eine Pfändungsverfügung nur erlassen darf, wenn sie aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze oder sogar aufgrund konkreter Anhaltspunkte, z.B. bei dem Vollstreckungsschuldner vorgefundener aussagekräftiger Dokumente oder dahin gehender Angaben Dritter (welche die Vollstreckungsbehörde sorgfältig aufnehmen und deren Missdeutung sie so weit wie möglich ausschließen muss), davon ausgehen kann, dass der Vollstreckungsschuldner möglicherweise Forderungen gegen den Drittschuldner hat. Je vager die Aussicht ist, bei den vermeintlichen Drittschuldnern Befriedigung zu erlangen, und je größer die Zahl der insofern ausgebrachten Pfändungsversuche ist, desto sorgfältiger muss die Vollstreckungsbehörde ihre eigenen Belange gegen die Datenschutzinteressen des Pfändungsschuldners abwägen. Jedenfalls wenn andere, die Belange des Vollstreckungsschuldners mehr schonende Vollstreckungsmöglichkeiten nicht gegeben oder von vornherein nicht erfolgversprechend sind, ist es hingegen nicht Voraussetzung für den Erlass einer Pfändungsverfügung, dass feststeht oder überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen den Drittschuldner eine Forderung besteht, oder dass die Vollstreckungsbehörde sogar deren Höhe im vorhinein abschätzen kann. Engere Grenzen der Befugnis, eine Forderungspfändung auszubringen und dabei Dritten Steuerdaten des Vollstreckungsschuldners zu offenbaren, können allerdings dann in Betracht kommen, wenn der Vollstreckungsschuldner nachprüfbar oder zumindest glaubhaft erschöpfende Auskunft über seine Bankverbindungen und seine sonstigen Schuldner gegeben hat.