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  BFH-Urteil vom 19.8.1999 (I R 77/96) BStBl. 2001 II S. 43

1. Das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren stellt grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar. Das gilt auch dann, wenn sich die - zueinander als fremde Dritte gegenüberstehenden - Anteilseigner einer GmbH auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende ("inkongruente") Gewinnausschüttung verständigen, um dadurch einem der Anteilseigner einen Verlustabzug zu ermöglichen, und wenn anschließend der hierdurch begünstigte Anteilseigner die an ihn ausgeschütteten Gewinne seinerseits wieder inkongruent in die GmbH einlegt.

2. Die inkongruente Wiedereinlage zuvor inkongruent ausgeschütteter Gewinne erfolgt regelmäßig im Eigeninteresse, auch wenn die Kapitalzuführung gleichzeitig eine Wertsteigerung der vom Mitgesellschafter gehaltenen Beteiligung mit sich bringt. Eine Zuwendung an den Mitgesellschafter mit anschließender Wiedereinlage durch diesen scheidet unter solchen Umständen aus (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307).

3. Gleichgelagerte Interessen der Gesellschafter bei der Beschlussfassung über die Ausschüttung der Gewinne der GmbH begründen kein "Nahestehen" der Gesellschafter.

4. Gemäß § 42 Satz 2 AO 1977 entsteht der Steueranspruch im Falle eines Missbrauchs so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Diese Rechtsfolge einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung kann nur bei demjenigen Steuerpflichtigen gezogen werden, der aus der Gestaltung einen steuerlichen Vorteil erzielt.

AO 1977 § 42; EStG § 10d, § 20 Abs. 2a; KStG § 8 Abs. 3 Satz 2; GmbHG § 29 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 291)

Sachverhalt

I.

Die 1982 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) fasst die wirtschaftlichen Aktivitäten des X zusammen. Eine vergleichbare Organisation besteht beim Y in Gestalt der A-AG. Die Klägerin und die A-AG waren - teilweise neben weiteren Mitgesellschaftern - an der B-GmbH beteiligt. Die jeweiligen Beteiligungen betrugen in den Streitjahren 1983 bis 1986 (in v.H.):

 

Klägerin

A-AG

andere

       
1982/1983

50

50

---

1984

49

49

2

1985-1987

48

48

4

Die Gewinne der B-GmbH wurden an die Anteilseigner wie folgt ausgeschüttet (in v.H.):

 

Klägerin

A-AG

andere

       
1982

50

50

---

1983

12,5

87,5

---

1984

3,2

96,8

---

1985

1,5

98,4

0,1

1986

23,5

73,8

2,7

1987

48

48

4

Die Beteiligungserträge beinhalteten Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben; die B-GmbH stellte den Anteilseignern Steuerbescheinigungen gemäß § 44 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 45a des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus.

Die nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden (sog. inkongruenten, disproportionalen, disquotalen oder gespaltenen) Gewinnausschüttungen gingen mit ebenfalls nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden Kapitalzuführungen der A-AG und der Klägerin an die B-GmbH einher. Die A-AG hatte sich gegenüber der Klägerin und der B-GmbH zu einer Kapitalzuführung in Höhe von 156,25 v.H. der über das anteilige Soll hinausgehenden Dividende verpflichtet. Die Kapitalzuführungen beruhten auf Gesellschafterbeschlüssen und erfolgten in Form von Einstellungen in die Reserven und in die offenen Rücklagen oder von unverzinslichen Darlehen. Soweit die Gesellschafter der B-GmbH unverzinsliche Darlehen gewährten, wurden diese zu einem späteren Zeitpunkt durch Einstellungen in offene Rücklagen in Eigenkapital umgewandelt, wobei die Gesellschafter Vereinbarungen zum Ausgleich der jeweiligen Nachteile trafen. Die zivilrechtliche Grundlage für Gewinnausschüttungen abweichend von den Beteiligungsverhältnissen war Mitte 1983 durch Ergänzung des Gesellschaftsvertrages der B-GmbH geschaffen worden. Zugleich wurden Beschlüsse über die Kapitalzuführungen gefasst und außerdem Vereinbarungen für den Fall der steuerlichen Nichtanerkennung der beschlossenen inkongruenten Gewinnausschüttungen getroffen.

Entsprechend den an sie geleisteten Gewinnausschüttungen und von ihr geleisteten Kapitalzuführungen erstellte die Klägerin in den Streitjahren ihre Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte diesen nach Durchführung einer Betriebsprüfung nicht. Er sah in den inkongruenten Gewinnausschüttungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Art der Rückführung von Kapital durch die A-AG unter Mitwirkung der Klägerin entspräche im Ergebnis der Bildung einer steuerfreien Rücklage. Die steuerliche Begünstigung eines nicht verteilten oder nicht entnommenen Gewinns sei vom Gesetzgeber weder gewollt noch beabsichtigt. Der Steueranspruch gegenüber der Klägerin entstehe in der Höhe, in der er bei Vornahme einer kongruenten Gewinnausschüttung entstanden wäre. Der Differenzbetrag einer kongruenten und der erfolgten inkongruenten Gewinnausschüttung sei in der Bilanz der Klägerin als Forderung zu aktivieren.

Ihrer hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 291 wiedergegebenen Gründen statt.

Seine hiergegen gerichtete Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die - zulässige (vgl. Zwischenurteil des Senats vom 13. August 1997 I R 77/96, BFH/NV 1998, 330) - Revision des FA ist unbegründet.

1. Die Vorinstanz hat bei ihrer Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten aufgegriffen und den streitgegenständlichen Sachverhalt - ausschließlich - unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmissbrauchs des Rechts (§ 42 AO 1977) geprüft. Es hat einen solchen Missbrauch verneint. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.

a) Nach § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 42 AO 1977 Rz. 10, jeweils m.w.N.).

Unangemessen ist danach im allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, m.w.N.). Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u. ä. (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1337). Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht (Senatsurteile vom 19. Mai 1993 I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl II 1993, 889; vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90; Schmieszek in Beermann, a.a.O., § 42 AO 1977 Rz. 15, jeweils m.w.N.).

b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung weder in ihren einzelnen Etappen noch in ihrer Gesamtheit als unangemessen beurteilt werden.

Allerdings zielte diese Gestaltung im Ergebnis erkennbar (nur) darauf ab, den an die A-AG inkongruent ausgeschütteten Mehrbetrag zzgl. die bei dieser aus der Inanspruchnahme des Verlustabzuges erzielte Steuerersparnis beiden Anteilseignern - der Klägerin ebenso wie der A-AG - zugute kommen zu lassen und auf diese Weise zugleich die wirtschaftlich gebotene Kapitalerhöhung bei der B-GmbH für alle Beteiligten in vorteilhafter Weise zu bewirken. Gleichwohl besteht, jedenfalls was die Person der Klägerin anbelangt, kein Grund, die Gestaltung als unangemessen und steuermissbräuchlich zu verwerfen.

aa) Dies gilt zunächst für den Vorgang der inkongruenten Gewinnausschüttung.

aaa) Gesellschaftsrechtlich sind derartige inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig; die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen (vgl. § 29 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -; Goerdeler/W. Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 29 Rz. 59; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 29 Rz. 52; Emmerich in Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 29 Rz. 135 ff.). Grundsätzlich und für sich genommen bestehen keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), stellt zugleich eine inkongruente dar (vgl. auch BFH-Urteile vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248, und vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, 600). Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln.

Der Umstand, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG regelmäßig der Anteilseigner als derjenige erzielt, dem die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. B 11 ff., m.w.N.; vgl. jetzt auch § 20 Abs. 2 a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland im Europäischen Binnenmarkt - Standortsicherungsgesetz - vom 13. September 1993, BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774), steht dem nicht entgegen. Hierdurch wird lediglich an die formale Position des Anteilseigners angeknüpft, der den Einkunftserzielungstatbestand bei Entstehen des Ausschüttungsanspruchs erfüllt. Darüber, dass dieser Anspruch beteiligungsidentisch sein müsste, ist damit nichts gesagt (gl. A. z.B. Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 20 EStG Anm. 178; Lenz, GmbH-Rundschau 1999, 701, 703; Gollers/Tomik, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1999, 1169, 1172 f.; vgl. auch BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 29/94, BFHE 184, 543, BStBl II 1998, 257).

bbb) Ebenso wenig ist es - bei isolierter Betrachtung - steuerrechtlich bedenklich, wenn durch eine derartige Ausschüttung erreicht werden soll (und im Ergebnis erreicht wird), das Verlustausgleichspotential eines Anteilseigners (hier der A-AG) möglichst umfassend auszunutzen. Das FG ist in zutreffender Weise davon ausgegangen, dass die Ausschöpfung von Verlusten dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit einem Verfassungsgebot entspricht (vgl. im einzelnen von Groll in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10d Rdnr. A 70, m.w.N.). Zwar lässt sich ein fortwährender Verlustausgleich wegen der Erfordernisse des Periodizitätsprinzips zum Zwecke einer geordneten staatlichen Haushaltsführung nicht durchführen (vgl. von Groll in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10d Rdnr. A 11 ff., m.w.N.). Dennoch entspricht es der steuergesetzlichen Konzeption in § 10d EStG und ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn durch Sachverhaltsgestaltung ein möglichst vollständiger Verlustausgleich im Rahmen der durch § 10d EStG bestimmten gesetzlichen Vorgaben erreicht wird. Soweit der Verlustausgleich eingeschränkt wird, ergeben sich diese Einschränkungen unmittelbar und abschließend aus den einschlägigen Steuergesetzen; andere Einschränkungen bestehen nicht. Eine derartige Gestaltung ist deshalb für sich genommen von vornherein ungeeignet, um die Anwendung von § 42 AO 1977 zu begründen. Da die Gestaltung mit den gesetzlichen Zielen letztlich übereinstimmt, bedarf es weiterer, insbesondere außersteuerlicher Motive hierfür grundsätzlich nicht.

bb) Es begegnet - ebenfalls für sich genommen - auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Anteilseigner sich verpflichtet haben, die ausgeschütteten Beträge anschließend - gleichermaßen inkongruent - wieder dem Kapital der B-GmbH zuzuführen. Letztlich entspricht dieses Verhalten dem sog.

Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren, das bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Körperschaftsteuergesetz 1977 angesprochen worden ist (vgl. Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BTDrucks 7/5310, S. 9), das deshalb auch von seiten der Finanzverwaltung als im allgemeinen anzuerkennendes steuerliches Gestaltungsinstrument angesehen wird (vgl. Abschn. 77 Abs. 7 Satz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1981 ff., jetzt Abschn. 77 Abs. 9 KStR 1995) und in der einschlägigen Literatur allgemeine Akzeptanz gefunden hat (vgl. z.B. - jew. m.w.N. - Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 17 V; Jünger in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 27 Anm. 187; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz. 224 ff., 231; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, vor § 27 Rz. 146; Freericks in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 27 KStG Rz. 148; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., ABC "Schütt-aus-Hol-zurück"-Verfahren Anm. 8 und 9; Schmieszek in Beermann, a.a.O., § 42 AO 1977 Rz. 62; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 42 AO Tz. 30; P. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 42 AO Rz. 234 ff.; vgl. ferner das von der Klägerin angeführte Urteil des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes vom 7. August 1992 89/14/0160, Finanzgerichtliche Erkenntnisse, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung, 1993, 88).

Auch der erkennende Senat sieht - insoweit wohl mit dem FA - im Streitfall keine Veranlassung, diese Praxis als solche in Frage zu stellen. Das besagte Vorgehen ermöglicht es zwar, den Gewinn des Unternehmens in diesem zu binden, ohne ihn mit dem Körperschaftsteuersatz für thesaurierte Gewinne zu belasten. Dieser Effekt folgt jedoch aus dem körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren und ist insoweit system- und gesetzesimmanent. Ausschlaggebend ist, dass es sich bei der Verwendung der ausgeschütteten Gewinne um eine Einkommensverwendung der Anteilseigner handelt, bei der zuvorigen Ausschüttung der Gewinne aber um die Einkommensverwendung der Kapitalgesellschaft. Beide Vorgänge sind deshalb steuerlich gesehen im Ergebnis losgelöst voneinander zu betrachten.

Ob gleichwohl in Einzelfällen eine missbräuchliche Gestaltung anzunehmen ist, wenn die Ausschüttungsmittel aus einer freien Rücklage herrühren, einem beherrschenden Gesellschafter zufließen und die Ausschüttung zeitlich mit der Wiedereinlegung in die freie Rücklage verbunden wird (so - noch zum alten Körperschaftsteuerrecht, vgl. § 19 KStG 1975 - Senatsurteil vom 11. Juli 1973 I R 144/71, BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806), kann für den Streitfall dahinstehen. Um die Beurteilung einer solchen Gestaltung geht es hier nicht. Sie ist schon infolge der inkongruenten, mit der Ausschüttung der Gewinne nicht parallel verlaufenden Wiedereinlage der Beträge nicht gegeben. Außerdem stammten die in Rede stehenden Beträge nicht aus einer freien Gewinnrücklage der B-GmbH, sondern aus deren laufend erwirtschaftetem Gewinn. Ebenso wenig haben die (inkongruent) wiedereingelegten Beträge im Betriebsvermögen der B-GmbH denselben rechtlichen Status wie vordem erlangt; die Kapitalzuführungen erfolgten vielmehr - in Einklang mit den handelsrechtlichen Möglichkeiten - in Form von Einstellungen in die Reserven und in die offenen Rücklagen sowie von unverzinslichen Darlehen. Überdies waren die an der Transaktion beteiligten Anteilseigner sämtlich nicht beherrschend. Und schließlich war die gewählte Gestaltung nach den den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG erforderlich, um die zur Erhaltung der Gemeinnützigkeit dringend gebotene und anderweitig nicht zu realisierende Kapitalzufuhr bei der B-GmbH zu bewerkstelligen.

c) Letzten Endes ist es deshalb auch nicht die Verlustverwertung durch die A-AG als solche, welche insoweit Bedenken der Finanzverwaltung aufwirft, auch nicht das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren. Es sind dies vielmehr beide Maßnahmen in ihrer Gesamtheit und das vom FA als "konzertierte Aktion" bezeichnete Zusammenwirken der Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Gesamtplans.

Es erscheint zweifelhaft, dass dem angesichts der steuerlichen Akzeptanz der einzelnen Gestaltungsschritte im Rahmen des sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahrens beigepflichtet werden könnte. Der Senat braucht dies aber nicht abschließend zu beantworten. Sollte die inkriminierte Gesamtgestaltung tatsächlich als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, so könnte sie allenfalls, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, bei der A-AG und/oder bei der B-GmbH rückgängig gemacht werden. Die Ausschüttung wäre insoweit als nicht erfolgt anzusehen, der Verlustausgleich zu versagen, die inkongruente Kapitalzuführung nicht anzuerkennen. Bei der Klägerin ergäben sich jedenfalls keine (unmittelbaren) steuerlichen Auswirkungen. Denn § 42 Satz 2 AO 1977 bestimmt, dass im Falle eines Missbrauchs der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Abzustellen ist immer nur auf den Steueranspruch aus dem konkreten Steuerschuldverhältnis des einzelnen Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 1994 V R 80/92, BFHE 173, 468, BStBl II 1994, 487; vom 23. September 1993 V R 3/93, BFH/NV 1994, 745). Es ist deshalb denkbar, dass ein und derselbe Vorgang in der Person eines beteiligten Steuerpflichtigen als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zu beurteilen ist, in der Person des anderen aber nicht (so BFH-Urteil vom 6. Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866, 868).

Daraus folgt, dass - lediglich - die Ausschüttung in jenem Umfang, in dem sie bei der A-AG steuerlich nicht akzeptiert werden könnte, einer wirtschaftlich angemessenen Gestaltung weichen muss (vgl. auch Senatsbeschluss vom 10. November 1993 I S 9/93, BFH/NV 1994, 684, 686). Die Wirkungen von § 42 Satz 1 AO 1977 werden indes überdehnt, wenn die fraglichen Beträge bei einem anderen Anteilseigner (hier der Klägerin) fiktiv als zugeflossen behandelt werden. Dies widerspräche auch den Absichten der beteiligten Gesellschaften, wie sie sich in den von diesen geschlossenen Vereinbarungen niederschlagen. Danach wären nämlich für den Fall des dort unterstellten steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs die Vor- und Nachteile der gewählten Gewinnverteilung untereinander auszugleichen, nicht jedoch statt dessen die Gewinne der B-GmbH nunmehr kongruent auszuschütten. Da dieses Vorgehen keinem Missbrauchsvorwurf ausgesetzt wäre, hat sich daran im Grundsatz auch die steuerliche Behandlung zu orientieren. § 42 Satz 2 AO 1977 lässt es zu, den missbräuchlichen Vorgang zu neutralisieren, nicht aber, Ersatzsachverhalte zu fingieren.

An dieser Einschätzung vermag im Streitfall der Umstand nichts zu ändern, dass der Klägerin das steuerlich bei der A-AG ausgeglichene Verlustpotential über die kongruente (Wieder-)Einlage der ausgeschütteten Beträge gleichermaßen zugute gekommen ist. Zum einen kann nicht verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger, der sich einen Steuervorteil zunutze macht, einen Dritten an diesem Vorteil oder dessen Wirkungen teilhaben lässt. Derartige Begünstigungen ziehen keinen Gestaltungsmissbrauch nach sich. Zum weiteren führt bei der im Streitfall in Rede stehenden Gestaltung eine etwaige Wertsteigerung der Anteile an der B-GmbH infolge der Wiedereinlage der ausgeschütteten Beträge nicht zu einem greifbaren Vermögensvorteil bei den Anteilseignern, also auch nicht bei der Klägerin. Solche Wertsteigerungen, so sie denn bestehen, wären lediglich Reflexwirkungen (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271; siehe auch BFH-Urteil vom 19. Juli 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616).

2. Der Senat hat unabhängig davon erwogen, ob der streitgegenständliche Sachverhalt Anhaltspunkte für schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der A-AG über die inkongruente Gewinnausschüttung und die anschließenden ihrerseits inkongruenten Kapitalzuführungen enthält. Es erschien ihm als denkbar, dass die Klägerin ihren zukünftigen Gewinnanspruch an die A-AG anteilig - im Umfang der disquotalen Ausschüttung - abgetreten (vgl. dazu Senatsurteile vom 21. Mai 1986 I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794; vom 17. Dezember 1997 I R 30/97, BFH/NV 1998, 1093, m.w.N.) und die A-AG sich im Gegenzug zu einer gleichermaßen disquotalen Wiedereinlage der ausgeschütteten Beträge verpflichtet hätte.

Solche Vereinbarungen lassen sich den vom FG verbindlich festgestellten Gegebenheiten indes - wie letztlich auch das FA einräumt - nicht entnehmen. Vielmehr ist die disquotale Gewinnausschüttung von den Beteiligten als solche gewollt, demnach beschlossen und auch durchgeführt worden. Gleichermaßen hat die Klägerin sich auch nicht vorab - entgeltlich - zu einem bestimmten (Verzichts-)Verhalten bei der Beschlussfassung über die disquotale Gewinnausschüttung verpflichtet. Zwar steht außer Frage, dass sowohl die Klägerin als auch die A-AG ihr Verhalten aufeinander abgestimmt haben. Insbesondere hat die A-AG sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen zur Wiedereinlage der an sie ausgeschütteten Beträge verpflichtet. Dem liegt jedoch keine synallagmatische schuldrechtliche Verknüpfung zugrunde. Letztlich zielte das aufeinander abgestimmte Verhalten der Beteiligten - nur - darauf ab, der B-GmbH das benötigte Kapital zuzuführen. Dies ist durch die A-AG im Wege der disquotalen Wiedereinlage bewirkt worden, und zwar im Eigeninteresse und mit der Folge entsprechender nachträglicher Anschaffungskosten auf ihre Beteiligung an der B-GmbH. Dass die Kapitalzuführung zugleich erfolgte, um der zuvor eingegangenen Verpflichtung Rechnung zu tragen, und dass sie überdies möglicherweise eine Wertsteigerung auch der von der Klägerin gehaltenen Beteiligung mit sich brachte, ändert daran nichts. Der Klägerin (als für die A-AG fremder Dritter) ist dadurch nichts - weder als Entgelt noch unentgeltlich - zugewendet worden, sie hat den fraglichen Betrag sonach auch nicht ihrerseits in die B-GmbH eingelegt (vgl. zur Abgrenzung auch BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, 312; Groh, DStR 1999, 1050, m.w.N.).

3. Schließlich hat das FA Überlegungen angestellt, wonach die in Rede stehende Gewinnausschüttung der B-GmbH in jenem Umfang, in dem sie inkongruent beschlossen worden ist, der Klägerin als eigener Gewinnanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Gewinnausschüttung an eine nahestehende Person zuzurechnen sei. Denn nach allgemeinen Grundsätzen sei der fragliche Ertrag nicht vom "Nahestehenden" zu versteuern, sondern vom Gesellschafter, hier also von der Klägerin. Das "Nahestehen" ergebe sich aus dem übereinstimmenden Interesse der Beteiligten, nämlich die maximale Eigenkapitalstärkung bei der B-GmbH herbeizuführen.

Auch aus diesen Überlegungen lässt sich für den Streitfall nichts herleiten. Es ist nicht erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage sich eine derartige "Spaltung" des einheitlichen Gewinnausschüttungsanspruchs stützen können sollte. Offen ausgeschüttete Gewinne werden stets - nur - bei demjenigen Anteilseigner der Besteuerung unterworfen, dem sie auch in dieser Eigenschaft als Anteilseigner zufließen. Unabhängig davon werden mehrere Anteilseigner dadurch, dass ihrem Ausschüttungsverhalten eine "gleichgelagerte" Motivation zugrunde liegt, nicht zu einander nahestehenden Personen.