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  BFH-Urteil vom 24.8.2000 (V R 9/00) BStBl. 2001 II S. 76

Der Eigenverbrauch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1991 wird nach den bei der Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten bemessen. Dafür sind nur die anteiligen, aus den Gesamtkosten abgeleiteten Kosten heranzuziehen, für die der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Der einzubeziehende Teil der Ausgaben muss zu den Gesamtausgaben im selben Verhältnis stehen wie die Dauer der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke zur Gesamtdauer seiner tatsächlichen Verwendung.

UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b; § 10 Abs. 4 Nr. 2; Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb für rund 315.000 DM (brutto) eine Segelyacht, für die er den Vorsteuerabzug begehrte und auch erhielt. Er vercharterte die Yacht im Streitjahr 1991 an vier Kunden im Umfang von insgesamt 49 Tagen. Privat nutzte er seine Yacht nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) mindestens an 7 Tagen zur Übernachtung (5. bis 12. Juni 1991) bei einer Segeltour.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) besteuerte die private Verwendung der Yacht 1991 als Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991. Als Bemessungsgrundlage setzte das FA von den gesamten vorsteuerbelasteten Kosten (51.572 DM) die anteiligen auf die private Verwendung entfallenden Kosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991) im Verhältnis der Gesamtnutzung von 56 Tagen zur Privatnutzung von 7 Tagen an. Dies ergab eine Umsatzsteuer von 902,44 DM (7/56 von 51. 572 DM = 6.446 DM, darauf 14 v.H. Umsatzsteuer).

Das nach erfolglosem Vorverfahren angerufene FG folgte dagegen der Auffassung des Klägers und berücksichtigte als Bemessungsgrundlage der privaten Verwendung der Yacht die darauf entfallenden anteiligen Kosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991) nach dem Verhältnis von 365 Tagen, an denen Kosten angefallen seien, zu 7 Tagen Privatnutzung. Dies ergab eine Umsatzsteuer von 138,47 DM (7/365 von 51.572 DM = 989,00 DM, darauf 14 v.H. Umsatzsteuer). Das FG setzte die für 1991 gegen den Kläger festgesetzte Umsatzsteuer entsprechend herab.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991. Es ist der Auffassung, dass in die Bemessungsgrundlage für die private Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Freizeitgegenstands die anteiligen darauf entfallenden Kosten einzubeziehen seien. Für den Anteil der zu berücksichtigenden Kosten seien nur die Zeiten, in denen der Gegenstand tatsächlich gegen Entgelt und für Zwecke außerhalb des Unternehmens genutzt werde, aber nicht die Zeiten der Nichtbenutzung einzubeziehen. Dies sei in dem angefochtenen Steuerbescheid geschehen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Unter Aufhebung der Vorentscheidung war die Klage abzuweisen. Die Steuerfestsetzung durch das FA ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das FG hat zwar nicht geprüft, ob der Kläger bei der Vermietung seiner Segelyacht ohne Gewinnabsicht tätig war und dadurch den sog. Repräsentationseigenverbrauchstatbestand (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1991 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) erfüllte oder ob er seine Segelyacht in Gewinnabsicht vermietete und durch die Benutzung für Zwecke außerhalb des Unternehmens den sog. Verwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1991 verwirklichte. Der Senat kann aber durcherkennen. Bei vorhandener Gewinnabsicht ist die Steuer in dem angefochtenen Steuerbescheid vom FA zutreffend festgesetzt worden. Die Festsetzung der darüber hinausgehenden Steuer bei Repräsentationseigenverbrauch (wegen fehlender Gewinnabsicht) ist im Gerichtsverfahren nicht zulässig.

1. Aufwendungen für eine Segelyacht, die der Erwerber nachhaltig und zur Erzielung von Einnahmen - aber ohne Gewinnabsicht - vermietet, unterliegen dem Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1991 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 EStG. Dieser Umsatz wird bemessen nach den Aufwendungen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG 1991), soweit sie den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt haben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. August 1998 V R 74/96, BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104).

Das FG hat diesen vorrangigen Eigenverbrauchstatbestand nicht geprüft. Dies benachteiligt den Kläger aber nicht. Die vorhandenen Feststellungen des FG ergeben, dass dem Kläger "vorsteuerbelastete Kosten von 51.572 DM" entstanden sind. Die Steuer für den Repräsentationseigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst c, § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG 1991) wäre mit 7.220 DM (14 v.H. auf 51.572 DM) höher als die Steuer, die das FA mit 902,44 DM für die private Verwendung der Segelyacht in dem angefochtenen Steuerbescheid berücksichtigt hat. Den FG ist eine Erhöhung der im angefochtenen Steuerbescheid festgesetzten Steuer versagt (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

2. Falls der Kläger seine Segelyacht mit Gewinnabsicht vermietet hat, kann Repräsentationseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1991 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht vorliegen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG). Durch die Benutzung der Segelyacht für unternehmensfremde Zwecke verwirklichte der Kläger unter diesen Umständen sog. Verwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1991. Er wird bemessen nach den bei der Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1991).

Aus den mit der Verwendung der Segelyacht zusammenhängenden Gesamtkosten sind somit nur die anteiligen bei der Verwendung des Unternehmensgegenstandes für nichtunternehmerische Zwecke entstandenen Kosten heranzuziehen, soweit der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt war.

a) Die letztgenannte Voraussetzung ist zwar dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991 nicht ausdrücklich zu entnehmen, ergibt sich aber bei richtlinienkonformer Auslegung unter Beachtung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a, Art 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).

Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG werden einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt: "die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen ..., wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat". Besteuerungsgrundlage ist bei den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Umsätzen gemäß Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung. In die Besteuerungsgrundlage wegen der privaten Nutzung eines solchen Gegenstands sind bei der gebotenen engen Auslegung nur die Ausgaben einzubeziehen, die die Verwendung des Gegenstands selbst betreffen und die den Steuerpflichtigen zum Abzug der Steuer berechtigt haben, mit der die Ausgaben für den Erwerb und den Betrieb belastet waren (vgl. EuGH-Urteile vom 25. Mai 1993 Rs. C 193/91, Mohsche, Slg. 1993, I-2615, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1993, 309, Rn. 13 bis 15; vom 27. Juni 1989 Rs. 50/88, Kühne, Slg. 1989, 1925, UR 1989, 373, Rn. 8).

Für die Auslegung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991 folgt daraus, dass in die Bemessungsgrundlage nur durch Vorsteuerabzug entlastete Kosten einzubeziehen sind, die - wie die Abschreibungen für Abnutzung - auf den Gegenstand entfallen oder die als Betriebskosten mit dem "Gegenstand selbst" verknüpft sind.

b) Da die private Verwendung eines Unternehmensgegenstands nur mit den "bei der Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten" (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1991) bzw. mit den "Ausgaben für die Erbringung dieser Dienstleistung" (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG) besteuert wird, sind diese anteilig aus den Gesamtkosten abzuleiten. Dazu ist von den Gesamtkosten der Teil der Ausgaben zu berücksichtigen, der zu den Gesamtausgaben in demselben Verhältnis steht, wie die Dauer der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke (im Streitfall mindestens 7 Tage) zur Gesamtdauer seiner tatsächlichen Verwendung (im Streitfall 56 Tage; vgl. dazu EuGH-Urteil vom 26. September 1996 Rs. C 230/94 Enkler, Slg. 1996, I-4517, UR 1996, 418, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 1996, 338, Rn. 35 und 37; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 15. Februar 1994, BStBl I 1994, 195 Abs. 1 zum Eigenverbrauch bei Freizeitgegenständen).

Das davon abweichende Urteil des BFH vom 25. Juni 1991 IX R 7/85 (BFHE 165, 67, BStBl II 1992, 24 zu 2.) zur Ermittlung des Nutzungswertes eines zeitweise selbstgenutzten und zeitweise an Feriengäste vermieteten Einfamilienhauses ist nicht einschlägig. Es ist zur Einkommensteuer ergangen und hat die von der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage verschiedenen ertragsteuerrechtlichen Grundsätze herangezogen.

c) Die Dauer bzw. der Zeitraum der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke wird dadurch gekennzeichnet, dass der Gegenstand dem Unternehmer tatsächlich jederzeit für diese Zwecke zur Verfügung steht (EuGH-Urteil in Slg. 1996, I-4517, Rn. 38). Das ist der Fall, wenn der Unternehmer über den Gegenstand - wie ein Endverbraucher - nach Belieben verfügen kann und ihn nicht (zugleich) für unternehmerische Zwecke bereithält oder bereithalten muss.

d) Diese Grundsätze hat das FA bei der Steuerfestsetzung beachtet.

Es hat nur mit der Yacht zusammenhängende Kosten, für die der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt war, herangezogen. Es hat diese bei der Ausführung des Eigenverbrauchs entstandenen Kosten dadurch ermittelt, dass es die Gesamtkosten nach dem Verhältnis der Gesamtdauer der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands (= 56 Tage für entgeltliche Vermietung und Privatverwendung) zur Dauer der tatsächlichen Privatverwendung (mindestens 7 Tage) aufgeteilt hat.

Zugunsten des Klägers hat es als Dauer der tatsächlichen Verwendung der Yacht für unternehmensfremde Zwecke nur 7 Tage angesetzt, in denen der Kläger mit seiner Familie auf der Yacht während der Ferien übernachtet hat.