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  BFH-Urteil vom 31.10.2000 (VIII R 85/94) BStBl. 2001 II S. 185

Die vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99 (BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632) für die phasengleiche Bilanzierung von Gewinnansprüchen bei mehrheitlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften entwickelten Rechtsgrundsätze gelten auch, wenn Gesellschafter der Kapitalgesellschaft bilanzierende Einzelunternehmer oder Personengesellschaften sind. Sie gelten auch für den Fall, dass sich die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft infolge einer Betriebsaufspaltung im Sonderbetriebsvermögen II des Gesellschafters einer Personengesellschaft befindet. Die Rechtsgrundsätze sind auch für Bilanzstichtage nach In-Kraft-Treten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes anzuwenden.

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 15.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1995, 109)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsnachfolger einer OHG. Diese hatte ihre Betriebsgrundstücke im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an eine GmbH verpachtet. Am Vermögen und am Gewinn der OHG waren W und der Kläger mit je 50 v.H., am Stammkapital der Betriebs-GmbH waren W mit 47,11 v.H. und der Kläger mit 52,89 v.H. beteiligt. Geschäftsführer der GmbH war der Kläger.

Die Bilanz der OHG zum 31. Dezember 1989 wurde am 3. Mai 1990 testiert. Die GmbH-Anteile sind in Sonderbilanzen für die Gesellschafter als notwendiges Sonderbetriebsvermögen ausgewiesen; die Gewinnansprüche gegenüber der GmbH für das Wirtschaftsjahr 1989 sind in diesen Bilanzen nicht aktiviert. In den jeweiligen Sondergewinn- und Verlustrechnungen sind die Gewinnausschüttungen der GmbH für 1988 in Höhe von 374.717 DM (für W) und 375.759 DM (für den Kläger) enthalten.

Im Bilanzbericht vom 4. Mai 1990 zum Jahresabschluss 1989 der GmbH ist u.a. ausgeführt, der Kläger werde der Gesellschafterversammlung vorschlagen, einen Gewinn in Höhe von brutto 937.500 DM auszuschütten. Die Bilanz der GmbH wurde am 7. Mai 1990 testiert. Die vorgeschlagene Gewinnausschüttung wurde am 11. Juni 1990 beschlossen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Ansicht, die im Jahr 1990 beschlossene Gewinnausschüttung müsse bereits in den Sonderbilanzen zum 31. Dezember 1989 erfasst werden. Den Gewinnfeststellungsbescheid 1988 änderte er nicht; der im Gewinnfeststellungsbescheid 1989 festgestellte Gewinn enthält deshalb neben dem Gewinnanspruch für das Wirtschaftsjahr 1989 auch die von der GmbH für 1988 beschlossene Gewinnausschüttung. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 109).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2, 15 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs - HGB -).

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die von der GmbH ausgeschütteten Gewinne sind jeweils in den Jahren als Sonderbetriebsertrag der Gesellschafter bei der OHG zu erfassen, in denen die Ausschüttung beschlossen wurde (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG).

1. Die OHG war als Besitzunternehmerin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätig. Die hierfür erforderlichen sachlichen und personellen Voraussetzungen liegen vor. Das ist unter den Beteiligten unstreitig.

Die Betriebsaufspaltung hat u.a. zur Folge, dass die GmbH-Anteile zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter der OHG gehörten (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296, und ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 15 Rz. 874). Damit gehören auch die auf diese Anteile entfallenden Ausschüttungen der GmbH zu den Sonderbetriebserträgen der Gesellschafter (vgl. u.a. BFH- Urteile vom 21. Mai 1974 VIII R 57/70, BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613; vom 26. November 1998 IV R 52/96, BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 2. f aa der Gründe).

2. Die OHG musste die 1990 von der GmbH beschlossene Gewinnausschüttung erst in den für ihre Gesellschafter zu erstellenden Sondergewinn- und Verlustrechnungen 1990 erfolgswirksam erfassen.

a) Ein Unternehmer hat für den Schluss eines Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung auszuweisen ist (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG). Das gilt auch für die Sonderbilanz eines Mitunternehmers (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C. III. 6. a bb der Gründe; BFH-Urteil vom 14. Juni 1994 VIII R 37/93, BFHE 176, 10, BStBl II 1995, 246, unter 3. a der Gründe; Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 475, m.w.N.). Dementsprechend müssen auch Gewinnausschüttungen einer GmbH an ihre Gesellschafter bei diesen nach den allgemeinen bilanzrechtlichen Grundsätzen als Sonderbetriebserträge erfasst werden, wenn zwischen der GmbH als Betriebsgesellschaft und der Personengesellschaft als Besitzgesellschaft eine Betriebsaufspaltung besteht und die Besitzgesellschaft - wie hier - Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse macht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).

b) Mit Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99 (BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft, die mehrheitlich an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, Dividendenansprüche aus einer zum Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Gesellschaft grundsätzlich nicht aktivieren kann. Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, dass am Bilanzstichtag der ausschüttungsfähige Gewinn den Gesellschaftern bekannt sei und für diesen Zeitpunkt anhand objektiver Umstände nachgewiesen sei, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen gewesen seien, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen. Diese Voraussetzungen seien - von äußerst seltenen Fällen abgesehen - regelmäßig nicht gegeben. Deshalb trage die objektive Beweislast für das Vorliegen solcher Ausnahmefälle derjenige, der sich zu seinen Gunsten auf die phasengleiche Aktivierung berufe.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Personenhandelsgesellschaft oder ein bilanzierender Einzelunternehmer ist.

c) Die vom Großen Senat entwickelten Rechtsgrundsätze gelten auch für den Fall, dass sich die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft infolge einer Betriebsaufspaltung im Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter einer Personengesellschaft befindet.

aa) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die vorstehend unter 2. b genannten Ausnahmefälle setzt voraus, dass ein Gesellschafter mehrheitlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Im Streitfall ist diese Voraussetzung nur bei einem Gesellschafter gegeben. Die Frage, ob auch der andere Gesellschafter diese Voraussetzung erfüllen muss oder ob er nach der in der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung vertretenen Personengruppentheorie als (mit-)beherrschend anzusehen wäre, kann im Streitfall jedoch offen bleiben. Die Gesellschafter haben weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit einen Sachverhalt verwirklicht, der eine phasengleiche Aktivierung zur Folge hat (siehe nachfolgend).

bb) Insbesondere kommt es nach dem Beschluss des Großen Senats (dort unter C. II. 6. a. E.) nicht mehr auf die im vorliegenden Fall streitige Frage an, ob der Jahresabschluss der Tochter(Betriebs-)Gesellschaft vor dem der Mutter(Besitz-)Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter oder umgekehrt aufgestellt oder festgestellt wird. Das Urteil des X. Senats des BFH vom 8. März 1989 X R 9/86 (BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714), das eine phasengleiche Aktivierung bejaht hat, wenn die Bilanz der ausschüttenden Kapitalgesellschaft vor der Bilanz des die Dividende erzielenden Unternehmens festgestellt wird, ist deshalb überholt (noch offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 2. e und f sowie 6. der Gründe). Das gilt auch für die im Beschluss des Großen Senats des BFH angesprochenen "äußerst seltenen Ausnahmefälle", in denen eine phasengleiche Bilanzierung geboten ist. Denn diese Fälle setzen voraus, dass am Bilanzstichtag entweder bereits eine Verpflichtung zu einer bestimmten Gewinnausschüttung besteht (z.B. infolge eines Ausschüttungsgebotes nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, eines Vorabausschüttungsbeschlusses, einer Ausschüttungsvereinbarung etc.) oder doch zumindest die Meinungsbildung der Gesellschafter über die Höhe der späteren Ausschüttung am Bilanzstichtag bereits endgültig abgeschlossen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

cc) Allein aus dem Umstand, dass zwischen der GmbH und der OHG eine Betriebsaufspaltung bestand, kann eine Verpflichtung zur phasengleichen Bilanzierung nicht abgeleitet werden. Darauf hat bereits der X. Senat in seinem Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714 hingewiesen. Der IV. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (im Urteil in BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 3. der Gründe). Ihr folgt auch der erkennende Senat.

d) Der Große Senat hat die ihm vorgelegte Rechtsfrage nur für den Bilanzstichtag 31. Dezember 1985 entschieden. Er geht jedoch davon aus, dass die von ihm in dieser Entscheidung entwickelten Rechtsgrundsätze auch für spätere Bilanzstichtage Anwendung finden (a.a.O., unter C. II. 12. der Gründe). Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Insbesondere hat sich die Rechtslage durch das In-Kraft-Treten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes nicht verändert, das erstmals auf Jahresabschlüsse für nach dem 31. Dezember 1986 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch).