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  BFH-Urteil vom 29.11.2000 (X R 5/99) BStBl. 2001 II S. 192

Miteigentumsanteile an einem während der ersten Ehe nach § 7b EStG erhöht abgeschriebenen und vor der Scheidung verkauften Einfamilienhaus gelten wieder als ein Objekt, wenn die geschiedenen Ehegatten später erneut die Ehe eingehen und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen.

EStG § 7b Abs. 6, § 10e Abs. 4 und 5, § 26 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute - sind in zweiter Ehe wieder miteinander verheiratet.

Während der ersten Ehe erwarben sie im Jahr 1978 je zur ideellen Hälfte ein Einfamilienhaus in O, das sie bis einschließlich 1984 gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhöht abschrieben. Nach der Trennung im April 1984 veräußerten sie im Oktober 1984 das Grundstück; im Jahr 1985 wurde die Ehe geschieden.

Im Jahr 1986 heiratete die Klägerin erneut. Zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, der noch keine zum Objektverbrauch führenden Vergünstigungen beansprucht hatte, erwarb sie je zur ideellen Hälfte ein Haus in B. Für die Jahre 1987 bis 1991 nahmen die Klägerin und ihr damaliger Ehemann die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG in Anspruch. Die Ehe wurde im Jahr 1991 ebenfalls geschieden. Im Scheidungsjahr, in dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG noch vorlagen, übertrug der Ehemann seinen Miteigentumsanteil auf die Klägerin.

Im Mai 1992 heiratete die Klägerin wieder ihren ersten Ehemann, den Kläger. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machte sie für das Haus in B die volle Grundförderung in Höhe von 15.000 DM und die Steuerermäßigung nach § 34f EStG für vier Kinder geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die beantragte Wohneigentumsförderung nicht, weil durch die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für das Haus in O bereits Objektverbrauch für beide Kläger eingetreten sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus: Die Kläger hätten in erster Ehe erhöhte Absetzungen für ihren jeweiligen Miteigentumsanteil an dem Haus in O in Anspruch genommen. Der hierdurch an sich für jeden von beiden eintretende Objektverbrauch sei während der Ehe suspendiert gewesen, nach der Scheidung jedoch wieder aufgelebt. Durch die erneute Eheschließung sei der Objektverbrauch aber wiederum suspendiert worden. Infolge der Wiederheirat seien die Kläger so zu behandeln, als ob ihre Ehe ununterbrochen bestanden hätte. Die Miteigentumsanteile an dem gemeinsamen Objekt in O seien daher als ein Objekt zu beurteilen, so dass die Kläger Anspruch auf Wohneigentumsförderung für ein weiteres Objekt hätten.

Mit der Revision trägt das FA vor: Der mit der Scheidung der ersten Ehe eingetretene Objektverbrauch für zwei Objekte werde durch die erneute Eheschließung nicht wieder suspendiert. Auch zivilrechtlich lebten die eherechtlichen Wirkungen der ersten Ehe bei erneuter Heirat der gleichen Ehepartner nicht wieder auf. Nach § 1564 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) werde die Ehe mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils aufgelöst. Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich würden durch die erneute Eheschließung nicht berührt. Die eherechtlichen Wirkungen träten vielmehr erst für die Zukunft ein. Eine erneute Suspendierung des Objektverbrauchs lasse sich auch nicht aus § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG herleiten. Für die steuerrechtlichen Folgen knüpfe das Gesetz an die konkret geschlossene Ehe an. Aufgrund der Scheidung der ersten Ehe habe wieder der Grundsatz des § 7b Abs. 6 Satz 1 EStG gegolten, nach dem der Anteil an einem Objekt einem Objekt gleichstehe und deshalb die Miteigentumsanteile den geschiedenen Ehegatten als einzelne Objekte zuzurechnen seien. Soweit Miteigentumsanteile auch dann als ein Objekt behandelt würden, wenn die Ehegatten vor Eintritt der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG die Vergünstigung in Anspruch genommen hätten und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erst im Laufe des Begünstigungszeitraums oder später eingetreten seien, bestünden erhebliche Unterschiede zum Streitfall. Zum einen handle es sich um ledige Steuerpflichtige, denen aufgrund ihrer späteren Heirat kein Nachteil gegenüber bereits verheirateten Paaren entstehen solle. Zum anderen würden auch bei Ledigen die vor Eintritt der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG gehaltenen Miteigentumsanteile nur dann als ein Objekt behandelt, wenn die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung noch Eigentümer des Gebäudes seien. Zum Zeitpunkt der erneuten Heirat seien die Kläger aber nicht mehr Eigentümer des Einfamilienhauses in O gewesen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG für das Haus in B den vollen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG berücksichtigt und die Steuer nach § 34f EStG ermäßigt. Entgegen der Auffassung des FA ist durch die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für die Miteigentumsanteile an dem Haus in O kein Objektverbrauch für zwei Objekte eingetreten.

1. Die Klägerin hat zusammen mit ihrem zweiten Ehemann für das ihnen gemeinsam gehörende Haus in B die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG in Anspruch genommen. Fallen - wie im Streitfall - während des Abzugszeitraums die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG weg und erwirbt der Ehegatte den Anteil des anderen Ehegatten an der Wohnung hinzu, kann er nach § 10e Abs. 5 Satz 3 EStG die auf diesen Anteil entfallenden Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 oder 2 EStG weiter in der bisherigen Höhe abziehen. Das bedeutet, der bisherige Miteigentumsanteil ist zusammen mit dem hinzuerworbenen Anteil als ein Objekt zu behandeln, für das dem erwerbenden Ehegatten die Grundförderung weiter in der bisherigen Höhe zusteht.

Das gilt jedoch nur, wenn bei ihm noch kein Objektverbrauch eingetreten ist (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461, zum Hinzuerwerb eines Miteigentumsanteils durch Todesfall; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 31. Dezember 1994 IV B 3 - S- 2225 a - 294/94, BStBl I 1994, 887 Rz. 30 Satz 4; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10e EStG Rz. 118; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 10e Rz. 67). Denn nach § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge des § 10e Abs. 1 und 2 EStG (Grundförderung) nur für eine Wohnung, einen Ausbau oder eine Erweiterung abziehen. Nur Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG für eine Ehegattenveranlagung vorliegen, erhalten die Grundförderung für insgesamt zwei Objekte (§ 10e Abs. 4 Satz 2 EStG). Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG aber durch die Scheidung der Ehegatten weggefallen. Die Grundförderung für das ehemals gemeinsame Objekt in B steht der Klägerin daher nur dann weiterhin zu, wenn weder sie noch ihr derzeitiger Ehemann - der Kläger - schon für ein anderes Objekt Grundförderung nach § 10e EStG, erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG oder § 15 Abs. 1 bis 4 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Anspruch genommen haben (§ 10e Abs. 4 Sätze 1, 3 EStG). § 10e Abs. 5 Satz 3 EStG geht von der Abzugsberechtigung des erwerbenden Ehegatten für seinen Miteigentumsanteil aus und stellt nur sicher, dass der Ehegatte, wenn er durch Erwerb des anderen Miteigentumsanteils Alleineigentümer des Objekts wird, die Förderung für das gesamte Objekt geltend machen kann.

2. Obgleich die Klägerin bereits erhöhte Absetzungen für das Haus in O beansprucht hat, kann sie die Grundförderung für das Haus in B weiterführen, weil die Kläger Anspruch auf die Förderung von zwei Objekten haben und die Miteigentumsanteile an dem erhöht abgeschriebenen Haus in O aufgrund der erneuten Eheschließung wieder als ein Objekt gelten, so dass die Kläger Anspruch auf die Förderung eines weiteren Objekts haben.

a) Miteigentumsanteile an einem nach § 7b EStG begünstigten Objekt sind grundsätzlich selbständige Objekte (§ 7b Abs. 6 Satz 1 EStG). Bei Ehegatten gelten die Miteigentumsanteile als ein Objekt, solange die Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG (unbeschränkte Steuerpflicht, kein dauerndes Getrenntleben) erfüllen (§ 7b Abs. 6 Satz 2 EStG). Entfallen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG z.B. durch dauernde Trennung oder Scheidung der Ehegatten, sind die Miteigentumsanteile gemäß der Grundregel des § 7b Abs. 6 Satz 1 EStG wieder als selbständige Objekte zu behandeln. Der vor der Trennung gemäß § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG suspendierte Objektverbrauch lebt wieder auf, so dass mit Wegfall der Zusammenveranlagungsvoraussetzungen bei jedem Ehegatten Objektverbrauch eintritt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 15. März 2000 X R 56/97, BFHE 191, 334, BStBl II 2000, 419, unter II. 2. b, m.w.N.). Die Miteigentumsanteile bleiben auch nach der erneuten Heirat mit einem anderen Partner selbständige Objekte (Senatsurteil vom 24. Juli 1996 X R 20/93, BFHE 181, 70, BStBl II 1996, 603).

b) Haben Ehegatten bereits vor der Eheschließung gemeinsam ein nach § 7b EStG begünstigtes Objekt zu Miteigentum erworben, werden durch die Eheschließung während des laufenden Begünstigungszeitraums die beiden Miteigentumsanteile der Ehegatten zu einem Objekt im Sinne der Objektbegrenzung des § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG; ein durch die ursprüngliche Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für die beiden Miteigentumsanteile vor der Ehe eingetretener Objektverbrauch wird insoweit durch die Eheschließung suspendiert (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1994 IX R 73/92, BFHE 176, 549, BStBl II 1995, 374; in BFHE 191, 334, BStBl II 2000, 419). Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird der Objektverbrauch auch dann suspendiert, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erst nach Ablauf des Begünstigungszeitraums eingetreten sind (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887 Rz. 29 Satz 3).

c) Im Streitfall haben die Kläger in erster Ehe ein gemeinsames Objekt erhöht abgeschrieben. Solange die Ehe bestand, waren die Miteigentumsanteile der Kläger als ein Objekt zu behandeln. Nach der Scheidung der Ehe galten die Miteigentumsanteile zunächst als selbständige Objekte. Aufgrund der erneuten Heirat der Kläger sind die Miteigentumsanteile wieder - wie vor Scheidung der ersten Ehe - als ein Objekt mit der Folge nur eines Objektverbrauchs zu beurteilen, solange die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen. Geschiedene Eheleute, die sich später wieder heiraten, sind insoweit Ehegatten vergleichbar, die vor der Eheschließung ein Objekt gemeinsam erworben und hierfür erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG oder Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG in Anspruch genommen haben.

d) Unerheblich ist nach Auffassung des Senats, dass im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung der Begünstigungszeitraum bereits abgelaufen und das Objekt veräußert war. Der Wortlaut des § 7b Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Formulierung in Satz 1 ("Ist ... mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen") bringt lediglich zum Ausdruck, dass ein Miteigentumsanteil einem begünstigten Objekt gleichsteht und deshalb die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für einen Miteigentumsanteil zum Objektverbrauch führt. Der Anteil bleibt selbständiges Objekt, auch wenn der Steuerpflichtige nach Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für den Anteil in einem späteren Jahr des Begünstigungszeitraums infolge Hinzuerwerbs eines weiteren Anteils Alleineigentümer wird (BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 IX R 74/91, BFHE 171, 562, BStBl II 1994, 921). Auch die Formulierung in § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG ("dem Steuerpflichtigen und seinem Ehegatten zuzurechnen ist ") besagt nur, dass Miteigentumsanteile von Ehegatten an einem gemeinsamen Objekt als ein Objekt im Sinne des Objektverbrauchs gelten, wenn bei den Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG (unbeschränkte Steuerpflicht, kein dauerndes Getrenntleben) vorliegen. Die Miteigentumsanteile bleiben ein Objekt im Sinne der Objektverbrauchsregelung, auch wenn die Ehegatten das begünstigte Objekt veräußert haben. Ob Miteigentumsanteile als ein Objekt gelten, hängt allein davon ab, ob die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG in dem zu beurteilenden Veranlagungszeitraum vorliegen. Die Regelung ist daher stets zu beachten, wenn die Eheleute in dem betreffenden Veranlagungszeitraum beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben (vgl. BFH in BFHE 176, 549, BStBl II 1995, 374, unter 1. a).

e) Diese Regelung soll die Inanspruchnahme der steuerlichen Vergünstigung für insgesamt zwei Objekte auch in den häufig vorkommenden Fällen ermöglichen, in denen die Ehegatten Objekte zu Miteigentum erwerben (BFH in BFHE 176, 549, BStBl II 1995, 374, unter 1. a). Die Zusammenfassung der Miteigentumsanteile zu einem Objekt bezweckt, Miteigentümer-Ehegatten nicht schlechter zu stellen, als wenn nur einer von ihnen das Objekt zu Alleineigentum erwirbt (BFH in BFHE 191, 334, BStBl II 2000, 419, unter 2. d). Hätte im Streitfall das Wohnhaus entweder der Klägerin oder dem Kläger allein gehört, wäre Objektverbrauch nur für ein Objekt eingetreten. Darauf, ob und ggf. wie zivilrechtlich die Rechtsfolgen einer Ehescheidung durch eine Wiederheirat beeinflusst werden, kommt es nicht an, weil es sich bei der Objektverbrauchsregelung um eine spezifisch steuerrechtliche Materie handelt, für die zivilrechtliche Aspekte unerheblich sind.