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  BFH-Urteil vom 20.12.2000 (XI R 32/00) BStBl. 2001 II S. 496

Das Honorar, das ein (leitender) Angestellter von seinem Arbeitgeber dafür erhält, dass er diesen bei Verhandlungen über den Verkauf des Betriebes beraten hat, gehört zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit.

EStG §§ 15, 19; GewStG § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1968 Direktor eines Hotels. Das Hotel wurde verkauft. Gegen eine Abfindung von ... DM wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem bisherigen Eigentümer beendet.

Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hotels hatte der Kläger seinen Arbeitgeber umfangreich beraten. Er erhielt für diese "Beratungstätigkeit" ein Honorar ..... (zuzüglich Mehrwertsteuer). Damit sollten die gegenseitigen Ansprüche des Klägers und seines bisherigen Arbeitgebers "aus allen privaten, geschäftlichen und halbgeschäftlichen Bereichen erledigt" sein.

Der Kläger erklärte diese Vergütung für das Streitjahr 1990 -nach Abzug von Rechtsanwaltskosten- als sonstige Einkünfte gemäß § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) hielt das Beratungshonorar für gewerbesteuerpflichtig und erließ für das Streitjahr 1990 einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid. Dabei ging er davon aus, dass der Kläger spätestens seit 1989 neben seiner nichtselbständigen Tätigkeit einen Gewerbebetrieb "Beratungs- und Vermittlungsleistungen" unterhalten habe.

Hierzu hat das Finanzgericht (FG) Folgendes festgestellt:

- Der Kläger war mit dem Inhaber eines anderen Hotels befreundet, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Zufällig erfuhr der Kläger von dem Interesse ausländischer Hotelgäste an geeigneten Investitionen. Um seinem Freund zu helfen, stellte er einen Kontakt zwischen diesem und den Gästen her, was schließlich zum Verkauf dieses Hotels führte. Obgleich keine Bezahlung vereinbart war und der Kläger auch keine Forderungen gestellt hatte, zahlte der Verkäufer dem Kläger im Jahr 1989 eine Provision.

- Zu den Stammgästen des Hotels des Klägers gehörte der Inhaber eines Handelsunternehmens. Bei einer allgemeinen Unterhaltung mit dem Stammgast erfuhr der Kläger von dessen Absichten, sein Unternehmen zu verkaufen. Kurz zuvor hatte er ebenfalls im Rahmen einer allgemeinen Unterhaltung im Hotel einen Geschäftsmakler kennengelernt. Auch hier stellte er einen Kontakt her, der letztlich zur Veräußerung des Handelsunternehmens führte. Er erhielt im Jahr 1989, wiederum ohne eine entsprechende Forderung gestellt zu haben, eine Provision.

- Diese Provisionen erklärte der Kläger als sonstige Einkünfte.

Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides 1990 begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, der Kläger betreibe spätestens aufgrund seiner Vermittlungstätigkeiten im Jahr 1989 einen Gewerbebetrieb. Diesem sei auch das von seinem früheren Arbeitgeber gezahlte Beratungshonorar zuzuordnen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 19 EStG, §§ 1, 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) und § 15 EStG, § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und beantragt, das Urteil des FG und den Gewerbesteuermessbescheid 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Seine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hotels, dessen Dirktor er gewesen sei, sei durch das Dienstverhältnis veranlasst gewesen, denn er habe insoweit stets unter der Leitung seines Arbeitgebers gestanden und habe dessen Weisungen folgen müssen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die streitige Beratungstätigkeit sei im Zusammenhang mit seinen Verkaufsvermittlungen in den Vorjahren wie auch im Folgejahr zu sehen. Kein Arbeitnehmer sei verpflichtet, seinen Arbeitgeber beim Verkauf des Unternehmens zu beraten und damit zum Verlust seiner Erwerbsgrundlage beizutragen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Das ihm von seinem (früheren) Arbeitgeber im Streitjahr 1990 gezahlte Beratungshonorar ist nicht gewerbesteuerpflichtig.

Ein Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG ist jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beratung des Arbeitgebers beim Verkauf des Hotels nicht. Die Tätigkeit steht im Zusammenhang mit der nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers.

1. Einnahmen, die einem Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis zufließen, sind, da es am Merkmal der Selbständigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG fehlt, Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG, § 2 Abs. 1 LStDV).

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge und Vorteile, die "für eine Beschäftigung" im privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 EStG). Bezüge und Vorteile werden "für eine Beschäftigung" gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Für die Einnahmen gilt -ebenso wie für die Werbungskosten- das Veranlassungsprinzip (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 6. März 1995 VI R 63/94, BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471, m.w.N., und vom 22. März 1985 VI R 26/82, BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 19 Rdnr. 25, m.w.N.). Einnahmen werden dementsprechend durch eine nichtselbständige Tätigkeit erzielt, wenn ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zum Beschäftigungsverhältnis und nicht zu einer anderen Einkunftsart besteht (vgl. z.B. hierzu auch BFH-Urteil vom 27. Mai 1998 X R 94/96, BFHE 186, 259, BStBl II 1998,619).

b) Übt ein Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber entlohnte Nebentätigkeit aus, so sind die Einnahmen aus der Nebentätigkeit durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, wenn Haupt- und Nebentätigkeit gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit oder wenn der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis faktisch oder rechtlich obliegende Nebenpflichten erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1996 VI R 59/96, BFHE 181, 488, BStBl II 1997, 254, m.w.N.). Gleichartige oder ähnliche organisatorische Bedingungen liegen vor, wenn der Arbeitnehmer bei Ausübung der Nebentätigkeit in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV). Demgegenüber ist ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Nebentätigkeit selbständig tätig, wenn er eigene Unternehmerinitiative entfaltet und eigenes Unternehmerrisiko trägt (vgl. hierzu auch BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 24. Juli 1992 VI R 126/88, BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155).

c) Nach diesen Rechtsgrundsätzen steht das dem Kläger vom (früheren) Arbeitgeber gezahlte Beratungshonorar in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit. Die Frage, ob der Arbeitgeber einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Beratung aufgrund des Dienstverhältnisses hatte, kann der Senat letztlich offen lassen.

aa) Stellt ein Arbeitnehmer seine im Rahmen des Dienstverhältnisses erworbenen Erfahrungen seinem Arbeitgeber -aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Nebenverpflichtung oder freiwillig- im Rahmen von Verhandlungen zum Verkauf des Unternehmens zur Verfügung und/oder führt er auf Weisung seines Arbeitgebers die Verkaufsverhandlungen, so steht die hierfür vom Arbeitgeber gezahlte Sondervergütung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit. Dieser Zusammenhang ergibt sich insbesondere für den Fall eines leitenden Angestellten aus der Tatsache, dass dieser aufgrund seines Dienstverhältnisses einen besonderen Einblick in die wirtschaftliche und finanzielle Situation und damit auch Erkenntnisse zur künftigen Entwicklung des Unternehmens gewonnen hat, ohne die keine sachgerechten Verkaufsverhandlungen zu führen sind. Auch kann der (leitende) Angestellte sein Wissen um innerbetriebliche, den Kaufpreis beeinflussende Fakten nur seinem Arbeitgeber und nicht einem Dritten zur Verfügung stellen.

Das Beratungshonorar ist danach den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit zuzuordnen:

Der Kläger war seit ca. 20 Jahren für seinen -nach Angaben des FA im Ausland lebenden- Arbeitgeber als Hoteldirektor tätig. Als leitender Angestellter hatte er damit maßgeblichen Einfluss auf die organisatorische, wirtschaftliche und kaufmännische Führung des Hotels. Wie kein anderer Arbeitnehmer hatte er im Rahmen seines Dienstverhältnisses ein den Betrieb betreffendes und für Verkaufsverhandlungen wesentliches Know-how erworben, das er seinem Arbeitgeber zur Verfügung stellen konnte.

bb) Der gegenteiligen Auffassung des FG kann nicht gefolgt werden.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehört nicht nur das Entgelt, das ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für die Erfüllung seiner Hauptpflicht (hier: Führung des Hotels) bezieht, sondern auch das Entgelt, das er in Erfüllung einer rechtlichen oder faktischen Nebenverpflichtung erhält (vgl. z.B. BFH in BFHE 181, 488, BStBl II 1997, 254, m.w.N.). Eine vertragliche Nebenverpflichtung muss sich auch nicht -wie das FG meint- aus einer zusätzlichen Vereinbarung ergeben. Der Umfang der Leistungsverpflichtungen aufgrund eines bereits bestehenden Vertrages bestimmt sich letztlich gemäß § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. z.B. Schaub, Arbeitsrechthandbuch, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 46). Bei leitenden Angestellten wird zudem die Treuepflicht bei einer Kollision zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Angestellten (hier: möglicher Verlust des Arbeitsplatzes) -entgegen der Auffassung des FA- erheblich zugunsten des Arbeitgebers erweitert (vgl. Schaub, a.a.O., § 14 Rdnr. 34).

Auch die Zahlung einer Abfindung schließt nicht aus, dass dem Arbeitnehmer noch Zahlungen für die Erfüllung von dienstvertraglichen Nebenpflichten zufließen. Die Abfindung ist eine Entschädigung, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses gewährt wurde (vgl. § 3 Nr. 9, § 24 EStG; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 XI R 33/91, BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447). Sie steht in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung zusätzlich vom Arbeitnehmer übernommener Pflichten.

Auch die Tatsache, dass das Beratungshonorar erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Höhe nach festgelegt und gezahlt wurde, kann den zum Arbeitsverhältnis bestehenden Zusammenhang nicht lösen. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit gehören der Einkunftsart an, zu der die aufgegebene Tätigkeit gehörte (vgl. § 24 Nr. 2 EStG; Schmidt/Seeger, a.a.O., § 24 Rdnr. 73). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich der Kläger zur Durchsetzung seines Anspruchs anwaltschaftlicher Hilfe bedienen musste.

Dagegen, das Beratungshonorar den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zuzuordnen, spricht allenfalls der Ausweis der Umsatzsteuer. Dieser Umstand allein ist jedoch nicht geeignet, den wirtschaftlichen Zusammenhang des Beratungshonorars zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu lösen. Die Abgrenzung zwischen den Einkunftsarten folgt in erster Linie dem objektiven Veranlassungszusammenhang und allenfalls sekundär den Vorstellungen der Vertragsparteien (vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rdnr. 25). Schließlich kann der Ausweis der Umsatzsteuer auch auf einem Rechtsirrtum der Vertragsparteien beruhen.

2. Da der Kläger die Beratung somit nicht als selbständig Tätiger erbrachte, kann der Senat offen lassen, ob die Vermittlungstätigkeit des Klägers, der das FG die Beratungstätigkeit zugeordnet hat, nachhaltig i.S. des § 15 Abs. 2 EStG war oder ob insoweit nur gelegentliche Vermittlungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG vorlagen.