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  BFH-Urteil vom 28.6.2002 (IX R 37/01) BStBl. 2003 II S. 119

Der Anspruch auf Eigenheimzulage für eine in räumlichem Zusammenhang zur selbstbewohnten Wohnung liegende, unentgeltlich an Angehörige überlassene Wohnung ist nicht durch die für Eheleute geltende Objektbeschränkung in § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG ausgeschlossen.

EigZulG § 6 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 21. März 2001 3 K 1018/00 (EFG 2001, 1482)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahr 1997 ein Grundstück, das sie im Folgejahr mit einem Wohnhaus bebauten. Das Haus verfügt über zwei abgeschlossene Wohnungen. Eine Wohnung bewohnen die Kläger selbst; die andere Wohnung haben sie der Mutter des Klägers unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen.

Die Kläger beantragten für beide Wohnungen eine Eigenheimzulage einschließlich der Kinderzulage für ein Kind. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte hiervon abweichend lediglich für die von den Klägern selbst genutzte Wohnung den Fördergrundbetrag sowie die Kinderzulage für ein Kind. Für die der Mutter des Klägers überlassene Wohnung lehnte das FA den Antrag der Kläger mit der Begründung ab, für das im räumlichen Zusammenhang belegene zweite Objekt könne eine Eigenheimzulage nicht gleichzeitig gewährt werden. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kläger blieb erfolglos.

Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 1482).

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Ziel der Objektbeschränkung in § 6 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) sei es, einer Übersubventionierung im Bereich der Wohnungsbauförderung entgegenzuwirken. Daher spiele es keine Rolle, ob die im räumlichen Zusammenhang stehende zweite Wohnung von den Ehegatten tatsächlich selbst bewohnt oder ob diese Wohnung kostenlos einem nahen Angehörigen zur Verfügung gestellt werde. Schon die objektive Nutzungsmöglichkeit schließe eine Förderung der zweiten Wohnung aus.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern auch für die unentgeltlich an die Mutter des Klägers überlassene Wohnung, welche in räumlichem Zusammenhang zu der selbst genutzten Wohnung der Kläger steht, Eigenheimzulage zu gewähren ist.

1. Das Eigenheimzulagengesetz begünstigt nach § 2 Abs. 1 EigZulG u.a. die Herstellung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus. Der Anspruch auf Eigenheimzulage besteht für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG); eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. von § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) zu Wohnzwecken überlassen wird (§ 4 Satz 2 EigZulG).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EigZulG kann der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage nur für ein "Objekt" in Anspruch nehmen. "Objekte" i.S. dieser Vorschrift sind Wohnungen sowie Ausbauten und Erweiterungen an einer Wohnung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 EigZulG).

Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegen, können die Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte beanspruchen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz EigZulG); dies gilt jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Fertigstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz EigZulG; sog. Objektbeschränkung).

2. Im Streitfall hat das FA für die von den Klägern selbst genutzte Wohnung zutreffend entsprechend dem Antrag der Kläger eine Eigenheimzulage gewährt. Eine gleichzeitige Förderung der unentgeltlich an die Mutter des Klägers zu Wohnzwecken überlassenen Wohnung ist indes - entgegen der Ansicht des FA - nicht mit Rücksicht auf die Objektbeschränkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG ausgeschlossen.

a) Zwar könnte der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG zunächst darauf hindeuten, dass eine räumlich mit einer geförderten Wohnung zusammenhängende (zweite) Wohnung auch dann nicht gefördert werden kann, wenn diese nicht selbst von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern unentgeltlich an einen Angehörigen zu Wohnzwecken überlassen wird; denn sowohl die eigengenutzte als auch die unentgeltlich überlassene Wohnung sind begünstigte "Objekte".

b) Sowohl nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung als auch unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Gesetzesbegründung ist die Objektbeschränkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG indes auf die Fälle der unentgeltlichen Überlassung einer in räumlichem Zusammenhang belegenen Wohnung an Angehörige nicht anwendbar.

Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG ist der Vorgängerregelung in § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG nachgebildet. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten Ehegatten aufgrund der Neuregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG die Förderung wie bisher für zwei Objekte in Anspruch nehmen können (vgl. die Gesetzesbegründung in BRDrucks 498/95, S. 34). Hieraus hat das FG zu Recht gefolgert, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigte, den Regelungsgehalt der Objektbeschränkung für Eheleute, wie er § 10e EStG zu entnehmen war, in einer für den Steuerpflichtigen nachteiligen Weise auszudehnen.

Entsprechend der Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung in § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG (BTDrucks 10/3633, S. 16) soll § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG vermeiden, dass Ehegatten, bei denen im Abzugszeitraum die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer vorliegen und die zwei Wohnungen in einem Zwei- oder Mehrfamilienhaus als Familienwohnung nutzen, die Förderung gleichzeitig für beide Wohnungen in Anspruch nehmen können. Eine durch § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG zu verhindernde missbräuchliche Gestaltung hat der Gesetzgeber somit nur dann gesehen, wenn die künstliche Aufspaltung der ehelichen Wohnung in zwei sich in räumlichem Zusammenhang befindliche Wohnungen eine nicht gerechtfertigte Übersubventionierung bewirkt. Decken beispielsweise Eheleute ihr Wohnbedürfnis statt mit einer großen Wohnung durch zwei kleinere, in räumlichem Zusammenhang befindliche Wohnungen, soll § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG eine Doppelförderung verhindern. Entsprechend diesem Normzweck ist die Überlassung einer in räumlichem Zusammenhang mit der Ehewohnung stehenden weiteren Wohnung an Angehörige nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen. Es genügt insoweit auch nicht, dass die zweite Wohnung objektiv geeignet wäre, ein zusätzliches Wohnbedürfnis der Eheleute zu decken, wenn, wie im Streitfall, die Wohnung nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG von den Eheleuten tatsächlich nicht genutzt wurde.

c) Dieses aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesetzeszweck abgeleitete Auslegungsergebnis wird zusätzlich dadurch gestützt, dass die Objektbeschränkung nach dem Wortlaut des 2. Halbsatzes des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG nur gilt, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung gegeben sind. Führen Eheleute hingegen in zwei sich in räumlichem Zusammenhang befindlichen Wohnungen keine eheliche Lebensgemeinschaft (und liegen daher die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG nicht vor), findet die Objektbeschränkung keine Anwendung. Nichts anderes kann aber gelten, wenn in dem anderen Objekt nicht der getrennt lebende Ehepartner, sondern ein Angehöriger unentgeltlich wohnt.