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  BFH-Urteil vom 5.2.2002 (VIII R 53/99) BStBl. 2003 II S. 237

Das in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 für Entnahmen gewährte Wahlrecht zur Buchwertfortführung (sog. Buchwertprivileg) kann auch in Anspruch genommen werden, wenn Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens beim Tod eines Gesellschafters der Personengesellschaft auf den Erben übergehen, die Gesellschaft aber aufgrund einer Fortsetzungsklausel mit den bisherigen Gesellschaftern fortgeführt wird.

EStG 1990 § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 16 Abs. 3, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 2000, 480)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin zu 2 und Beteiligte im Revisionsverfahren (Klägerin zu 2) ist im Wege der Umwandlung Rechtsnachfolgerin einer KG geworden. Kommanditisten der KG waren X und die Z-GmbH. Die Klägerin zu 1 und Revisionsklägerin (Klägerin zu 1) - eine gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreite Stiftung, die den in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 genannten Zwecken diente - ist Erbin nach der 1993 verstorbenen X.

Die KG wurde entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelung mit den bisherigen Gesellschaftern fortgesetzt; der Abfindungsanspruch und das Sonderbetriebsvermögen von X gingen auf die Klägerin zu 1 über.

Streitig ist, ob hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens ein Veräußerungsgewinn angefallen ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat in dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid für 1993 die Ansicht, die stillen Reserven seien anlässlich des Erbfalls aufzudecken und ein Aufgabegewinn zu versteuern. Die Klägerinnen waren demgegenüber der Meinung, dass das Sonderbetriebsvermögen gewinnneutral auf die Klägerin zu 1 übergegangen sei, weil sie eine durch das Buchwertprivileg des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 begünstigte Körperschaft sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) lehnte eine unmittelbare oder analoge Anwendung des Buchwertprivilegs mit dem Hinweis darauf ab, dass keine Entnahme, sondern ein betriebsaufgabeähnlicher Vorgang vorliege und § 16 Abs. 3 EStG zwingend den Ansatz mit dem gemeinen Wert fordere. Außerdem habe die Erblasserin mit ihrer letztwilligen Zuwendung dokumentiert, dass bei ihr zu Lebzeiten keine Bereitschaft zu einer Sachspende bestanden habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin zu 1 die Verletzung materiellen Rechts (§§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1990).

Sie beantragt sinngemäß, den geänderten Feststellungsbescheid 1993 vom 13. Oktober 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 9. April 1997 und vom 14. Mai 1997 mit der Maßgabe abzuändern, dass der tarifbegünstigte Veräußerungsgewinn um ... DM auf ... DM herabgesetzt wird, und festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen sei.

Die Klägerin zu 2 schließt sich diesem Antrag in vollem Umfang an.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das anlässlich des Todes der Erblasserin aus ihrem Mitunternehmeranteil ausgeschiedene Sonderbetriebsvermögen konnte zum Buchwert in ihr Privatvermögen überführt werden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a EStG 1990.

a) Ist - wie im Streitfall - im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft vereinbart, dass beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird (Fortsetzungsklausel), so wächst der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern an (§ 738 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Hat der verstorbene Gesellschafter Anspruch auf eine Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen, handelt es sich steuerrechtlich um eine entgeltliche Veräußerung des Mitunternehmeranteils i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG; ein dadurch entstehender Veräußerungsgewinn ist dem verstorbenen Gesellschafter zuzurechnen (vgl. - für Fortsetzungsklausel - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. April 1975 IV R 115/73, BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580, und - allgemein zum Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod - BFH-Urteile vom 15. April 1993 IV R 66/92, BFHE 171, 440, BStBl II 1994, 227, und vom 13. November 1997 IV R 18/97, BFHE 184, 518, BStBl II 1998, 290).

Gehörte zu dem veräußerten Mitunternehmeranteil Sonderbetriebsvermögen, so wird dieses mit dem Tod zwangsweise in das Privatvermögen des verstorbenen Gesellschafters überführt, soweit die Erben nicht zugleich Gesellschafter der fortgeführten Gesellschaft sind (BFH-Urteile in BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580, und vom 5. Mai 1983 IV R 181/80, nicht veröffentlicht - NV -). Insoweit gilt nichts anderes als im Falle einer qualifizierten Nachfolgeklausel, bei der ebenfalls der Mitunternehmeranteil auf einen anderen Rechtsnachfolger übergeht als das Sonderbetriebsvermögen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, unter II. 2. b der Gründe, und Beschluss vom 28. Januar 1998 VIII B 9/97, BFH/NV 1998, 959, m.w.N.). In beiden Fällen hat der BFH angenommen, dass sich der Übergang des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen als Gewinn realisierende Entnahme darstelle, die mit dem Teilwert zu bewerten sei. Während sich dieses Ergebnis aber bei der qualifizierten Nachfolgeklausel daraus ergibt, dass die Entnahme nur zu einer Teilaufdeckung der stillen Reserven führt, lässt sich die Bewertung der Entnahme des Sonderbetriebsvermögens mit dem Teilwert im Zusammenhang mit einer Fortsetzungsklausel nicht mit dieser Begründung rechtfertigen; denn die Entnahme hat hier die vollständige Realisierung der stillen Reserven des Mitunternehmeranteils zur Folge, wenn der verstorbene Gesellschafter aus der Gesellschaft gegen eine Abfindung ausscheidet. Der BFH hat deshalb für den vergleichbaren Fall der entgeltlichen Veräußerung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Zurückbehaltung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens, die zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der Gesellschaft gehörten, entschieden, dass dieser Vorgang nicht als tarifbegünstigte Veräußerung des Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Gewinn realisierender Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu beurteilen, sondern als Aufgabe des Mitunternehmeranteils bzw. als betriebsaufgabeähnlicher Vorgang anzusehen sei; der gesamte Vorgang unterliege deshalb der Besteuerung nach §§ 16, 34 EStG (BFH-Urteile vom 18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771, und vom 10. März 1998 VIII R 76/96, BFHE 186, 50, BStBl II 1999, 269, unter II. 2. b aa der Gründe, sowie Beschluss vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, unter II. 2. der Gründe, m.w.N.). Für den zwangsweisen Übergang von Sonderbetriebsvermögen in das Privatvermögen eines Gesellschafters anlässlich seines Todes bei vereinbarter Fortsetzungsklausel kann nichts anderes gelten (ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. u.a. Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 16 EStG Rz. 62; Hörger in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 16 EStG Rz. 1022, m.w.N.; Märkle, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1993, 1616; Schmidt/ Wacker, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 16 Rz. 662).

b) Auch bei einer Anpassung der bisherigen Rechtsprechung zur Entnahme von Sonderbetriebsvermögen bei vereinbarter Fortsetzungsklausel an die Rechtsprechung zur Veräußerung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Übernahme des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen kann der Übergang des Sonderbetriebsvermögens unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 gewinnneutral gestaltet werden. Er ist dann zwar Teil eines betriebsaufgabeähnlichen Vorgangs; er bleibt seinem steuerrechtlichen Charakter nach aber eine (Zwangs-)Entnahme durch Rechtsakt; denn der gesamte Vorgang stellt sich dann, wie jede Betriebsaufgabe, als Gesamtentnahme des Betriebsvermögens durch den Gesellschafter dar (so bereits BFH-Urteil in BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771, unter I. 2. c der Gründe). Damit erfüllt auch dieser Entnahmeakt bei der gebotenen systematischen Auslegung den Tatbestand des Buchwertprivilegs des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a EStG 1990.

Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Vorschrift. Mit ihr soll die Spendenbereitschaft gefördert und damit die wirtschaftliche Grundlage der gemeinnützigen Institutionen erweitert werden (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes 1968, BTDrucks V/3890, S. 20). Von dieser Zielsetzung werden auch Spenden durch letztwillige Zuwendungen im Rahmen eines betriebsaufgabeähnlichen Vorgangs erfasst. Es gilt insoweit nichts anderes als für eine Entnahme im Rahmen einer Betriebsaufgabe, bei der sowohl die Finanzverwaltung (R 139 Abs. 2 Satz 7 der Einkommensteuer-Richtlinien ab 1998) als auch das Schrifttum (Blümich/Ehmcke, a.a.O., § 6 EStG Rz. 1016; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz. 427) davon ausgehen, dass das Buchwertprivileg zu gewähren ist.

2. Die Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen zum Buchwert steht der Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG für den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben nicht entgegen. Zwar wurden infolge dieser Überführung anlässlich des Erbfalls nicht alle stillen Reserven des Mitunternehmeranteils aufgedeckt; die Erblasserin hat sich ihrer aber uno actu zusammen mit dem Gesellschaftsanteil entäußert. Dieser Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen als die teilentgeltliche Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (zu dieser vgl. u.a. BFH-Urteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811, und inzwischen ständige Rechtsprechung).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Antrag der Klägerin zu 1, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, kann nur beim FG gestellt werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259, unter II. 4. der Gründe; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 139 Rz. 32, m.w.N.).