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  BFH-Urteil vom 28.11.2002 (V R 18/01) BStBl. 2003 II S. 443

1. Eine Personenvereinigung kann auch dann steuerbare Leistungen ausführen, wenn sie nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

2. Für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges i.S. eines Austausches von Leistung und Gegenleistung genügt es nicht schon, dass die Mitglieder der Personenvereinigung lediglich gemeinschaftlich die Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung eines Wirtschaftsgutes tragen, das sie gemeinsam nutzen wollen oder nutzen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft liegt insoweit nur vor, wenn die Nutzungsüberlassung selbst gegen Entgelt erfolgt.

3. Ist mangels entgeltlicher Leistungen die Personenvereinigung nicht Unternehmerin, kommt u.U. ein anteiliger Vorsteuerabzug der Gesellschafter in Betracht.

UStG 1991/1993 § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster vom 3. Mai 2000 5 K 44/98 U (EFG 2001, 602)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, wurde durch Vertrag vom 10. Dezember 1991 mit dem Zweck gegründet, auf dem ihr von einem der Gesellschafter unentgeltlich zur Verfügung gestellten Grundstück eine Lagerhalle für die in den landwirtschaftlichen Betrieben der Gesellschafter erzeugten Kartoffeln zu errichten. Gesellschafter sind eine andere GbR, die einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, und ein Landwirt.

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollten die Gesellschafter alle mit der Planung und der Errichtung der Kartoffellagerhalle sowie der Anschaffung von Maschinen verbundenen Kosten zu gleichen Teilen tragen (§ 4). Gleiches galt für die Deckung der laufenden Kosten. Nach § 8 sollte der "Gewinn bzw. Verlust" zu gleichen Anteilen auf die Gesellschafter aufgeteilt werden.

Die Klägerin richtete ein Konto ein, auf das die Gesellschafter die für den Bau erforderlichen Beträge zu gleichen Teilen einbezahlten. Die Lagerhalle wurde am 31. Dezember 1992 fertig gestellt. Ab Juni 1993 eröffnete die Klägerin für die laufenden Kosten ein weiteres Konto. "Bedient" wurde das Konto von beiden Gesellschaftern mit Einlagen zu gleichen Teilen. Die Klägerin erteilte am 29. Juni 1994 jedem Gesellschafter für 1993 eine Rechnung über jeweils 21.750 DM zuzüglich 3.262 DM Umsatzsteuer. Zahlungen darauf erfolgten nicht.

Für die Benutzung der Halle sowie der von der Klägerin angeschafften Maschinen war kein Entgelt vereinbart.

In der Umsatzsteuer-Erklärung für 1992 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge in Höhe von 86.508,43 DM und in der für 1993 Vorsteuerbeträge in Höhe von 12.020 DM geltend. Als Ausgangsumsätze 1993 erklärte sie 43.500 DM als Mindestbemessungsgrundlage.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stimmte den Erklärungen zunächst zu, vertrat aber im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, die Klägerin erbringe keine Leistungen gegen Entgelt und sei deshalb auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt; es änderte die Umsatzsteuerbescheide entsprechend.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 602 veröffentlicht ist, bestätigte das FA. Entscheidend sei, ob die Weitergabe von Lieferungen oder Leistungen von der Gesellschaft an die Gesellschafter gegen eine leistungsabhängige Umlage erfolgt sei oder ob die Kosten der Gesellschaft von den Gesellschaftern leistungsunabhängig getragen werden. Der Streitfall unterscheide sich von dem durch den Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 18. April 1996 V R 123/93 (BFHE 180, 204, BStBl II 1996, 387) entschiedenen Sachverhalt, weil dort - wie in Nr. 2 der Entscheidungsgründe ausgeführt - nicht Leistungen im Gesamtinteresse der Gesellschaft, sondern im Interesse der Gesellschafter erbracht worden seien. Demgegenüber liege im Streitfall keine leistungsabhängige Umlage vor. Die von der Klägerin gewählte Fallgestaltung entspreche der Erhebung echter Mitgliedsbeiträge bei einem Verein, wenn der Vereinsbeitrag nur dem allgemeinen Vereinsinteresse, nicht aber dem Individualinteresse gelte.

Im Übrigen scheitere der Vorsteuerabzug auch deswegen, weil die Vorschaltung der Klägerin allein dem Ziel diene, den Landwirten ohne Option zur Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug aus diesen Investitionen zu ermöglichen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Im Wesentlichen trägt sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zur Gestaltung von Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vor, die Klägerin habe von der für sie günstigeren Möglichkeit Gebrauch gemacht; ein hinreichender wechselseitiger innerer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung liege schon vor, wenn die Kosten für eine Leistung erstattet würden. Der Steuerpflichtige dürfe die für ihn günstigere Gestaltungsalternative wählen; eine Steuerumgehung liege nicht vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1992 und 1993 vom 23. Mai 1996 aufzuheben.

Das FA tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat ihren Gesellschaftern keine entgeltlichen Leistungen erbracht; sie war deshalb auch nicht Unternehmerin.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG) kann nur ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Dabei steht dem Leistungsempfänger bereits bei Leistungsbezug das Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn er die ernsthafte, durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit (d.h. Umsätze gegen Entgelt) mit diesen Leistungsbezügen auszuüben (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 2002 V R 58/00, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 472; vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BFH/NV 2001, 876, m.w.N.).

Bei der Frage, welche Verwendungsabsicht der Unternehmer hatte, ist zu prüfen, ob seine Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BFHE 195, 437, m.w.N.). Sowohl die Absicht, mit den Leistungsbezügen entgeltliche Leistungen auszuführen, als auch die Absicht, auf die Steuerfreiheit zu verzichten, muss so konkret sein, dass sie objektiv nachweisbar ist (z.B. BFH-Urteil in UR 2002, 472).

2. Der Klägerin stand der Vorsteuerabzug bei Bezug der Bauleistungen nur zu, wenn sie schon zu diesem Zeitpunkt die Absicht hatte, als Unternehmerin die Lagerhalle ihren Gesellschaftern gegen Entgelt unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG zu überlassen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG im Ergebnis zu Recht verneint.

a) Die Unternehmereigenschaft der Klägerin ist nicht schon ausgeschlossen, weil die Klägerin nur gegenüber ihren Gesellschaftern tätig werden wollte und wurde. Aus § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ergibt sich, dass eine Personenvereinigung auch dann steuerbare Leistungen gegen Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausführen kann, wenn sie nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

b) Für die Frage, ob im Verhältnis Gesellschaft und Gesellschafter entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 UStG vorliegen, gelten keine Besonderheiten; allein maßgeblich ist, ob ein Leistungsaustausch i.S. der genannten Vorschrift vorliegt (z.B. BFH-Urteile vom 6. Juni 2002 V R 43/01, UR 2002, 422; vom 25. Mai 2000 V R 66/99, BFHE 191, 458; in BFHE 180, 204, BStBl II 1996, 387). Maßgebend ist danach, ob die Personenvereinigung dem Mitglied eine Leistung zuwendet, für die sie ein (Sonder-)Entgelt erwartet und erhält (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2001 V R 37/01, BFH/NV 2002, 378; BFH-Beschluss vom 23. Januar 2001 V B 129/00, BFH/NV 2001, 940). Dabei steht der Annahme eines Leistungsaustausches weder entgegen, dass die Personenvereinigung für alle Mitglieder gleichartige Leistungen ausführt (BFH-Urteil vom 20. August 1992 V R 2/88, BFH/NV 1993, 204), noch dass sie durch ihre Tätigkeit Leistungen gleichzeitig für alle Mitglieder erbringt (BFH-Urteil vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153). Dient die Tätigkeit der Personenvereinigung ausschließlich oder teilweise dem konkreten Individualinteresse des Mitglieds, kann das Austauschverhältnis bereits aus der Art der Leistung begründet sein (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 378; vom 9. Mai 1974 V R 128/71, BFHE 112, 430, BStBl II 1974, 530). Die Zahlungen können sich am Umfang der Inanspruchnahme der Leistungen, aber auch an der Höhe der Beteiligung orientieren (BFH in BFH/NV 2002, 378; zur Staffelung der Gegenleistungen: BFH-Urteil in BFHE 180, 204, BStBl II 1996, 387).

c) Eine steuerbare Dienstleistung setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des BFH jedoch voraus, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem "Rechtsverhältnis", d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt (z.B. EuGH-Urteil vom 21. März 2002 Rs. C-174/00 -Kennemer Golf & Country Club-, Randnr. 39, m.w.N., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 2002, 154, m.Anm. Wagner; BFH-Urteil in BFHE 191, 458). Ist Gegenstand einer Leistung die Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit, kommt es zwar - entgegen der Auffassung des FG - auf die konkrete Inanspruchnahme der Nutzungsmöglichkeit nicht an (EuGH-Urteil in UVR 2002, 154, Randnr. 40f zu Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Für die Annahme eines Leistungsaustausches ist aber nicht nur Voraussetzung, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind, sondern zusätzlich, dass der (konkreten) Leistung eine (konkrete) Gegenleistung gegenübersteht, d.h. dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (z.B. Senatsurteil vom 6. Juni 2002 V R 43/01, BFH/NV 2002, 1268). Für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges im Sinne eines Austausches von Leistung und Gegenleistung genügt es nicht schon, dass die Mitglieder der Personenvereinigung lediglich gemeinschaftlich die Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung eines Wirtschaftsgutes tragen, das sie gemeinsam nutzen wollen oder nutzen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft liegt insoweit nur vor, wenn die Nutzungsüberlassung selbst gegen Entgelt erfolgt (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2002, 1268, 1270).

d) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG fehlen im Streitfall hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei Bezug der Leistungen beabsichtigt hat, unter Verzicht auf die Steuerbefreiung die Lagerhalle ihren Gesellschaftern gegen Entgelt zu überlassen. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich lediglich, dass die Gesellschafter die Kosten für die Anschaffung der Lagerhalle und die für die laufenden Aufwendungen zu gleichen Teilen tragen sollten. Das allein rechtfertigt nicht die Annahme einer beabsichtigten entgeltlichen Nutzungsüberlassung. Eine Vereinbarung zwischen Gesellschaft und den Gesellschaftern über die entgeltliche Nutzungsüberlassung lag nicht vor. Anderes ergibt sich aus der 1994 erteilten Rechnung schon deshalb nicht, weil die Klägerin darin nicht über eine zwischen ihr und den Gesellschaftern vereinbarte Gegenleistung abrechnet.

e) Ist mangels entgeltlicher Leistungen die Klägerin nicht Unternehmerin, kommt zwar u.U. ein anteiliger Vorsteuerabzug der Gesellschafter in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1998 V R 31/98, BFHE 187, 78). Darüber war hier jedoch nicht zu entscheiden.