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  BFH-Urteil vom 18.7.2002 ( R 44/01) BStBl. 2003 II S. 730

1. Erhält ein Vermögensverwalter von einer Bank Provisionen für den An- und Verkauf von Wertpapieren im Namen und für Rechnung seines Mandanten, so führt er an die Bank steuerfreie Wertpapierumsätze aus.

2. Eine (unselbständige) Nebenleistung kommt nur in Betracht, wenn sie gegenüber derselben Person wie die Hauptleistung erbracht wird.

UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. e; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5; FGO § 90a Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 6. April 2001 11 K 16/92 EFG 2001, 999)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren (1985 bis 1988) u.a. als selbständiger Vermögensverwalter tätig. Sein einziger Auftraggeber war X, von dem er auch ein Honorar sowie Ersatz von Reisekosten erhielt. Das Aufgabengebiet umfasste u.a. die Betreuung und Verwaltung von mehreren Immobilien, allgemeine Beratung bezüglich der Firmenbeteiligungen des Mandanten sowie die Anlage und Spekulation mit Wertpapieren. Das Wertpapiervermögen des X war bei drei verschiedenen Banken angelegt (A-Bank, B-Bank und C-Bank). Der Kläger hatte die Aufgabe, durch geschicktes Handeln das Wertpapiervermögen seines Mandanten im Rahmen der Vermögensverwaltung zu vermehren. Hierfür beauftragte er aufgrund einer ihm von X erteilten Bankvollmacht die jeweilige Bank, für X Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen. Er gab also im Rahmen der Vermögensverwaltung des X Kauf- und Verkaufsorder an die Bank. Der Kläger war auch berechtigt, Vermögen von einer Bank zur anderen umzuschichten.

Durch Verhandlungen mit den vorgenannten Banken gelang es dem Kläger, für jede Vermögenstransaktion (sowohl Wertpapierankäufe wie auch Wertpapierverkäufe) von den Banken eine Provision zu erhalten. Die Provisionen richteten sich nach den jeweiligen Wertpapiervermittlungsumsätzen der Bank. Sie wurden monatlich abgerechnet und an den Kläger ausbezahlt. Insgesamt erhielt der Kläger in den Streitjahren von den Banken Provisionen in Höhe von brutto 72.479,81 DM (1985), 102.164,72 DM (1986), 144.553,89 DM (1987) und 92.300,29 DM (1988). Damit überstiegen die Provisionszahlungen der Banken die dem Kläger von X für die Vermögensverwaltung gezahlten Vergütungen.

Der Kläger unterwarf diese Provisionen nicht der Umsatzsteuer, weil er davon ausging, dass es sich dabei um Vergütungen für steuerfreie Umsätze i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) handele. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) kam dagegen im Anschluss an eine Außenprüfung zu der Auffassung, der Kläger habe insoweit nicht i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 Umsätze von Wertpapieren getätigt und auch solche Umsätze nicht vermittelt.

Einspruch und Klage gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 12. Dezember 1980 blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 seien im Streitfall nicht erfüllt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 999). "Umsätze von Wertpapieren" und "Optionsgeschäfte mit Wertpapieren" im Sinne dieser Vorschrift lägen nur dann vor, wenn der An- und Verkauf von Wertpapieren bzw. der entsprechende Abschluss von Optionsverträgen mit Wertpapieren im eigenen Namen und für eigene Rechnung vorgenommen werde. Ein Eigenhandel mit Wertpapieren in diesem Sinne habe hier unstreitig nicht vorgelegen.

Aber auch eine Vermittlung von Umsätzen mit Wertpapieren bzw. Optionsgeschäften mit Wertpapieren sei nicht gegeben. Die Tätigkeit, für die der Kläger von den Banken Provisionen erhalten habe, sei als Nebenleistung des Klägers zu seiner Hauptleistung, der Vermögensverwaltung für X, zu beurteilen. Sie teile das Schicksal der Hauptleistung, was dazu führe, dass weder die Tätigkeit des Klägers für die Vermögensverwaltung des X noch die daraus resultierenden Provisionen bei den jeweiligen Bankgeschäften gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit seien.

Aber auch wenn man die Leistung des Klägers bei der Erteilung von An- und Verkaufsaufträgen gegenüber den Banken als Hauptleistung ansähe, liege keine Vermittlung von Umsätzen von Wertpapieren i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 vor. Eine "Vermittlung" setze voraus, dass der Vermittler Verbindungen zu einem Dritten aufnehme und auf diesen einwirke, einen Vertrag mit dem Auftraggeber abzuschließen. Es reiche nicht aus, dass jemand nur irgendeine Bedingung für den Abschluss des Vertrages setze (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Januar 1989 V R 43/84, BFHE 156, 278, BStBl II 1998, 339). Letztlich hätten die Banken und habe nicht der Kläger das Vermittlungsgeschäft i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 getätigt.

Mit der vom FG gegen seinen Gerichtsbescheid zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das FG habe den Begriff der Vermittlung verkannt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1992 die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1985 bis 1988 vom 12. Dezember 1990 dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 1985 um 8.901 DM, für 1986 um 12.546 DM, für 1987 um 17.752 DM und für 1988 um 11.335 DM herabgesetzt wird.

Das FA tritt dem Revisionsvorbringen entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 90a Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Entgegen der Auffassung des FA und des FG sind die streitigen Umsätze gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 steuerfrei.

1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 in der in den Streitjahren (1985 bis 1988) geltenden Fassung waren von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei, die Umsätze von Wertpapieren und die Optionsgeschäfte mit Wertpapieren, die Vermittlung dieser Umsätze, die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (Depotgeschäft) sowie die sonstigen Leistungen im Emissionsgeschäft.

Die Vorschrift "beruht" nach der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 8/1779 vom 5. Mai 1978, S. 33) auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach dieser Richtlinienbestimmung befreien die Mitgliedstaaten unter den dort genannten Bedingungen die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und Rechten oder Wertpapieren i.S. von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00 - CSC - (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 84) ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass der Ausdruck "Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen", Umsätze betrifft, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen.

b) Die streitbefangene Tätigkeit des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen.

Der Kläger hat im Rahmen der Vermögensverwaltung des X für diesen Wertpapiere bei den Banken gekauft und verkauft. Er handelte dabei - so sind die Feststellungen des FG zu verstehen - im Namen und für Rechnung des X. Dadurch wurden (unmittelbar) Rechte und Pflichten des X in Bezug auf die gekauften bzw. verkauften Wertpapiere begründet, geändert oder zum Erlöschen gebracht. Darunter fällt auch die Übertragung von Wertpapieren aufgrund einer Abschlussvollmacht. Der Kläger hat nicht lediglich rein materielle, technische oder administrative Leistungen ausgeführt (vgl. dazu EuGH-Urteil in UR 2002, 84, Rz. 28).

c) Entgegen der Vorentscheidung liegt keine Nebenleistung zu einer steuerpflichtigen Vermögensverwaltung vor. Eine (unselbständige) Nebenleistung kommt nur in Betracht, wenn sie gegenüber derselben Person wie die Hauptleistung erbracht wird. Die Vermögensverwaltung führte der Kläger gegenüber X aus, die hier streitigen Umsätze erbrachte er an die Banken.