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  BFH-Urteil vom 13.6.2002 (VI R 168/00) BStBl. 2003 II S. 765

Die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für einen Sprachkurs kann nicht mit der Begründung versagt werden, er habe in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union stattgefunden.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 17. Mai 2000 13 K 252/96 (EFG 2001, 487)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Mitarbeiter im Verkaufsaußendienst eines Unternehmens mit Geschäftstätigkeit im Ausland. Er hat diese Tätigkeit im Alter von 45 Jahren aufgenommen, nachdem er zuvor selbständig tätig war. Der Kläger bearbeitet die Märkte in den englisch- und französischsprachigen Ländern teils als Hauptmitarbeiter, teils als Vertreter eines anderen Hauptmitarbeiters. Als Sonderaufgabe ist ihm die Werbung für englisch- und französischsprachige Märkte zugewiesen.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1992 machte der Kläger Aufwendungen für einen Französisch-Intensiv-Sprachkurs in Höhe von insgesamt 5.145 DM als Werbungskosten geltend. Er hatte vom 29. Juni bis zum 10. Juli 1992 Bildungsurlaub (Sonderurlaub) zum Besuch eines Sprachkurses in Frankreich erhalten. Der Arbeitgeber übernahm weder die Kosten noch gewährte er einen Zuschuss. Der Veranstalter des Französisch-Intensiv-Sprachkurses war die Ecole Fransaise in Südfrankreich. Die Teilnehmer wohnten in einem 10 km vom Unterrichtsort entfernten Hotel. Die Entfernung vom Unterrichtsort zu touristisch interessanten Städten betrug zwischen 60 und 65 km. Der zweiwöchige Intensiv-Sprachkurs umfasste insgesamt 60 Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten, die von Montag bis Freitag von 9.00 Uhr bis 12.15 Uhr und von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr stattfanden. Hinzu kam eine große Exkursion am Samstag. Die Gruppenstärke betrug 8 bis 10 Kursteilnehmer. Neben dem Intensivkurs bot die Sprachschule noch einen Hauptkurs an, der nicht als Bildungsurlaub anerkannt war. Der Schulleiter hat die Kursteilnahme des Klägers bestätigt. Der Kläger legte dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ferner eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, wonach der Kläger bei seiner Außendiensttätigkeit in den französisch-sprachigen Ländern entsprechende Sprachkenntnisse benötige, zu deren Vervollkommnung er an dem Sprachkurs in Frankreich teilgenommen habe. Die Kursgebühren beliefen sich auf 780 DM. Daneben machte der Kläger Fahrt- und Unterkunftskosten sowie Verpflegungsmehraufwendungen geltend. Das FA lehnte den Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, die Aufwendungen seien nach dem Gesamtbild der Reise nicht ausschließlich beruflich veranlasst.

Dagegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit seiner Klage. Er trug vor, seine berufliche Position erfordere die sichere Beherrschung der Sprachen Englisch und Französisch. Die Fahrten vom Hotel zum 10 km entfernt liegenden Unterrichtsort und zurück, die Teilnahme am Unterricht sowie die notwendige Vor- und Nachbereitung hätten keine Zeit für touristische Aktivitäten gelassen. Die Entfernung zu touristisch attraktiven Orten sei erheblich gewesen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 487 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für den Abzug der Kosten eines im Ausland besuchten Sprachkurses als Werbungskosten maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen beruflichen Gegebenheiten veranlasst seien und die Befriedigung privater Interessen nach Programm und tatsächlicher Durchführung des Sprachkurses nahezu ausgeschlossen sei. Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung sei auch zu berücksichtigen, in welcher Gegend und Jahreszeit der Sprachkurs durchgeführt worden sei, inwieweit unterrichtsfreie Zeit einschließlich der Wochenenden zur Verfügung gestanden habe und ob die Möglichkeit gegeben sei, Besonderheiten des Landes kennen zu lernen. Ein Sprachkurs im Ausland weise typischerweise wegen der jeder Auslandsreise innewohnenden touristischen Elemente eher Berührungspunkte zur privaten Lebensführung auf als ein Inlandssprachkurs, den der Steuerpflichtige z.B. an seinem Wohnort besuche. Das FG habe im Streitfall nicht geprüft, ob nach Programm und Durchführung des Sprachlehrgangs die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen gewesen sei. Es sei damit von den BFH-Urteilen vom 21. August 1995 VI R 47/95 (BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10), vom 31. Januar 1997 VI R 83/96 (BFH/NV 1997, 647), vom 8. November 1996 VI R 90/94 (BFH/NV 1997, 470) und vom 16. Januar 1998 VI R 46/87 (BFH/NV 1998, 851) abgewichen. Im Streitfall habe der Sprachkurs in den Schulferien und damit in einer bevorzugten Reisezeit stattgefunden. Ferner sei an sämtlichen Unterrichtstagen jeweils der gesamte Nachmittag unterrichtsfrei gewesen. Der unterrichtsfreie Samstag sei für eine Exkursion vorgesehen gewesen; der Sonntag habe zur freien Verfügung gestanden. In den Kursunterlagen sei unter Hinweis auf die reizvolle Umgebung die Anreise mit eigenem PKW empfohlen worden. Der Lehrgangsort liege in der Nähe der Ardèche-Schluchten. Weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung seien die Cevennen und die Grotten von Orgnac und Cocalière. Für den Kläger sei der Sprachlehrgang zwar beruflich von Nutzen gewesen. Der Lehrgang habe jedoch zur Hauptreisezeit in einem touristisch attraktiven Teil Südfrankreichs stattgefunden und nach der konkreten Durchführung an jedem Tag die Gelegenheit geboten, touristische Möglichkeiten wahrzunehmen. Damit habe die Teilnahme an dem Sprachkurs auch der Verwirklichung privater Lebensinteressen des Klägers gedient.

Ferner habe der Kläger im Anschluss an den Lehrgang seinen Urlaub mit seiner Ehefrau in Frankreich verbracht (Hinweis auf Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, 218). Der Kläger habe seine neuerworbenen Sprachkenntnisse für seinen Urlaub genutzt; offenbar sei Frankreich für ihn bevorzugtes Urlaubsgebiet. Das FG habe im Übrigen nicht festgestellt, dass der Sprachkurs auf die beruflichen Erfordernisse des Klägers zugeschnitten gewesen sei und es sich um einen homogenen Teilnehmerkreis gehandelt habe. Für eine untergeordnete berufliche Veranlassung spreche auch das Verhältnis der Kursgebühren in Höhe von 780 DM zu den Gesamtkosten von 5.145 DM (= 14 v.H.).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, er sei bei Lehrgangsbeginn bereits über 50 Jahre alt gewesen. In diesem Alter sei es bereits sehr schwierig, bei Intensivsprachkursen das Arbeitspensum zu bewältigen. Er habe den Kurs bei Ecole Fransaise belegt, um in der unterrichtsfreien Zeit das Arbeitspensum nacharbeiten zu können. Der Arbeitgeber habe bei der Stellenausschreibung verlangt, dass der Bewerber über die erforderlichen Französischkenntnisse verfüge. Nach den Unterrichtsstunden am Vormittag habe er, der Kläger, eine Mittagsmahlzeit einnehmen müssen. Unter Berücksichtigung der Fahrzeiten sei ihm in der unterrichtsfreien Zeit am Nachmittag die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten nicht möglich gewesen. In dieser Zeit habe er zudem den Lernstoff nacharbeiten müssen. Der Nachmittag sei deshalb unterrichtsfrei geblieben, um die kühleren Abendstunden für den Unterricht zu nutzen. Auch ein Sprachkurs im Inland beinhalte Freizeiten, die der Erholung und Regeneration dienten; deshalb sei dieser Umstand auch bei einem Auslandssprachkurs nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des FA sei Frankreich nicht sein bevorzugtes Urlaubsgebiet. Für den Urlaub in Frankreich hätten die bereits vor der Teilnahme an dem Sprachlehrgang vorhandenen Französischkenntnisse genügt. Im Hinblick auf die Teilnahme an einem Sprachkurs sei ein homogener Teilnehmerkreis weder möglich noch notwendig.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet, sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für die Teilnahme an dem Sprachkurs in Frankreich zutreffend als Werbungskosten anerkannt.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79, BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17; Beschlüsse vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, 216). Es muss objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit bestehen und die Aufwendungen müssen subjektiv zur Förderung dieser Tätigkeit gemacht werden.

Aufwendungen für einen Lehrgang, durch den Kenntnisse einer Fremdsprache vermittelt werden, sind dann als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2002 VI R 46/01, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2002, 1126, zu einem Sprachkurs im Inland). Die Entscheidung, ob in Bezug auf einen Sprachkurs berufsbedingte Aufwendungen vorliegen, kann nur aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Dies gilt insbesondere, wenn es sich - wie im Streitfall - um einen Sprachkurs handelt, der nicht am oder in der Nähe des Wohnorts des Steuerpflichtigen stattfindet (auswärtiger Sprachkurs; vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1980 IV R 153/79, BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746, und in BFH/NV 1998, 851, jeweils in Bezug auf die berufliche Veranlassung eines Auslandssprachkurses). Der IV. Senat des BFH hat in der Grundsatzentscheidung in BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746 Merkmale genannt, die im Rahmen der Gesamtwürdigung als gewichtige Indizien für eine private oder eine berufliche Veranlassung sprechen können.

2. An diesen Merkmalen hält der erkennende Senat fest, soweit sie nicht in Widerspruch zu Art. 59 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EGV - (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) stehen.

a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zur Abzugsfähigkeit der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen mit Urteil vom 28. Oktober 1999 Rs. C-55/98 (EuGHE I-1999, 7641, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2000, 114, Vestergaard) entschieden, dass Art. 59 EGV der Regelung eines Mitgliedsstaates entgegensteht, wonach für die Bestimmung des zu versteuernden Einkommens vermutet wird, dass Fortbildungsveranstaltungen an üblichen Urlaubsorten in anderen Mitgliedsstaaten in so erheblichem Umfang Urlaubszwecken dienen, dass die Ausgaben für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen nicht als berufliche Aufwendungen abzugsfähig sind, während für Fortbildungsveranstaltungen an üblichen Urlaubsorten in dem betreffenden Mitgliedsstaat eine solche Vermutung nicht gilt.

Zur Begründung führte der EuGH u.a. aus: ...

"(15) Erstens ist festzustellen, dass zwar der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht unter die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, dass die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen. ...

(18) Drittens fallen Dienstleistungen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, also die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen, unabhängig davon, wo der Dienstleistende oder der Dienstleistungsempfänger ansässig ist, bereits in den Geltungsbereich von Art. 59 EGV, wenn diese Dienstleistungen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden. ...

(20) Außerdem umfasst das Recht auf freie Dienstleistung die Freiheit der Dienstleistungsempfänger, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch irgendwelche Beschränkungen daran gehindert zu werden. ...

(21) Was die Frage angeht, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats wie des Ausgangsverfahrens eine gemäß Art. 59 EGV verbotene Beschränkung enthält, ist festzustellen, dass diese Regelung die Dienstleistungen der Organisation von Fortbildungsveranstaltungen einer unterschiedlichen Steuerregelung unterwirft, je nachdem, ob sie in anderen Mitgliedstaaten oder in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden, da sie nämlich den steuerlichen Abzug der Ausgaben für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen an einem üblichen ausländischen Urlaubsort nur zulässt, wenn der Steuerpflichtige die Vermutung widerlegt, die Veranstaltung diene in so erheblichem Umfang Urlaubszwecken, dass diese Kosten nicht als abzugsfähige berufliche Aufwendungen betrachtet werden könnten, während für Fortbildungsveranstaltungen an einem üblichen Urlaubsort in dem betreffenden Mitgliedstaat eine solche Vermutung nicht gilt.

(22) Die Regelung eines Mitgliedstaats, die wie die des Ausgangsverfahrens den steuerlichen Abzug von Ausgaben für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung im Ausland schwieriger macht als den von Ausgaben für solche Veranstaltungen in dem betreffendem Mitgliedstaat, enthält jedoch eine nach Art. 59 EGV verbotene Ungleichbehandlung je nach dem Ort der Erbringung der Dienstleistung. ...

(23) Diese Ungleichbehandlung ist weder durch die Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu wahren, noch durch die Wirksamkeit der Steuerkontrollen gerechtfertigt, die nach den - vom vorlegenden Gericht erwähnten - Urteilen vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249) und vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-250/95/Futura Participations und Singer (Slg. 1997, I-2471) als mögliche Rechtfertigungsgründe für Regelungen anerkannt worden sind, die die vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten einschränken können. ...

(25) Im Übrigen erlaubt zwar die Wirksamkeit der Steuerkontrollen einem Mitgliedstaat die Anwendung von Maßnahmen, die die klare und präzise Feststellung der Höhe der in diesem Staat als berufliche Aufwendungen abziehbaren Ausgaben, u.a. auch die für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen ermöglichen; sie kann es jedoch nicht rechtfertigen, dass der Staat diesen Abzug von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig macht, je nachdem, ob die Fortbildungsveranstaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet."

b) Diese Ausführungen des EuGH beinhalten eine verbindliche Auslegung des Art. 59 EGV und seiner Bedeutung für die direkten Steuern. Auch wenn der EuGH in Vorabentscheidungen nationales Recht weder auslegt, noch auf seine Gültigkeit überprüft, sind seine Entscheidungen zu beachten (Urban, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 2000, 555, 558, und Albert, Finanz-Rundschau - FR - 2000, 316 f.). Das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem innerstaatlichen Recht (Iglesias, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2000, 1889, 1890) gilt auch bei der Auslegung von § 9 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 EStG (Hirsch, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1998, 489, 491). Art. 59 EGV verbürgt auch die Freiheit des Steuerpflichtigen, sich als Dienstleistungsempfänger zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedsstaat zu begeben, ohne durch irgendwelche Beschränkungen daran gehindert zu werden. Wollte der erkennende Senat § 9 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 EStG in einem Sinne auslegen, der mit der genannten Entscheidung des EuGH nicht vereinbar wäre, bedürfte es eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EG (vorher Art. 177 EGV) an den EuGH. Andernfalls wäre das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter verletzt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1984 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; Hirsch in DStZ 1998, 493). Der erkennende Senat folgt jedoch - unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung - der Auffassung des EuGH. Danach widerspricht es Art. 59 EGV, wenn ein Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft den steuerlichen Abzug von Aufwendungen für Sprachkurse von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig macht, je nachdem, ob der (auswärtige) Sprachkurs in dem Heimatstaat oder in einem anderen Mitgliedsstaat stattgefunden hat. Deshalb kann abweichend von der bisherigen Rechtsprechung bei einem Sprachkurs in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht mehr typischerweise unterstellt werden, dass dieser wegen der jeder Auslandsreise innewohnenden touristischen Elemente eher Berührungspunkte zur privaten Lebensführung aufweist als ein Inlandssprachkurs.

c) Dagegen haben es der IV. und der IX. Senat des BFH sowie auch der erkennende Senat (vgl. BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746; BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904 - insoweit nicht veröffentlicht) bei einem Auslandssprachkurs als ein gewichtiges, für eine private Veranlassung sprechendes Indiz angesehen, wenn der Besuch von Sprachkursen im Inland den gleichen Erfolg hätte haben können. Eine dementsprechende Regelung befindet sich auch in Abschn. 35 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1990 (LStR 1990). Nach dem Urteil des EuGH in EuGHE I-1999, 7641, DStRE 2000, 114 kommt diesem Umstand die von der Rechtsprechung bisher angenommene indizielle Bedeutung nicht mehr zu. Dies gilt auch für die Tatsache, dass mit einem Auslandsaufenthalt erhöhte Kosten verbunden sein können.

d) Soweit der Senat damit von den genannten Urteilen des IV. und des IX. Senats abweicht, kommt eine Anfrage bei den genannten Senaten nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO, bzw. eine Anrufung des Großen Senats nicht in Betracht, da durch das Urteil des EuGH in EuGHE I-1999, 7641, DStRE 2000, 114 zwischenzeitlich eine verbindliche Klärung erfolgt ist (vgl. dazu Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz. 60, 61, 49; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 11 Rz. 18, 19).

3. Im Streitfall hat das FG die von der Rechtsprechung des BFH für maßgeblich erachteten Kriterien - soweit diese mit Art. 59 EGV vereinbar sind - angewendet.

a) Entgegen der Auffassung des FA hat das FG Feststellungen dazu getroffen, ob der Sprachkurs auf die beruflichen Interessen des Klägers zugeschnitten gewesen ist. Insoweit hat das FG ausgeführt, der Kläger benötige zur Ausübung seiner Tätigkeit als Hauptmitarbeiter im Verkaufsaußendienst, der u.a. für französichsprachige Länder zuständig sei, unabdingbar französische Sprachkenntnisse. Zur kompetenten Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bedürfe es der regelmäßigen Auffrischung, Vertiefung und Erweiterung der Sprachkenntnisse. Darin liegt zugleich die - nahe liegende - Feststellung des FG, der insgesamt 60 Unterrichtsstunden umfassende Intensiv-Sprachkurs, der in einer kleinen Gruppe von 8 bis 10 Teilnehmern abgehalten worden ist, habe den beruflichen Bedürfnissen des Klägers entsprochen. Dass der Intensiv-Sprachkurs keine fachspezifische Sprachfortbildung zum Gegenstand hatte, steht der Würdigung des FG, die Teilnahme an dem Intensiv-Sprachkurs sei beruflich veranlasst, nicht entgegen. Es reicht aus, wenn der Sprachkurs auf die besonderen beruflichen/betrieblichen Interessen des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist (BFH-Urteil in BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746). Eine fachspezifische Sprachfortbildung im Sinne des Erlernens einer Fachsprache (z.B. Wirtschaftsenglisch) wird zwar in der Regel beruflich/betrieblich veranlasst sein (vgl. BFH-Urteil in DStR 2002, 1126). Benötigt der Steuerpflichtige jedoch zur Ausübung seines Berufes auch allgemeine Kenntnisse einer bestimmten Fremdsprache, ist ein Sprachkurs bereits dann auf die besonderen beruflichen/betrieblichen Interessen des Steuerpflichtigen zugeschnitten, wenn der Sprachkurs diese Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt.

b) Allein der Umstand, dass der Kläger an einem auswärtigen Sprachkurs teilgenommen hat und nicht an einem, der am oder in der Nähe seines Heimatortes stattfand, nötigt nicht zu der Wertung, die Teilnahme sei i.S. des § 12 Nr. 1 EStG privat mitveranlasst. So hat der Senat bereits im Urteil vom 22. Juli 1993 VI R 103/92 (BFHE 171, 552, BStBl II 1993, 787) ausgeführt, eine Sprache werde in dem Land, in dem sie gesprochen wird, im allgemeinen effizienter zu erlernen sein. Dies gelte jedenfalls für Studien von Fortgeschrittenen, die sich - wie im Streitfall der im Verkaufsaußendienst tätige Kläger - mit den Besonderheiten der Fremdsprache, der landesüblichen Aussprache und Betonung vertraut machen wollten.

c) Ebenso wenig überzeugt der Einwand des FA, das FG habe nicht geprüft, ob nach Programm und Durchführung des Sprachlehrgangs die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen gewesen sei. Das FG hat die Zeiten des Unterrichts und die unterrichtsfreien Zeiten festgestellt und insoweit ausgeführt, dass auch ein im Inland durchgeführter Sprachkurs Freizeiten beinhalte, die zur Erholung und Regeneration dienten. Zentren des Tourismus seien 60 bzw. 65 km vom Lehrgangsort entfernt gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass insoweit private Motive eine Rolle gespielt hätten. Diese Würdigung begegnet keinen Bedenken. Der Intensiv-Sprachlehrkurs mit 8 bis 10 Teilnehmern war in seinem zeitlichen Umfang mit jeweils 6 Unterrichtsstunden á 45 Minuten an 5 Arbeitstagen samt der erforderlichen Nacharbeit so bemessen, dass daneben private Lebensinteressen nicht in einem nennenswerten Umfang befriedigt werden konnten. Zwar fand nach dem Unterricht am Vormittag jeweils am Nachmittag kein Unterricht statt, sondern erst in den Abendstunden in der Zeit von 18.00 bis 19.30 Uhr. Allein aufgrund der unterrichtsfreien Zeit am Nachmittag hat die Teilnahme an dem Sprachkurs jedoch nicht in nennenswertem Umfang der Verwirklichung der privaten Lebensführung des Klägers gedient. Die Aufteilung der Unterrichtsstunden auf den Vormittag und die Abendstunden kann mit den am Lehrgangsort in den Sommermonaten herrschenden klimatischen Verhältnissen erklärt werden. Die für den unterrichtsfreien Samstag vorgesehene Exkursion und der zur freien Verfügung stehende Sonntag stehen der Würdigung des FG, die Teilnahme des Klägers an dem Sprachkurs sei beruflich veranlasst gewesen, nicht entgegen. Zwar ist der Kläger nach Abschluss des Sprachkurses nach Deutschland zurückgekehrt und hat anschließend mit seiner Ehefrau seinen Urlaub in Frankreich verbracht. Diesen Umstand hat das FG zutreffend nicht als erheblich angesehen. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das Urteil in BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746. Dieser Fall wies die Besonderheit auf, dass die Eheleute den einmonatigen Sprachkurs (ohne An- und Abreise) gemeinsam während ihres Erholungsurlaubs besucht hatten. Vergleichbare Umstände sind im Streitfall bereits deshalb nicht gegeben, weil der Kläger für die Teilnahme an dem Intensiv-Sprachkurs Bildungsurlaub in Anspruch genommen hat.