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  BFH-Urteil vom 17.12.2003 (I R 99/01) BStBl. 2004 II S. 519

Räumt ein Grundstückseigentümer einem Unternehmen zum Betrieb einer Deponie gegen Entgelt das Recht ein, das betreffende Grundstück mit Abfall zu verfüllen, wird das Grundstück und nicht ein vom Grund und Boden verselbständigtes Wirtschaftsgut "Auffüllrecht" vermietet oder verpachtet, weshalb eine Hinzurechnung der gezahlten Beträge zum Gewinn des Deponiebetreibers aus Gewerbebetrieb und des Teilwerts des Verfüllrechts zum Einheitswert des Betriebsvermögens nach § 8 Nr. 7 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG 1991 ausscheidet.

GewStG 1991 § 8 Nr. 7 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1

Vorinstanz: FG Köln vom 23. August 2001 7 K 2947/98 (EFG 2002, 45)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist Rechtsnachfolgerin einer GmbH, aus der sie im Jahre 2000 im Wege einer formwechselnden Umwandlung hervorgegangen ist. Die GmbH unterhielt in den Streitjahren 1991 bis 1996 u.a. einen Betrieb zur Gewinnung von Sand und Kies sowie Deponiebetriebe.

Die GmbH schloss am 5. Dezember 1984 mit den Eigentümern verschiedener insgesamt 1.018,77 Ar großer Grundstücksparzellen einen notariellen Vertrag, wodurch ihr das dingliche Recht eingeräumt wurde, auf diesen Grundstücken, deren Sandvorkommen bereits abgegraben waren oder von den Eigentümern der GmbH noch abgegraben werden sollten, eine Deponie zu errichten und nach Maßgabe der ihr erteilten behördlichen Genehmigungen zu betreiben. Hierfür verpflichtete sich die GmbH zur Zahlung einer nach der verfüllten Fläche zu berechnenden Entschädigung. Außerdem sollte die GmbH die Flächen nach Beendigung des Kipprechts rekultivieren.

Durch einen weiteren Vertrag vom 16. Januar 1990 räumten auch die Eigentümer weiterer Grundstücksparzellen der GmbH das Recht ein, ihre abgegrabenen bzw. noch abzugrabenden Parzellen im Rahmen einer behördlichen Deponiegenehmigung zu verfüllen. Hierfür sollte die GmbH eine nach der Menge des verfüllten Materials bemessene Vergütung entrichten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in den Zahlungen, die die GmbH aufgrund dieser Verträge an die jeweiligen Grundstückseigentümer leistete, Miet- und Pachtzahlungen für die Überlassung der Verfüllrechte als selbständige Wirtschaftsgüter. Dementsprechend rechnete er bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1991) die Hälfte der gezahlten Beträge dem Gewinn aus Gewerbebetrieb sowie bei der Ermittlung des Gewerbekapitals nach § 12 Nr. 2 GewStG 1991 den Teilwert des Verfüllrechts - diesen ermittelt durch Kapitalisierung der gezahlten Aufwendungen unter Berücksichtigung einer zwanzigjährigen Vertragslaufzeit - dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzu.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 23. August 2001 7 K 2947/98 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 45 abgedruckt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG 1991 sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgezogen wurden. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG 1991 sind dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die Werte (Teilwerte) der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen, die dem Betrieb dienen, aber im Eigentum eines Dritten stehen, soweit sie nicht im Einheitswert des Gewerbebetriebes enthalten sind.

2. Das FG hat diese Hinzurechnungsvoraussetzungen im Streitfall zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Das Recht zum "Verfüllen" der überlassenen Grundstücke mit Abfall zum Betrieb einer Deponie in den Bodengruben, die infolge des vorangegangenen Abbaus der Sandvorkommen entstanden sind, stellt kein vom Grund und Boden verselbständigtes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens dar und konnte der GmbH deswegen auch nicht als solches zur Nutzung durch Pacht überlassen werden.

a) Der Senat schließt sich insofern dem IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) an, der in seinem Urteil vom 20. März 2003 IV R 27/01 (BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878) für ein entsprechendes "Auffüllrecht" mit Klärschlamm zur Errichtung eines Klärschlammzwischenlagers nach erfolgtem Abbau von Sandvorkommen - in Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Einschätzung (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 1982 VIII ZR 219/81, BGHZ 86, 7; Neue Juristische Wochenschrift 1983, 679) - entschieden hat, dass ein solches Recht weder separat noch zusammen mit dem Grund und Boden übertragen werden könne. Auch die Möglichkeit, das Grundstück unter Beachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften für ein konkretes Vorhaben - das Klärschlammzwischenlager - zu nutzen, sei untrennbar mit dem Grund und Boden verbunden und habe nicht zur Folge, dass diese Nutzungsmöglichkeit als besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden anzusehen wäre. Der Nutzungs- und Funktionszusammenhang der durch die Sandentnahme entstandenen Grube als Klärschlammzwischenlager stimme mit dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang des veräußerten Grund und Bodens überein. - Im Einzelnen ist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Urteil zu verweisen.

b) Für das Verfüllrecht eines Grundstücks mit Abfall zum Betrieb einer Deponie nach der Aussandung des Grund und Bodens kann unter vergleichbaren Umständen nichts anderes gelten. Hier wie dort ist die - so das FA - "Ausbeutung des Verfüllvolumens" nicht als eigenständiges Wirtschaftsgut anzusehen, dessen Erwerb dem Käufer ebenso wie dessen Nutzung dem Mieter oder Pächter losgelöst von dem Grund und Boden ermöglicht würde. Beide Sachverhalte decken sich auch insofern, als es - im Fall des BFH-Urteils in BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878 - dem Erwerber oder - im Streitfall - dem Mieter oder Pächter nur darum ging, den "ausgebeuteten" Grund und Boden und die dadurch geschaffenen Bodenvertiefungen im Einklang mit den betrieblichen Zwecken mit Verfüllmaterialien - dem Klärschlamm oder dem Abfall - aufzufüllen und zu nutzen. Ein Unterschied besteht lediglich insofern, als das Sandvorkommen bei Vertragsschluss im Fall des BFH-Urteils in BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878 bereits vollständig, im Streitfall jedoch erst teilweise abgebaut war. Für den Erwerber oder Mieter bzw. Pächter ändert dies jedoch nichts, da dessen Nutzungsmöglichkeit sich in beiden Fällen ausschließlich auf die Verfüllung ("Verkippung") der schon abgebauten Grundflächen, nicht aber auf den Abbau als solchen erstreckt. Der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang der infolge des Abbaus entstandenen Gruben einerseits und des überlassenen Grund und Bodens im Übrigen bleibt so oder so gewahrt, auch wenn auf anderen Grundstücksteilflächen weiterhin noch Sand abgebaut wird.

c) Gewerbesteuerrechtliche Besonderheiten geben keinen Anlass, von dieser ertragsteuerlichen Rechtslage abzuweichen, auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des BFH zur gewerbesteuerrechtlichen Behandlung der Ausbeutung von Bodenschätzen.

aa) Danach ist bei Ausbeuteverträgen Wirtschaftsgut i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG 1991 allerdings nicht das - bürgerlich-rechtlich verpachtete - Grundstück, sondern das Ausbeuterecht (vgl. z.B. Senatsurteile vom 12. Januar 1972 I R 220/69, BFHE 104, 553, BStBl II 1972, 433; vom 26. Mai 1976 I R 74/73, BFHE, 119, 485, BStBl II 1976, 721; vom 8. November 1989 I R 46/86, BFHE 159, 348, BStBl II 1990, 388, m.w.N.). Grund für diese Abweichung ist, wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 119, 485, BStBl II 1976, 721 und wie auch das FG in seinem Urteil näher ausgeführt haben, der engere steuerrechtliche Begriff des Grundbesitzes einerseits und die gesonderte bewertungsrechtliche Behandlung der Mineralgewinnungsrechte andererseits, für welche - bis zum 31. Dezember 1992 - ein eigener Einheitswert festgestellt wurde (vgl. § 100 des Bewertungsgesetzes - BewG - a.F.). Seit dem 1. Januar 1993 sind Bodenschätze nach § 110 Abs. 1 Nr. 8 BewG 1991 beim sonstigen Vermögen zu erfassen und bleiben sie bei der Bewertung des Grundvermögens außer Betracht (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG 1991). Da Bodenschätze infolgedessen nicht der Grundsteuer unterliegen, kann sich durch die Hinzurechnung der hierfür gezahlten Mieten oder Pachten zum Gewinn bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 8 Nr. 7 GewStG 1991 - anders bei dem Grundvermögen - keine doppelte steuerliche Erfassung ergeben.

bb) Im Streitfall geht es indes nicht um ein derartiges Recht zum Abbau von Bodenschätzen, sondern - umgekehrt - um die Verfüllung der Bodengruben infolge eines bereits vollzogenen Abbaus und um das damit verbundene Recht einer bestimmten Grundstücksnutzung, nämlich der Abfallablagerung und eines Deponiebetriebs im Rahmen dazu erforderlicher öffentlich-rechtlicher Erlaubnisse (vgl. Salch, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 2000, 231). Dieses Recht unterscheidet sich im Grundsatz nicht von jeglichem anderweitigen mit der Vermietung oder Verpachtung von Grundbesitz vom Grundstückseigentümer (zivilrechtlich) eingeräumten Recht, das überlassene Grundstück zu bestimmten Zwecken nutzen zu dürfen, beispielsweise zur Errichtung und zum Betreiben einer Fabrikation, eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs o.ä. Auch dabei kann es zu (ober- oder unterirdischen) Einwirkungen auf das Grundstück kommen, ohne dass es zu einer besonderen (gewerbe-)steuerrechtlichen Behandlung käme. Dass der angelieferte Abfall in einer durch den Abbau der Kiesvorkommen entstandenen Bodengrube verfüllt wird, was wiederum topographische Veränderungen des überlassenen Grund und Bodens zur Folge hat, ändert nichts daran, dass das Nutzungsrecht zur Auffüllung mit diesem Grund und Boden - nicht aber mit dem Abbaurecht - untrennbar verbunden ist.

cc) Davon zu unterscheiden sind die - öffentlich-rechtliche - Planfeststellung zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie sowie die - ebenfalls öffentlich-rechtliche - Genehmigung, eine solche Deponie zu betreiben. Beides begründet aber ebenfalls kein eigenes Wirtschaftsgut:

Das Recht zur Bodenverfüllung und zum Betrieb der Deponie folgt - ebenso wie das Abgrabungsrecht - nicht aus dem Grundeigentum und ist nicht Bestandteil der sog. Eigentümernutzung, sondern ergibt sich aus einem subjektiv-öffentlichen Recht (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom 29. Januar 2002 10a D 98/99.NE, Baurecht - BauR - 2002, 1201, m.w.N.), im Streitfall nach Maßgabe des Gesetzes zur Ordnung von Abgrabungen (AbgrabG NRW) vom 21. November 1972 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GVBl NW - 1972, 372) und des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 7. Juni 1972 (BGBl I 1972, 873) bzw. des Gesetzes über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. August 1986 (BGBl I 1986, 1410). Es ist deswegen als solches nicht Gegenstand der entgeltlichen Nutzungsüberlassung, sondern Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Beziehung.

Gleiches gilt für die öffentlich-rechtliche Planfeststellung zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie. Die dadurch veränderte Verwendungsmöglichkeit der von der Planfeststellung erfassten Grundstücke kann sich zwar als werterhöhender Umstand bei der Einheitsbewertung niederschlagen (vgl. im Einzelnen die Vorinstanz sowie Salch, StBp 2000, 231, 232 f.; Schindler, StBp 1989, 145, 149 ff.). Kommt es - wie im Streitfall - zur Bodenauffüllung nach zuvorigem Sandabbau, können sich stattdessen auch wertmindernde Umstände ergeben, falls die Auffüllung Teil einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung (des bodenschatzabbauenden Unternehmers sowie des Grundstückseigentümers; vgl. für Nordrhein-Westfalen § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 AbgrabG NRW und dazu auch BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 205/79, BFHE 139, 41, BStBl II 1983, 670) zur Rekultivierung des Grunds und Bodens als Maßnahme zur Behebung von Landschaftsschäden und zur Wiedernutzbarmachung der Erdoberfläche ist (BFH-Urteil in BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878; vgl. aus genehmigungsrechtlicher Sicht z.B. OVG NRW, Urteile in BauR 2002, 1201; vom 19. Januar 2001 8 A 1850/99, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport - 2001, 662, jeweils m.w.N.). Dessen ungeachtet ist die veränderte Nutzungsmöglichkeit der Grundstücke infolge der Planfeststellung aber nicht Gegenstand der entgeltlichen Nutzungsüberlassung. Es bleibt vielmehr dabei, dass beide Nutzungsvorgänge - der vorherige Sandabbau einerseits und die anschließende Auffüllung und der Deponiebetrieb andererseits - auseinander zu halten sind. §§ 1 und 4 AbgrabG NRW widersprechen dem nicht. Vermietet oder verpachtet wird stets nur der Grund und Boden, verbunden mit einer bestimmten (zivilrechtlichen) Nutzungsgestattung. Die hierfür bemessene Pacht kann sich nach den Flächenmaßen, ebenso gut aber auch nach der Menge des verfüllten Materials richten.