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  BFH-Beschluss vom 26.5.2004 (I R 113/03) BStBl. 2004 II S. 994

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Art. 52 EGV, wenn der im Inland beschränkt steuerpflichtige Angehörige eines anderen Mitgliedstaates anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger den Gesamtbetrag seiner Einkünfte nicht um die ihm entstehenden Steuerberatungskosten als Sonderausgaben vermindern kann?

EStG 1997 § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 6, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 50 Abs. 1 Satz 5; DBA-Niederlande Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1; EGV Art. 52 (= EG Art. 43).

Vorinstanz: FG Hamburg vom 11. November 2003 VII 205/00 (EFG 2004, 563)

Sachverhalt

I. Sachverhalt und Streitstand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist niederländischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden. Im Streitjahr 1998 erzielte er aus der Beteiligung an einer inländischen Kommanditgesellschaft über eine Erbengemeinschaft inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM. Die inländischen Einkünfte betrugen weniger als 90 v.H. seiner Gesamteinkünfte.

In seiner Einkommensteuererklärung 1998 machte der Kläger die auf ihn entfallenden Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung von 1.046 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den Abzug dieser Ausgaben unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 Satz 5 EStG 1997 nicht an.

Die Klage gegen den hiernach ergangenen Steuerbescheid blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 11. November 2003 VII 205/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 563 abgedruckt.

Seine hiergegen gerichtete Revision stützt der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Steuerberatungskosten zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Rechtslage nach deutschem Recht

Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der unter IV. genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu bejahen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen:

Der Kläger hat seinen ausschließlichen Wohnsitz in den Niederlanden. Er ist daher in Deutschland nur mit seinen inländischen Einkünften beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG 1997). Zu diesen Einkünften gehören gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1997 auch die in Rede stehenden Einkünfte als Mitunternehmer aus der gewerblich tätigen inländischen Kommanditgesellschaft. Anders als bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen (vgl. § 2 Abs. 4 EStG 1997) ist das Einkommen hierbei nicht um Steuerberatungskosten als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997 zu vermindern (§ 50 Abs. 1 Satz 5 EStG 1997). Die Klage wäre hiernach abzuweisen.

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Der vorlegende Senat erachtet die danach bestehende unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen (Gebietsansässigen und Gebietsfremden) aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht als zweifelsfrei. Sie könnte gegen die in Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EGV - (= Art. 43 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG -, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. C-340/1997, 1) garantierte Grundfreiheit verstoßen, deren Auslegung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorbehalten ist, und dessen ständiger Rechtsprechung widersprechen, wie sie z.B. in den Urteilen vom 14. Februar 1995 C-279/93 "Schumacker" (EuGHE 1995, I-225), vom 14. September 1999 C-391/97 "Gschwind" (EuGHE 1999, I-5451), vom 16. Mai 2000 C-87/99 "Zurstrassen" (EuGHE 2000, I-3337), vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot" (EuGHE 2002, I-11819) und vom 12. Juni 2003 C-234/01 "Gerritse" (EuGHE 2003, I-5933, BStBl II 2003, 859) zum Ausdruck gekommen ist (vgl. dazu z.B. Schön, Internationales Steuerrecht - IStR - 2004, 289, 292 f., m.w.N.).

Zwar hat der EuGH in den zitierten Urteilen wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige sich im Grundsatz nicht in einer vergleichbaren steuerlichen Situation befänden und daher vor allem personenbezogene Abzüge im Quellenstaat nicht gewährt werden müssten. Lediglich dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige nahezu seine gesamten Einkünfte im Quellenstaat erziele, verlange der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Erstreckung personenbezogener Steuervorteile auf die im Ausland ansässigen Personen. Diese Einschränkung bezieht sich jedoch unmittelbar nur auf den engen Bereich personen- und familienbezogener Steuermerkmale, nicht aber schlechthin auf sämtliche Aufwendungen der privaten Lebensführung (vgl. § 12 EStG 1997) außerhalb der eigentlichen Erwerbsaufwendungen, deren Abzug das nationale Steuerrecht - sei es als Sonderausgaben (vgl. § 10, § 10b EStG 1997), sei es als außergewöhnliche Belastungen (vgl. §§ 33 bis 33c EStG 1997) - zulässt (Schön, IStR 2004, 289, 292; vgl. auch das EuGH-Urteil vom 13. November 2003 C-209/01 "Schilling", IStR 2004, 60 zum Abzug der Kosten einer Haushaltshilfe als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990).

Zu solchen Aufwendungen gehören im Streitfall auch die dem Kläger entstandenen Steuerberatungskosten. Deren steuerlicher Abzugsfähigkeit liegen in erster Linie Lenkungs- und Subventionszwecke zugrunde, die mit der "persönlichen Lage" des Steuerpflichtigen nichts zu tun haben: Dem Steuerpflichtigen soll ein gewisser Ausgleich für die Inpflichtnahme bei der Steuererklärung angesichts des komplizierten Steuerrechts und der dadurch entstehenden leistungsmindernden "Zwangsaufwendungen" gewährt werden (vgl. z.B. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 23. Mai 1989 X R 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865; vom 12. Juli 1989 X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967; vom 20. September 1989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20; vom 10. März 1999 XI R 86/95, BFHE 188, 302, BStBl II 1999, 522; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnrn. I 2 und A 30; Fischer in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 10 Rn. 26, jeweils m.w.N.). Im Hinblick darauf ist nicht zu erkennen, weshalb dieser Steuervorteil dem Gebietsfremden vorenthalten werden soll, jedenfalls soweit sich der Vorteil nicht auf die Steuererklärung im Wohnsitz- (oder einem Dritt-)Staat, sondern - nur - im Quellenstaat bezieht. Denn auch wenn es sich hierbei um Kosten der persönlichen Lebensführung handelt: Indem der deutsche Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, diese Kosten zum Abzug zuzulassen, muss er widerspruchsfrei daran festhalten. Es handelt sich bei diesen Kosten um eine Belastung, die den Gebietsfremden unter den im Streitfall gegebenen Umständen ebenso trifft wie den Gebietsansässigen; beide sind gleichermaßen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG 1997; §§ 149 ff. der Abgabenordnung - AO 1977 -). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Streitjahr der seinerzeit zulässige Abzug von Zinsen gemäß §§ 233a, 234 und 237 AO 1977 als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1997 auch bei einem beschränkt Steuerpflichtigen uneingeschränkt möglich war (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG 1997), was verdeutlicht, dass der Abzug nach deutschem Rechtsverständnis sich nicht systembedingt verbietet.

IV. Vorlage an den EuGH

Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH folgende Frage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor:

Widerspricht es Art. 52 EGV, wenn der im Inland beschränkt steuerpflichtige Angehörige eines anderen Mitgliedstaates anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger den Gesamtbetrag seiner Einkünfte nicht um die ihm entstehenden Steuerberatungskosten als Sonderausgaben vermindern kann?