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  BFH-Urteil vom 25.5.2004 (VII R 29/02) BStBl. 2005 II S. 3

Hat das FA einen Haftungsgegenstand durch einen bestandskräftig gewordenen Haftungsbescheid geregelt, steht dessen Bestandskraft bei unveränderter Sach- und Rechtslage der erneuten Regelung des gleichen Sachverhaltes durch Erlass eines ergänzenden, neben den ersten Haftungsbescheid tretenden Haftungsbescheides entgegen. Hiervon unberührt bleibt die Korrektur des vorangegangenen Haftungsbescheides nach den Vorschriften der §§ 129, 130 und 131 AO 1977.

AO 1977 § 191 Abs. 1, §§ 129, 130, 131.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 20. März 2002 2 K 613/00 (EFG 2002, 1069)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Gesellschafter-Geschäftsführer einer OHG, deren Auflösung ohne Liquidation im Jahre 1993 in das Handelsregister eingetragen worden ist. Aufgrund einer im September 1994 für die OHG eingereichten Umsatzsteuererklärung ergab sich eine Umsatzsteuerabschlusszahlung für 1992 in Höhe von ... DM, die infolge geänderter Umsatzsteuerbescheide für 1992 letztlich auf ... DM festgesetzt und während des gegen den zuletzt ergangenen Umsatzsteuerbescheid für die OHG eingeleiteten Einspruchsverfahrens in Höhe von ... DM von der Vollziehung ausgesetzt worden ist. Für die nicht von der Vollziehung ausgesetzten Umsatzsteuerrückstände der OHG nebst Nebenleistungen nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Kläger mit bestandskräftig gewordenem Haftungsbescheid von 1995 (erster Haftungsbescheid) neben dem Mitgesellschafter in Höhe von insgesamt ... DM (wovon auf die Umsatzsteuer 1992 ... DM entfielen) nach §§ 421, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als Gesellschafter sowie des § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in seiner Geschäftsführereigenschaft in Haftung. Nach Beendigung des Rechtsstreites gegen den Umsatzsteuerbescheid der OHG für 1992, der zu einer geringen Herabsetzung der Umsatzsteuer geführt hat, sowie weiterer Tilgungsleistungen auf die Umsatzsteuer 1992 der OHG durch die beiden Gesellschafter erging 1999 ein auf § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB) gestützter weiterer Haftungsbescheid gegen den Kläger (zweiter Haftungsbescheid) über noch offene Umsatzsteuer der OHG für 1992 in Höhe von ... DM zzgl. Säumniszuschlägen und Zinsen, mithin insgesamt in Höhe von ... DM.

Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) im Klageverfahren mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1069 veröffentlichtem Urteil den Haftungsbescheid von 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf.

Es führte im Wesentlichen aus, der Haftungsbescheid aus dem Jahre 1999 stelle einen weiteren, ergänzenden Haftungsbescheid dar, der den gleichen Sachverhalt regele, wie der erste Haftungsbescheid aus dem Jahre 1995, der vom FA weder zurückgenommen noch widerrufen worden sei. Der Haftungsschuldner sei neben der bereits festgesetzten Haftung für Umsatzsteuer 1992 und Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... DM für weitere, durch die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung in den Jahren 1996 und 1997 fällig gewordene Umsatzsteuerbeträge aus 1992 in Höhe von ... DM zzgl. Zinsen und Säumniszuschläge hierzu in Haftung genommen worden. Dieser zusätzlichen Inanspruchnahme stünde die Bestandskraft des ersten Haftungsbescheides entgegen, deren Durchbrechung im Streitfall auch durch die hier allein in Betracht kommenden Vorschriften über die Berichtigung, Rücknahme und den Widerruf eines Haftungsbescheides nicht gerechtfertigt sei. Eine über diese Vorschriften hinausgehende Korrektur des Verwaltungsaktes sei ebenso wenig möglich, wie der Erlass eines - ergänzenden - weiteren Haftungsbescheides, mit dem eine zusätzliche Rechtsfolge hinsichtlich des nämlichen bereits geregelten Sachverhaltes ausgesprochen werde.

Eine Erhöhung der Haftungssumme hätte nur nach Maßgabe der Korrekturvorschriften der §§ 129 bis 131 AO 1977 erfolgen können, deren Voraussetzungen - zwischen den Beteiligten unstreitig - nicht erfüllt seien. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ergänzenden zweiten Haftungsbescheides komme es deshalb im Streitfall nicht auf ein konkretes schutzwürdiges Vertrauen des Haftungsschuldners in den Bestand des ersten Haftungsbescheides an. Unabhängig davon, dass der Kläger dem ersten Haftungsbescheid mangels einer entsprechenden Begründung auch nicht hätte entnehmen können, dass das FA später einen weiteren ergänzenden Haftungsbescheid erlassen würde, ergäbe sich die Rechtswidrigkeit des ergänzenden Haftungsbescheides aus den allgemeinen Grundsätzen der Bestandskraft. Ergehe hinsichtlich eines bestimmten Sachverhaltes ein Bescheid, sei der Finanzbehörde der Erlass eines Ergänzungsbescheides verwehrt, was vorbehaltlich des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 auch dann gelte, wenn es der Haftungsschuldner für möglich halte, dass die Finanzbehörde ihre Rechtsauffassung später noch einmal ändern wolle. Es hätte der Finanzbehörde frei gestanden, die Voraussetzungen für eine spätere Korrektur durch die Aufnahme eines Widerrufsvorbehaltes nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zu schaffen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht durch unrichtige Anwendung des Rechtsgrundsatzes der Bestandskraft.

Der Regelungsbereich des angefochtenen Haftungsbescheides berühre den Regelungsbereich des vorangegangenen Haftungsbescheides nicht. Weder der frühere, noch der spätere Haftungsbescheid enthielten eine abschließende Regelung zur Haftungsinanspruchnahme für die Umsatzsteuer 1992 der OHG. Mit dem ersten Haftungsbescheid sei diese Haftung auf den Teil der Umsatzsteuerschuld 1992 beschränkt worden, der bis zu diesem Zeitpunkt fällig geworden sei, während der zweite Haftungsbescheid im Jahre 1999 die nach Ablauf der Aussetzung der Vollziehung erst 1996 bzw. 1997 fälligen Umsatzsteuerbeträge erfasst habe. Insoweit lägen den Haftungsbescheiden jeweils unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

Der Kläger schließt sich im Wesentlichen der Auffassung des FG an, wonach dem Erlass des ergänzenden Haftungsbescheides die Bestandskraft des ersten Haftungsbescheides entgegenstehe und die Voraussetzungen für eine Korrektur des ersten Haftungsbescheides nach den Vorschriften der §§ 130, 131 AO 1977 nicht vorgelegen hätten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt jedoch nur wegen eines geringen Betrages hinsichtlich der steuerlichen Nebenleistungen zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Recht hat das FG entschieden, dass dem Erlass des Haftungsbescheides im Jahre 1999 jedenfalls bezüglich der nachgeforderten Umsatzsteuer 1992 der OHG die Bestandskraft des Haftungsbescheides aus dem Jahre 1995 entgegenstand.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass mit dem Erlass des angefochtenen zweiten Haftungsbescheides eine Rücknahme oder Teilrücknahme des vorangegangenen Bescheides nicht verbunden war. Ob die Behörde einen bereits erlassenen Haftungsbescheid aufheben und durch den Erlass eines neuen Haftungsbescheides ersetzen will oder ob ein bereits existierender Haftungsbescheid lediglich ergänzt bzw. erweitert werden soll, ist im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln. Der Wille, die erste Entscheidung aufzuheben, muss erkennbar sein (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 48 Rz. 245).

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG ergeben sich weder aus dem Wortlaut des ersten Haftungsbescheides noch aus dem des angefochtenen Haftungsbescheides oder den Einlassungen der Beteiligten Anhaltspunkte für die Annahme, das FA habe den ersten Haftungsbescheid zurücknehmen und durch einen zweiten Haftungsbescheid ersetzen wollen. Vielmehr beharren die Beteiligten, insbesondere das FA, darauf, dass der erste Haftungsbescheid unverändert weiter gelten sollte. Ebenfalls vom FG festgestellt und unbestritten ist, dass der erste Haftungsbescheid bei Erlass des zweiten Haftungsbescheides bestandskräftig war.

b) Mit dem zweiten Haftungsbescheid hat das FA einen neuen Bescheid wegen der - nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung und nach zwischenzeitlich erbrachten Tilgungsleistungen durch die beiden 1995 in Haftung genommenen Gesellschafter - noch offenen Umsatzsteuer der OHG für 1992 gegenüber dem Kläger erlassen, der neben den ersten Haftungsbescheid treten sollte. Denn es war eindeutig der Wille des FA, den bereits erlassenen Haftungsbescheid aufrecht zu erhalten. Dieser Wille wird dadurch verdeutlicht, dass das FA den Kläger mit dem zweiten Haftungsbescheid nicht für die gesamte - noch nicht getilgte - Haftungssumme wegen Umsatzsteuer 1992 der OHG, sondern nur noch in Höhe des bislang durch Haftungsbescheid noch nicht beanspruchten, von der Vollziehung ausgesetzten Teilbetrages der Umsatzsteuer 1992 zzgl. hierzu angefallener Säumniszuschläge und Zinsen in Anspruch genommen hat.

Bei dieser Sachverhaltsgestaltung durch das FA hat der erste Haftungsbescheid durch den Erlass des zweiten Haftungsbescheides seine Rechtswirksamkeit nicht verloren. Nach § 124 Abs. 2 AO 1977 bleibt ein Verwaltungsakt solange wirksam, als er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben wird. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Ein Grundsatz, dass ein späterer Haftungsbescheid ohne ausdrückliche Aufhebungs-, Änderungs- oder Ersetzungsanordnung einen früheren Haftungsbescheid gegenstandslos macht, d.h. seinen Regelungsinhalt in sich aufnimmt oder ersetzt, lässt sich aus den für die Änderung oder Aufhebung eines Haftungsbescheides nach der AO 1977 allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 129, 130 und 131 AO 1977 (so der Bundesfinanzhof - BFH - in ständiger Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562, und vom 6. August 1996 VII R 77/95, BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79, m.w.N.) auch insoweit nicht ableiten, als die Haftungsgegenstände identisch sind (BFH-Urteil in BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79). Denn dies setzt - wie die Anwendung der Vorschriften der §§ 130, 131 AO 1977 im Verhältnis erster Haftungsbescheid zu einem zweiten Haftungsbescheid überhaupt - voraus, dass die Finanzbehörde an dem ursprünglichen Bescheid nicht mehr festhalten will und diesen deshalb zurückgenommen oder widerrufen und durch einen neuen Haftungsbescheid ersetzt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 1992 VII B 237/91, BFH/NV 1992, 639), woran es im Streitfall fehlt.

2. Zutreffend hat das FG daher geurteilt, dass im Streitfall die eine Korrektur eines bereits ergangenen Haftungsbescheides und den Erlass eines erneuten Haftungsbescheides erlaubenden Vorschriften der §§ 130, 131 AO 1977 und die Prüfung des sich aus der Vorschrift des § 130 Abs. 2 AO 1977 ergebenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes keine Anwendung finden und dass die Rechtmäßigkeit des zweiten Haftungsbescheides im Streitfall allein davon abhängt, ob dem Erlass dieses Bescheides die Bestandskraft des vorausgegangenen Haftungsbescheides entgegensteht.

a) Während das überwiegende steuerrechtliche Schrifttum in einem Geldleistungsbescheid, wie ihn auch der Haftungsbescheid darstellt, grundsätzlich eine Regelung dahin gehend sieht, dass nicht mehr als festgesetzt gefordert werden soll und daher eine Nachforderung für sich aus dem gleichen Lebenssachverhalt ergebende Steuerschulden, z.B. bei einer Erhöhung der Steuerschuld aufgrund der Feststellungen einer Außenprüfung, nur im Wege der Aufhebung des ersten Bescheides durch Rücknahme, Teilrücknahme oder Widerruf und Erlass eines neuen Bescheides über eine entsprechend höhere Summe für zulässig hält (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 130 AO 1977 Rz. 11; Förster in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 130 Rz. 17; Rossmanith, Die Korrektur von Haftungsbescheiden, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1986, 580, 581; Hein, Zum Neuerlass eines Haftungsbescheides nach "ersatzloser" Aufhebung eines inhaltsgleichen vorangegangenen Bescheids, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1987, 175; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 130 Anm. 2 a.E.; vgl. auch Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 191 AO 1977 Rz. 83, und Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 191 Rz. 17, zweifelnd jedoch in Rz. 40 zu § 130; a.A. Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 2. Aufl. 1994, Rz. 560, der einen ergänzenden Haftungsbescheid als jederzeit möglich ansieht), befürwortet die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur die Nachforderung durch einen weiteren zusätzlichen Geldleistungsbescheid ohne Rückgriff auf die Korrekturvorschriften des § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - (Rücknahme von Verwaltungsakten) und § 49 VwVfG (Widerruf von Verwaltungsakten) unter Berücksichtigung des allgemeinen Vertrauensschutzgrundsatzes (vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 15. April 1983 8 C 170.81, BVerwGE 67, 129, und Urteil vom 7. April 1989 8 C 83.87 in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1990, 168; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 48 Rz. 69, m.w.N.; s. dazu auch Rüsken in Klein, a.a.O., § 130 Rz. 40).

b) Der Senat lässt offen, ob er der letztgenannten Auffassung, wonach eine Nachforderung von weiteren Haftungsbeträgen ohne vorherige Rücknahme oder Widerruf eines bereits ergangenen Haftungsbescheides nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes zulässig wäre, für die Fälle folgen könnte, in denen die Haftungsinanspruchnahme durch Erlass eines weiteren Bescheides veränderten Sachverhalten angepasst werden soll, so z.B. bei einer Erhöhung der Steuerschuld, für die der Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, infolge des Bekanntwerdens neuer Tatsachen oder eines Rechtsbehelfsverfahrens (offen gelassen auch in dem Senatsurteil in BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562).

c) Ist der Haftungsschuldner jedoch wegen eines bestimmten Lebenssachverhaltes durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden, hält der Senat den Erlass eines ergänzenden, die Haftung erweiternden Haftungsbescheides ohne vorherige Aufhebung des vorangegangenen Haftungsbescheides und Prüfung der Frage des Vertrauensschutzes i.S. des § 130 Abs. 2 AO 1977 dann für unzulässig, wenn der erste Bescheid über denselben Sachverhalt entschieden hat wie auch der zweite, und die Inanspruchnahme auf eine zu niedrige Haftungssumme auf einer rechtsirrtümlichen Beurteilung des Sachverhaltes oder einer fehlerhaften Ermessensentscheidung beruht. In diesem Fall steht der nochmaligen - verbösernden - Regelung des bereits beurteilten und abschließend geregelten Sachverhaltes die Bestandskraft eines vorangegangenen Haftungsbescheides entgegen, die zwar nach Maßgabe des § 130 Abs. 2 AO 1977 durchbrochen werden könnte, aber den Erlass eines zusätzlichen, neben den ursprünglichen Haftungsbescheid tretenden nachfordernden Haftungsbescheides verbietet.

3. a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass ein bereits ergangener Haftungsbescheid dem Erlass eines weiteren Haftungsbescheides (nur) dann nicht entgegensteht, wenn dieser aufgrund eines anderen, bisher nicht berücksichtigten Sachverhaltes ergeht, der Gegenstand eines selbständigen, durch den ursprünglichen Haftungsbescheid nicht erfassten Haftungsanspruches ist (vgl. BFH-Urteile vom 30. August 1988 VI R 21/85, BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193, 195; vom 3. Juli 1979 VII R 53/76, BFHE 128, 158, BStBl II 1979, 655, und in BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79; vom 21. Juni 1989 VI R 31/86, BFHE 157, 377, BStBl II 1989, 909). Danach ist die Erhöhung der Haftungssumme durch einen weiteren Haftungsbescheid ohne Beschränkung durch einen diesem vorangegangenen Haftungsbescheid in der Regel dann unproblematisch, wenn sie nur deshalb erfolgt, weil etwa für einen zusätzlichen, durch den ersten Haftungsbescheid noch nicht berücksichtigten selbständigen Steueranspruch gehaftet werden soll; auch wenn dieser Steueranspruch im Zeitpunkt der ersten Haftungsinanspruchnahme bereits entstanden war. Insoweit erfolgt die weitere Haftungsinanspruchnahme aufgrund eines anderen haftungsauslösenden Sachverhaltes, wie etwa die Inanspruchnahme für eine andere, bisher einem Haftungsbescheid nicht zugrunde gelegte Steuer oder für dieselbe Steuer aber für einen anderen Besteuerungszeitraum. In diesem Fall kann neben den bereits ergangenen Haftungsbescheid jederzeit ein weiterer selbständiger Verwaltungsakt treten, der für seine rechtliche Beurteilung (Korrektur nach §§ 130, 131 AO 1977 oder in einem Rechtsbehelfs- und Klageverfahren) einen selbständigen, von dem ersten Haftungsbescheid unabhängigen Streitgegenstand beinhaltet.

b) Anders ist die haftungsrechtliche Situation, wenn sich nach Erlass des Haftungsbescheides herausstellt, dass der Haftungsbetrag zu niedrig angesetzt worden ist, obwohl die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, tatsächlich mit einem höheren Betrag entstanden ist. Durch den Haftungsbescheid werden Verbindlichkeiten gegen den Haftungsschuldner festgesetzt, die sich daraus ergeben, dass der Haftungsschuldner einen bestimmten haftungsbegründenden Sachverhalt erfüllt hat und deshalb für die Steuerschuld eines bestimmten Steuerschuldners für einen bestimmten Besteuerungszeitraum in Anspruch genommen werden kann. Diese Elemente bestimmen den Gegenstand des Haftungsbescheides. Entscheidend für die Zulässigkeit eines neben einen bereits bestehenden Haftungsbescheid gegenüber einem bestimmten Haftungsschuldner tretenden weiteren Haftungsbescheides ist danach, ob dieser den gleichen Gegenstand regelt wie der bereits ergangene Haftungsbescheid oder ob die Haftungsinanspruchnahme für verschiedene Sachverhalte oder zu verschiedenen Zeiten entstandene Haftungstatbestände erfolgen soll. Nur im letzten Fall handelt es sich um Haftungsfälle, die nicht voneinander abhängen und, auch wenn sie in einem Haftungsbescheid äußerlich zusammengefasst werden könnten (Sammelbescheid), zu rechtlich selbständigen Haftungsansprüchen führen, die Gegenstand verschiedener Haftungsbescheide sein können (so z.B. Senatsurteil vom 7. November 1989 VII R 34/87, BFHE 159, 106, BStBl II 1990, 201, 202).

4. a) Zur Beurteilung des Haftungsanspruches wegen einer bestimmten Steuer ist auf den Besteuerungszeitraum abzustellen, für den der Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll. So bildet für die Umsatzsteuer jeder Voranmeldungszeitraum einen eigenständigen Besteuerungszeitraum, während für die Haftungsinanspruchnahme wegen der Jahresumsatzsteuer der Besteuerungszeitraum aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung grundsätzlich das Kalenderjahr ist (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -). Der Anspruch auf die Umsatzsteuer eines Kalenderjahres ist nicht teilbar, denn er entsteht in dem Zeitpunkt, in dem er nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 UStG berechenbar ist. Dieser Zeitpunkt ist für den Jahresanspruch in seinem gesamten Umfang das Ende des Besteuerungszeitraums, mithin des Kalenderjahres (BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662). Der Haftungsanspruch hierfür entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Haftungsfolge knüpft (§ 38 AO 1977). Das ist in der Regel - da es für den Erlass des Haftungsbescheides weder auf die Fälligkeit, noch auf die Festsetzung der Steuer ankommt (vgl. Senatsurteile vom 30. März 1993 VII R 108/92, BFH/NV 1993, 583, und vom 15. Oktober 1996 VII R 46/96, BFHE 181, 392, BStBl II 1997, 171) - die Entstehung der Steuerschuld (Ehlers in Behrmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 191 AO 1977 Rz. 3; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 191 AO 1977 Rz. 19; Halaczinsky in Koch/Scholtz, a.a.O., 5. Aufl., § 191 Rz. 10, und BFH-Urteile vom 6. Oktober 1977 V R 50/74, BFHE 124, 90, BStBl II 1978, 241, 243, und vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486). Danach ist Gegenstand eines Haftungsbescheides, mit dem der Haftungsschuldner aufgrund eines bestimmten Haftungstatbestandes für eine Jahressteuerschuld des Steuerschuldners in Anspruch genommen werden soll, stets der gesamte zum 31. Dezember des Kalenderjahres entstandene Steueranspruch und nicht ein Teilanspruch.

b) Im Streitfall war Gegenstand des ersten Haftungsbescheides, mit dem der Kläger auf die Umsatzsteuer 1992 der OHG in Anspruch genommen worden ist, neben seiner Gesellschafterstellung, durch die der Haftungstatbestand begründet war, die Umsatzsteuerschuld der OHG für das Jahr 1992 in der tatsächlich zum 31. Dezember 1992 entstandenen Höhe. Der gleiche Anspruch ist auch Gegenstand des zweiten Haftungsbescheides; denn der Anspruch auf die Jahressteuer für ein bestimmtes Kalenderjahr ist, wie oben ausgeführt, ein Gesamtanspruch, der nicht teilbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Anspruch durch Tilgungsleistungen - teilweise - erloschen sein kann. Dieser Umstand führt lediglich dazu, dass der Haftungsschuldner wegen des Grundsatzes der Akzessorietät der Haftungsschuld zur Steuerschuld nur insoweit für den Steueranspruch in Haftung genommen werden kann, als dieser im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme bzw. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diese Inanspruchnahme noch besteht (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1992 I R 41/92, BFHE 170, 204, BStBl II 1993, 407, m.w.N.).

Ebenso wenig beeinflusst die Aussetzung der Vollziehung der Steuerschuld den Haftungsanspruch, denn alleinige tatbestandsmäßige Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme ist neben dem Bestehen einer öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Haftungsnorm, dass die Steuerschuld oder der Anspruch auf die steuerliche Nebenleistung entstanden und im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides noch nicht erloschen ist (vgl. Rüsken in Klein, a.a.O., § 191 Rz. 11; Senatsurteil vom 7. November 1995 VII R 26/95, BFH/NV 1996, 379, 382). Die Aussetzung der Vollziehung berührt den Anspruch gegen den Steuerschuldner als solchen nicht (vgl. Senatsurteil vom 17. September 1987 VII R 50-51/86, BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366, 369, m.w.N.).

c) Danach hatte das FA bei Erlass des ersten Haftungsbescheides über die Haftungsinanspruchnahme des Klägers wegen des zum 31. Dezember 1992 gegenüber der OHG entstandenen Umsatzsteueranspruches in seiner Gesamtheit zu entscheiden. Dass es rechtsirrig seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde gelegt hat, der Haftungsschuldner könne wegen des ausgesetzten Betrages der Umsatzsteuer 1992 (noch) nicht in Anspruch genommen werden, berührt den Gegenstand des Haftungsbescheides nicht.

Dem Erlass des zweiten Haftungsbescheides stand mithin ein wirksamer bestandskräftiger Verwaltungsakt entgegen, mit dem eine abschließende Entscheidung über den Haftungstatbestand bezüglich der Umsatzsteuer 1992 der OHG getroffen worden ist. Mit dem zweiten Haftungsbescheid hat das FA eine weitere Entscheidung über den gleichen, gegenüber dem ersten Bescheid unveränderten Haftungstatbestand getroffen, auch wenn es mit diesem Bescheid nominell einen bislang nicht beanspruchten Teilbetrag der Umsatzsteuerschuld der OHG für 1992 geltend gemacht hat. Dieser bislang nicht geltend gemachte Teil des Gesamtanspruches auf Haftung für die Umsatzsteuer der OHG für 1992 begründet indes keinen selbständigen, von der bisherigen Haftungsinanspruchnahme unabhängigen Haftungsanspruch, den das FA in einem gesonderten Einzelhaftungsbescheid in Form eines ergänzenden Bescheides hätte festsetzen können (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193, 195; ebenso Rossmanith, DStZ 1986, 580, 581).

5. Zutreffend geht das FG davon aus, dass der zweite Haftungsbescheid, der bezüglich des Haftungstatbestandes - jedenfalls soweit er die Haftung für die Umsatzsteuer der OHG für 1992 betrifft - eine weitere ergänzende Rechtsfolge ausspricht, wegen der entgegenstehenden Bestandskraft des ersten Haftungsbescheides rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist.

Dieses Ergebnis entspricht dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der Bindungswirkung einer bestandskräftigen Entscheidung. Danach ist die Behörde gehindert, einen bestandskräftig entschiedenen Sachverhalt bei unveränderter Sach- und Rechtslage ohne Korrektur des ergangenen Verwaltungsaktes aufgrund der hierfür in Betracht kommenden Korrekturvorschriften durch einen zweiten ergänzenden Verwaltungsakt erneut zu regeln. Für das finanzgerichtliche Verfahren ist aufgrund dieser Rechtsgrundsätze in § 110 Abs. 1 FGO bestimmt, dass rechtskräftige Urteile die Beteiligten binden, soweit über einen bestimmten Streitgegenstand entschieden worden ist. Die Bestandskraftwirkung einer rechtskräftigen Entscheidung steht danach - sofern nicht eine Korrekturvorschrift die Aufhebung oder Änderung (hier die Rücknahme oder den Widerruf) des bestandskräftigen Verwaltungsaktes erlaubt (vgl. § 110 Abs. 2 FGO) - einer erneuten Entscheidung über den gleichen Sachverhalt entgegen (s. Senatsbeschluss vom 25. November 1997 VII B 57/97, BFH/NV 1998, 670, 671). Der unter Missachtung dieses Grundsatzes ergangene Verwaltungsakt ist danach rechtswidrig.

Für das Verbot einer neben einen bestandskräftigen Verwaltungsakt tretenden erneuten Regelung des gleichen Sachverhaltes spricht auch der im Steuerrecht geltende Grundsatz, dass für eine Steuerart über einen bestimmten Besteuerungszeitraum gegenüber einem bestimmten Steuerpflichtigen jeweils nur ein rechtswirksamer Steuerbescheid ergehen darf. Für die Umsatzsteuer folgt dies aus § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG (Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr). Aus Gründen der Rechtssicherheit muss das auch für die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners für eine bestimmte Steuerschuld eines bestimmten Steuerschuldners für einen bestimmten Besteuerungszeitraum gelten. Denn jeder Steuerverwaltungsakt ist dadurch gekennzeichnet, dass er eine selbständige Regelung und einen selbständig vollstreckbaren Titel darstellt (vgl. § 218 Abs. 1, § 249 ff. AO 1977) und somit die Gefahr bestünde, dass wegen ein und desselben Anspruchs bei Vorliegen mehrerer - wirksamer - Steuerverwaltungsakte und entsprechendem Leistungsgebot (vgl. § 219, § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) wegen der gleichen Geldforderung mehrfach vollstreckt werden könnte. Dafür, dass diese Gefahr auch im Streitfall besteht, spricht die Feststellung des Urteils der Vorinstanz, wonach der Kläger als Haftungsschuldner für die Umsatzsteuer 1992 der OHG allenfalls noch in Höhe von ... DM ergänzend hätte in Anspruch genommen werden können.

6. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif. Soweit der zweite Haftungsbescheid den Kläger für Zinsen, die möglicherweise Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung i.S. des § 237 AO 1977 sind und evtl. noch nicht erfasste Säumniszuschläge in Anspruch genommen hat, hat das FG übersehen, dass der Haftung für diese Ansprüche, soweit sie nicht Gegenstand des ersten Haftungsbescheides gewesen sind, dessen Bestandskraft nicht entgegenstand. Insoweit handelt es sich um selbständige Ansprüche, die durch den zweiten Haftungsbescheid möglicherweise erstmals geregelt werden konnten. Da das FG Feststellungen hierzu nicht getroffen hat, war die Sache wegen der Haftungsinanspruchnahme für die Nebenansprüche zurückzuverweisen, damit das FG die notwendigen Feststellungen nachholt und eine erneute Entscheidung hierzu trifft.