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  BFH-Urteil vom 10.11.2004 (II R 69/01) BStBl. 2005 II S. 259

Der Steuerpflichtige trägt gemäß § 146 Abs. 7 BewG die Nachweislast für den niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks.

Der Nachweis durch Sachverständigengutachten kann regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden.

BewG § 146 Abs. 7.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 24. Juli 2001 2 K 1704/00 (EFG 2002, 180)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von ihrer Mutter mit Vertrag vom 3. Dezember 1998 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - fiktiv gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) - einen Anteil in Höhe von einem Drittel an einem Grundstück. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück mit einem Einkaufsmarkt bebaut, der bis zum 31. Dezember 2000 fremdvermietet war.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte mit Bescheid vom 23. Juni 1999 gemäß § 138 i.V.m. § 146 Abs. 2 bis 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) für den übertragenen Anteil einen anteiligen Grundstückswert von 1.508.333 DM als Bedarfswert auf den 3. Dezember 1998 gesondert fest. Das FA legte der Berechnung des Bedarfswertes gemäß § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG die durchschnittlich erzielte Miete der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt zu Grunde.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Klägerin hatte unter Vorlage eines Gutachtens ihres Prozessbevollmächtigten, das im Wesentlichen der Berechnung nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG folgt und sie durch den Ansatz einer nachhaltig erzielbaren Miete korrigiert, nach § 146 Abs. 7 BewG eine Feststellung auf 866.666 DM begehrt. Das Finanzgericht (FG) hielt das Gutachten des Prozessbevollmächtigten für ungeeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücksanteils nachzuweisen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 146 Abs. 7 BewG sowie sinngemäß Verletzung der Sachaufklärungspflicht dadurch, dass das FG die Feststellung eines niedrigeren Grundstückswertes nach § 146 Abs. 7 BewG durch einen Gutachter nicht veranlasst habe. Die Klägerin hat ihrer Revisionsschrift ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen beigefügt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. März 2000 und den Bescheid vom 23. Juni 1999 aufzuheben und den der Klägerin zugerechneten anteiligen Grundstückswert auf 866.666 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat im Ergebnis zutreffend darauf erkannt, dass die Klägerin einen niedrigeren gemeinen Wert des ihr übertragenen Anteils gemäß § 146 Abs. 7 BewG nicht nachgewiesen hat, weil das von ihr vorgelegte Gutachten nicht anzuerkennen ist.

1. Gemäß § 146 Abs. 7 BewG trägt der Steuerpflichtige die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert.

a) Nach § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 146 Abs. 2 bis 5 BewG sind bebaute Grundstücke - wie im Streitfall - für schenkungsteuerliche Zwecke in einem vereinfachten Ertragswertverfahren mit einem "typisierenden Wert" zu bewerten. Der nach diesem Verfahren für bebaute Grundstücke anzusetzende Wert darf nach § 146 Abs. 6 BewG nicht geringer sein als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG (Mindestwert: 80 v.H. des Bodenrichtwerts) zu bewerten wäre. Nach § 146 Abs. 7 BewG ist jedoch ein niedrigerer Wert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert des bebauten Grundstücks nachweist.

b) Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Das ist bei Grundstücken und Gebäuden regelmäßig der Verkehrswert (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497; vom 12. Dezember 1991 IV R 53/90, BFHE 166, 495, BStBl II 1992, 462).

c) Der Steuerpflichtige trägt für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes die Nachweislast. Der Reichsfinanzhof (RFH) und ihm folgend der BFH hatten zu der insoweit gleich lautenden Vorgängervorschrift des § 14 Abs. 4 BewG, der ebenfalls - wie etwa auch § 13 Abs. 3 BewG - für die Einheitsbewertung eine Korrektur des Steuerwertes zulässt, wenn der gemeine Wert niedriger oder höher ist, zwar die Auffassung vertreten, dass hieraus keine über die allgemeine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen hinaus gehende Behauptungslast gefolgert werden könne (RFH-Urteil vom 8. Juni 1934 III A 160/34, RStBl 1934, 923; BFH-Urteil vom 24. April 1970 III R 54/67, BFHE 99, 489, BStBl II 1970, 715). Gegenüber der offenen Formulierung in § 13 Abs. 3 und § 14 Abs. 4 BewG ("Ist der gemeine Wert ... nachweislich geringer oder höher") lässt aber die Formulierung in § 146 Abs. 7 BewG ("wenn der Steuerpflichtige nachweist") keine andere Auslegung zu als die, dass den Steuerpflichtigen eine Nachweislast für den geringeren gemeinen Wert trifft. Hiervon ist der Senat auch bei der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 BewG ausgegangen (BFH-Urteil vom 25. November 1987 II R 185/80, BFHE 152, 141, BStBl II 1988, 196, 198).

2. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes gemäß § 146 Abs. 7 BewG kann regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden (vgl. R 177 Abs. 1 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien - ErbStR - 2003).

a) § 146 Abs. 7 BewG regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag (Zeitpunkt der Entstehung der Steuer: § 9 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG -) zu führen ist. Ebenso wie ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah erzielter Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703) kann ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken (vgl. R 177 ErbStR 2003) als Nachweis dienen (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179). Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich frei in der Wahl, welches dieser Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts er wählt.

b) Führt der Steuerpflichtige den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG durch ein Gutachten, so handelt es sich um ein Privatgutachten und damit um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1993 IV R 33/92, BFH/NV 1993, 739; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 1982 III ZR 201/80, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 2874), das grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (§ 96 Abs. 1 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1982 IV R 176/78, BFHE 138, 33, BStBl II 1983, 417).

c) Auf ein Gutachten, das nicht der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat, kann jedoch wegen der Nachweisregelung in § 146 Abs. 7 BewG der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts nicht gestützt werden. Mit der Nachweislast gemäß § 146 Abs. 7 BewG obliegt es dem Steuerpflichtigen nämlich, den Nachweis so durch ein Sachverständigengutachten zu führen, dass ihm das FG regelmäßig ohne Bestellung weiterer Sachverständiger folgen kann. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn Gutachten anderer Personen für den Nachweis durch den Steuerpflichtigen zugelassen würden, weil das FG sich zu deren Überprüfung dann doch eines Sachverständigen bedienen müsste. Den Steuerpflichtigen träfe im Ergebnis entgegen der gesetzlichen Wertung nicht mehr die Nachweislast, sondern allenfalls noch eine Darlegungs- und Feststellungslast.

d) Das FG hat daher zutreffend angenommen, die Klägerin habe den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes durch das von ihrem Prozessbevollmächtigten erstellte Gutachten nicht geführt. Die Klägerin hat allein mit dem Hinweis auf § 2 Abs. 3 der Wirtschaftsprüferordnung nicht dargetan, dass ihr Prozessbevollmächtigter Sachverständiger für Grundstücksfragen ist.

3. Da auch die Verfahrensrüge nicht durchgreift, war die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Rüge, das FG habe gegen die sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebende Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, indem es die beantragte Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zum Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes nach § 146 Abs. 7 BewG übergangen habe, ist schon deshalb nicht schlüssig, weil es - auch nach Auffassung des FG - Sache der Klägerin war, ein Sachverständigengutachten beizubringen.