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  BFH-Urteil vom 7.7.2004 (XI R 44/03) BStBl. 2005 II S. 276

Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit kommt - außer in den Fällen der ausschließlichen bzw. der abgrenzbaren mehrjährigen Sondertätigkeit - die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auch dann in Betracht, wenn eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste auf der Grundlage einer arbeitnehmerähnlichen Stellung geleistet wird.

EStG 1997 § 34 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Köln vom 7. Juli 2003 6 K 3639/02

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob eine vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezogene Sondervergütung in Höhe von 1 Mio. DM eine Vergütung i.S. des § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1998 maßgebenden Fassung ist.

Der Kläger ist Steuerberater. Von 1965 bis 1988 war er im Anstellungsverhältnis bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

Am 1. Januar 1989 verließ er die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und übernahm auf der Basis eines Dienstleistungsvertrages die Stelle des kaufmännischen Leiters in einem Industrieunternehmen. Zu seinen Aufgabengebieten gehörte auch die steuerrechtliche und wirtschaftliche Beratung des Unternehmens. Für seine Tätigkeit bezog er eine feste monatliche Vergütung (zzgl. Mehrwertsteuer), die mit den Gehältern der leitenden Angestellten jeweils im April angepasst wurde. Die monatliche Vergütung betrug (ohne Mehrwertsteuer) im Streitjahr 1998 in den Monaten Januar bis April 20.000 DM, in den Monaten Mai bis Dezember 21.000 DM. Neben seiner Tätigkeit für das Industrieunternehmen, für die der Kläger nach dem Dienstleistungsvertrag mindestens 3 1/2 Arbeitstage je Woche zu reservieren hatte, betreute er als selbständig tätiger Steuerberater noch einige kleinere Mandate. Als das Unternehmen im Jahre 1998 verkauft wurde, zahlten die Veräußerer dem Kläger als Dank für die jahrelange treue Zusammenarbeit eine Sondervergütung von 1 Mio. DM zzgl. Mehrwertsteuer. Zusammen mit der vorgenannten Sonderzahlung von 1.150.000 DM beliefen sich die Einnahmen des Klägers aus selbständiger Tätigkeit als Steuerberater im Streitjahr auf 1.482.822 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte eine Verteilung der Sondervergütung auf drei Jahre gemäß § 34 Abs. 3 EStG ab. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Februar 1993 I R 119/91, BFH/NV 1993, 593, und vom 6. Oktober 1993 I R 98/92, BFH/NV 1994, 775) sei § 34 Abs. 3 EStG auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur anwendbar, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten habe oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar sei und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehöre, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt werde. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend:

1. Das Hauptmerkmal aller in § 34 EStG geregelten Fälle sei die Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum, die in mehreren Jahren verdient worden seien.

2. Die Sonderzahlung sei ohne vertragliche Verpflichtung geleistet worden und gehöre schon deshalb nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb.

3. Der Hinweis des FA auf § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) sei irreführend, weil die Abfindung nach § 89b HGB nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Bescheides die Sondervergütung gemäß § 34 Abs. 3 EStG zu besteuern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

1. Die Sonderzahlung habe zwar mehr als das 3 1/2-fache der regelmäßigen Jahresvergütung betragen; daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich nicht mehr um eine berufsübliche Vergütung handele, da Steuerberater durchaus auch höhere Einkünfte erzielen könnten.

2. Die Revision lasse nicht erkennen, nach welchen Kriterien Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 3 EStG von üblicherweise schwankenden Einkünften eines Freiberuflers abzugrenzen seien.

3. Abzustellen sei auf die Abgrenzbarkeit der Tätigkeit zum regelmäßigen Gewinnbetrieb, nicht auf die Abgrenzbarkeit der Art der Entlohnung.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Entgegen der Auffassung des FG sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG gegeben.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG in der Fassung des Streitjahres beträgt die Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, das Dreifache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Drittels dieser Einkünfte.

a) Der BFH ist in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile in BFH/NV 1993, 593, m.w.N., und in BFH/NV 1994, 775; Beschluss vom 28. Mai 2001 XI B 37/00, BFH/NV 2001, 1546) der Auffassung, dass die Einkommensteuer auch bei Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 34 Abs. 3 EStG zu berechnen ist, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteil vom 22. Mai 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136, BStBl II 1975, 765, m.w.N.; R 200 Abs. 3 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 1998).

b) Über diese Fälle der ausschließlichen bzw. der abgrenzbaren mehrjährigen Sondertätigkeit hinaus kommt - ähnlich wie bei Jubiläumszuwendungen, die aus Anlass von Dienstjubiläen gewährt werden und wirtschaftlich mit der vom Arbeitnehmer in den zurückliegenden Dienstjahren geleisteten Arbeit im Zusammenhang stehen (dazu BFH-Urteil vom 3. Juli 1987 VI R 182/85, BFHE 150, 161, BStBl II 1987, 677) - eine Berechnung nach § 34 Abs. 3 EStG nach Auffassung des Senats auch dann in Betracht, wenn eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste auf der Grundlage einer arbeitnehmerähnlichen Stellung gezahlt wird. In diesem Fall besteht für die Restriktionen, die sonst berechtigterweise für Gewinneinkünfte gelten, kein hinreichender Anlass.

Der Kläger bekleidete die Stellung eines kaufmännischen Leiters und erhielt die Sonderzahlung für langjährige treue Dienste. Für seine Tätigkeit bezog er eine feste monatliche Vergütung, die mit den Gehältern der leitenden Angestellten jeweils im April angepasst wurde; der Urlaub war mit der Geschäftsleitung der Gesellschaft abzustimmen. In diesem Sonderfall besteht keine vergleichbare Situation, die ansonsten zur beschränkten Anwendbarkeit der Regelung des § 34 Abs. 3 EStG bei Gewinneinkünften führt; der Kläger bezog aus seiner Tätigkeit keine schwankenden Gewinne, sondern ein Festgehalt, das eine klare Abgrenzung zu der Sonderzahlung ermöglicht.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unterliegt das Einkommensteuerrecht prinzipiell dem Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88); Unterschiede bedürfen der Rechtfertigung. Angesichts der Ähnlichkeit der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit mit der eines Arbeitnehmers ist es auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt, die Steuer für die Sondervergütung nach dem Maßstab des § 34 Abs. 3 EStG zu berechnen, wobei ein negatives Einkommen verdreifacht in die Multiplikationsrechnung eingeht (dazu vgl. Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., 1998, § 34 Rz. 67; Blümich/Lindberg, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 34 EStG - Stand Juni 1999 -, Rz. 115; Puhl, Der Betrieb 1988, 1917, 1921; zur Neuregelung vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., 23. Aufl., 2004, § 34 Rz. 40, 57).